Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Debatte um den Deutschen Filmpreis: Eine mutlose Kleinfamilie
> Die Verleihung des Deutschen Filmpreises hat eine Diskussion um das
> deutsche Kino ausgelöst. Gut so! Denn die Branche muss endlich mal
> Haltung entwickeln.
Bild: Kesse Lola: Alina Levshin erhielt den deutschen Filmpreis für die beste …
Man kann nur hoffen, dass sie weitergeht: die Diskussion um das deutsche
Kino. Dass die Verleihung und Kommentierung des Deutschen Filmpreises am
vergangenen Wochenende nicht das Ende einer gerade begonnenen, so
kritischen wie spannenden Debatte bildet.
Andreas Dresens Film „Halt auf freier Strecke“ und Christian Petzolds
„Barbara“, die mit der Goldenen und Silbernen Lola ausgezeichnet wurden,
stehen mit ihren vollkommen unterschiedlichen Kinovisionen stellvertretend
für die Bandbreite innerhalb des deutschen Autorenkinos. Dresens Kino der
sozialen Realitäten erzählt mit einer agilen Kamera, improvisiertem Spiel
und präziser Recherche das Sterben eines krebskranken Mannes, sodass man
als Zuschauer das Gefühl bekommt, mit am Krankenbett zu sitzen.
Mit „Halt auf freier Strecke“ gewann das große Gefühl, das große Drama. …
gegenüber stehen die klaren, durchlässigen Bildkompositionen von Christian
Petzold, in denen deutsche Wirklichkeiten eher nachhallen, als dass sie
gezeigt werden. Sein Film „Barbara“ entwickelt eine Idee der DDR, die
Vorstellung eines Landes, in dem sich die Überwachung und die Angst davor
tief in die menschlichen Beziehungen eingeschrieben haben.
Doch wann immer während der Preisverleihung im Berliner
Friedrichstadtpalast Ausschnitte aus „Barbara“ eingeblendet wurden,
erinnerte seine Titelheldin gleich einer Nemesis daran, dass sie im Saal
fehlte. Wie konnte es passieren, dass die großartige Nina Hoss bei den
Nominierungen als beste Darstellerin übergangen wurde?
Die Süddeutsche Zeitung klagte über den merkwürdigen Umgang der Deutschen
mit ihren Stars, die nicht zum Glänzen gebracht würden. Stars werden nun
mal nicht geboren, sondern gemacht – eine in Deutschland verkümmerte
kulturelle Praxis. Auch innerhalb der Deutschen Filmakademie, die
alljährlich den Filmpreis ausrichtet. Während sich Akademiepräsidentin Iris
Berben durch ihre Laudatio für den Ehrenpreisträger, den Kameramann Michael
Ballhaus, säuselte, fragte man sich, warum nicht Hanna Schygulla, Margit
Carstensen oder Irm Hermann auf der Bühne standen: Schauspielerinnen, die
deutsche Kinogeschichte geschrieben haben.
## Mütterliche Beschwörung
Fast schon mütterlich beschwor Berben auf der Bühne immer wieder die
angebliche Zusammengehörigkeit der deutschen Filmfamilie. Tatsächlich
handelt es sich um eine Familie, die ihre ungezogensten, eigenwilligsten
Kinder vom Abendbrottisch ausgeschlossen hat. Filme wie „Über uns das All“
von Jan Schomburg, in dem Sandra Hüller eine wahrhaft exzentrische aus der
Bahn Geworfene spielt, oder Ulrich Köhlers „Schlafkrankheit“, eine
wagemutige Expedition in die Seele eines Mannes, der sich selbst verloren
gegangen ist.
Solange sich die Akademie den kommerziellen Extremen genauso verweigert wie
den künstlerischen, werden ihre Preisverleihungen bleiben, was sie zurzeit
sind: Veranstaltungen ohne Wagemut, Ausdruck eines kleinbürgerlichen
Mittelgeschmacks, Konsensgeschäft.
Warum sperrt man sich hierzulande so gegen die Diskussion und das Reden
über das Kino? Warum kommt man nicht als Gruppe im Kino zusammen und
tauscht nach der Vorführung die Eindrücke miteinander aus? Vielleicht wären
dann manche fragwürdige Entscheidungen nicht zustande gekommen. Etwa die
sechs Preise für Roland Emmerichs Historienspektakel „Anonymus“. Die
Anhäufung zeigt, wie sehr sich die Abstimmenden dann doch von Geld und
Aufwand blenden lassen.
Es bleibt die Frage, warum Roland Emmerichs millionenteurem Kostümschinken
erst so viele Preise hinterhergeworfen werden mussten, um ihn dann leer
ausgehen zu lassen. Und warum man Christian Petzold erst den ganzen Abend
leer ausgehen ließ, um ihm dann alibihaft die Silberne Lola zu verleihen.
Irgendwo in diesem haltungslosen Niemandsland liegt der Hund begraben. Und
es ist an der Deutschen Filmakademie, ihn auszugraben.
29 Apr 2012
## AUTOREN
Anke Leweke
## TAGS
Clemens Meyer
## ARTIKEL ZUM THEMA
„Als wir träumten“ im Kino: Die Halbstarken von 1989
Andreas Dresen hat Clemens Meyers Roman „Als wir träumten“ verfilmt. Er
gibt in Leipzig Vollgas – und verliert den Überblick.
Filmemacher diskutieren mit Kritikern: Ungeliebt und unverstanden
Deutsche Filmemacher fühlen sich von den Kritikern oft ungerecht behandelt.
Die Deutsche Filmakademie ließ beide Seiten miteinander diskutieren.
Dokumentarfilm von Andreas Dresen: Was junge Adler wollen
Mit ehrlichem Interesse an demokratischen Institutionen erzählt Andreas
Dresen seinen "Herr Wichmann aus der dritten Reihe".
Kurzfilmtage Oberhausen: Das Alte sagt nicht einfach tschüss
Am Dienstag gingen die Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen zu Ende.
„Mavericks, Mouvements, Manifestos“ erinnerten an das berühmte Manifest.
Deutscher Filmpreis Lola: Wo der Glamour zur Schule ging
Ohne die Ernst-Busch-Schule für Schauspielkunst sähe es trostlos aus auf
der Filmpreisverleihung. Acht der zwölf Nominierten kommen von dort.
Verleihung Deutscher Filmpreis: „Barbara“ räumt ab
Der Film „Barbara“ hat große Chancen auf den Deutschen Filmpreis 2012. Das
Krebsdrama „Halt auf freier Strecke“ und der Historienfilm „Anonymus“ h…
jeweils sieben Nominierungen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.