# taz.de -- Kulturpolitik in Zeiten knapper Kassen: Aufwerten und verdrängen | |
> Berliner vertrieben kürzlich das BMW-Guggenheim-Lab aus Kreuzberg. | |
> Dennoch halten viele Unternehmen den Imagegewinn durch private | |
> Kulturförderung für lukrativ. | |
Bild: Das Grundstück in Berlin, auf dem das „BMW Guggenheim Lab“ hätte ge… | |
Anfang April gab die Solomon R. Guggenheim Foundation bekannt, das „BMW | |
Guggenheim Lab“ eröffne am 15. Juni im Prenzlauer Berg. Den Standort | |
Kreuzberg hatte das mobile Laboratorium zur Zukunft des städtischen Lebens | |
wegen Protesten aufgegeben. | |
„Chaoten“, „Autonome“, „Linksextremisten“ hätten das „Lab“ ver… | |
es daraufhin in den Medien. Dabei spiegelt die Aufregung ein allgemeines | |
Unbehagen gegenüber der zunehmenden Infiltration von Kultur durch | |
Firmenlogos und privates Kapital. | |
In Kreuzberg kam die angespannte soziale Lage hinzu: In keinem anderen | |
Berliner Bezirk liegen Durchschnittseinkommen und -miethöhe so weit | |
auseinander, Aufwertung und Verdrängung sind alltägliche Themen. Dass das | |
„BMW Guggenheim Lab“ „Ideen für die Großstadt“ entwickeln will – so… | |
es im Untertitel –, provozierte da. Genauso wie die Selbstverständlichkeit, | |
mit der der Partner und Financier BMW den eigenen Firmennamen platzierte. | |
Immer mehr Unternehmen setzten auf Kultursponsoring statt auf klassische | |
Produktwerbung. Vor allem die großen Banken und Versicherungen investieren | |
in Museen, Galerien, Opernhäuser und Festivals. Die Deutsche Bank zum | |
Beispiel sponsert die Berliner Philharmoniker, ist Besitzerin einer großen | |
Sammlung zeitgenössischer Kunst, die sie Museen überlässt, und betreibt | |
noch bis Ende des Jahres die Kunsthalle Deutsche Guggenheim in ihrer | |
Hauptresidenz. | |
BMW ist Partner der Berlinale. Die Deutsche Oper wird von der Audi AG und | |
der Berliner Bank unterstützt. Rund eine halbe Milliarde Euro für Kultur | |
kommt in Deutschland jährlich aus privater Hand. Was aber bringt | |
Unternehmen dazu, in Kultur zu investieren? | |
Seit Jahren zieht sich der Staat immer mehr aus der Kulturförderung zurück. | |
Bundesweit sind nicht nur randständige Projekte bedroht, sondern auch | |
etablierte Häuser. Zur Aufrechterhaltung des kulturellen Angebots ist immer | |
mehr privates Geld notwendig. Andererseits kämpft die staatliche Förderung | |
in einer differenzierten Gesellschaft um Legitimität. So leistet sich | |
Berlin, das sich selbst als Kultur- und Kreativmetropole bezeichnet, noch | |
immer viel. Mit insgesamt rund einer Milliarde Euro im Jahr werden Opern- | |
und Theaterhäuser, Museen, Musik, Literatur, Kunst und die Freie Szene | |
unterstützt. Trotzdem reicht vielerorts das Geld nicht mehr. | |
## Wer soll gefördert werden? | |
Zuletzt hatten vier Autoren mit dem Buch „Kulturinfarkt. Von allem zu viel | |
und überall das Gleiche“ eine Abrechnung mit dem Status quo vorgelegt. Ihre | |
These: Die Hälfte der Kulturinstitutionen sei verzichtbar, das frei | |
gewordene Geld solle an die verbleibenden Institutionen gehen. Tatsächlich | |
stellt sich die Frage, wer künftig gefördert werden soll: Ausverkaufte | |
Traditionshäuser oder experimentierfreudige Off-off-Bühnen mit schlechter | |
Auslastung? Zugleich ist die Freie Szene nicht mehr umsonst zu haben – | |
KünstlerInnen können sich das Leben und Arbeiten in den Innenstädten kaum | |
mehr leisten. | |
Nun haben Unternehmen das brach liegende kulturelle Kapital entdeckt. Den | |
Raum, den die schwindenden Subventionen hinterlassen, beanspruchen | |
zunehmend Stiftungen, Mäzene und Sponsoren. Anders als für den Staat spielt | |
es für sie keine Rolle, ob sich Kultur finanziell rechnet. Als Hauptgrund | |
für Engagement geben sie nach einer Studie des Kulturkreises der deutschen | |
Wirtschaft im BDI die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung an. | |
Ebenso zählen ein positives Image und die größere Attraktivität für | |
MitarbeiterInnen. Über 65 kulturfördernde Unternehmen sind im Arbeitskreis | |
Kultursponsoring, einer Initiative des Kulturkreises, vernetzt. Seit der | |
Gründung 1996 hat sich einiges getan. „Das Sponsoring als Mittel der | |
Kulturförderung hat sich etabliert“, sagt Friederike von Reden, Referentin | |
für Kultursponsoring und Kulturpolitik im Kulturkreis. | |
Zunehmend werben auch die Kulturträger um Unternehmen. Oft notgedrungen. | |
„Unternehmen können allerdings nicht alles auffangen, was die öffentliche | |
Hand nicht mehr leistet“, sagt von Reden. Um den Ruf des Sponsorings zu | |
verbessern, werden Preise ausgelobt. 2011 etwa ging der unter anderem vom | |
Kulturkreis ausgeschriebene Deutsche Kulturförderpreis für unternehmerische | |
Kulturförderung an die „Vattenfall Literaturtage“. Ein umstrittenes Format. | |
KritikerInnen unterstellten Vattenfall, seinen ramponierten Ruf als | |
Atomstromriese aufpolieren zu wollen. „Das kulturelle Engagement eines | |
Unternehmens zu kritisieren, ist meines Erachtens keine sinnvolle Art, um | |
Kritik am Kerngeschäft zu äußern“, sagt von Reden. Für Unternehmen sei es | |
nicht einfach, Geld abseits von Kerngeschäft und Produktwerbung locker zu | |
machen. Veranstaltungen mit offensivem Branding wie etwa die „Audi | |
Sommerkonzerte“ sind da eine Möglichkeit, den Wert der Kulturförderung zu | |
steigern – anders als im Sport, wo Namensrechte gekauft werden (von „Team | |
Telekom“ bis zur „SchücoArena“), sind die Unternehmen im Kulturbereich | |
meist auch die (Co-)Veranstalter. | |
Allerdings haben Unternehmen anders als der Staat keinen politischen | |
Auftrag und darum weder bildungspolitische Anliegen noch ein Interesse an | |
einer „Kultur für alle“. Kultursponsoring ist für sie eine | |
Marketingstrategie. „Das hat etwas mit Zielgruppen zu tun, mit dem Image“, | |
sagt Klaus Siebenhaar, Professor am Institut für Kultur- und | |
Medienmanagement der FU Berlin. „Kultursponsoring ist für Unternehmen ein | |
strategisches Instrument.“ Corporate Social Responsibility heißt das | |
Schlüsselkonzept: KäuferInnen sollen die Unternehmen nicht mehr als bloße | |
Produktanbieter wahrnehmen, sondern als engagierte Bürger. | |
## Sponsoring als Investition | |
Beim „BMW Guggenheim Lab gehe“ gehe es „um eine Botschaft, welche die Les… | |
des Feuilletons besser erreicht als die des Automobilteils“, konkretisierte | |
der BMW-Marketingchef Uwe Ellinghaus im Manager Magazin. Die „Experimental | |
branding-Strategie“ (Ellinghaus) lässt den monetären Gewinn hinter dem | |
Imagezuwachs zurückstehen. Schließlich ist der Autokonzern – in Europa auf | |
dem absteigenden Ast – immer mehr auf jene angewiesen, die seinem Produkt | |
ambivalent gegenüberstehen. | |
Namen und Logos werden darum in Kontexten platziert, in denen | |
Produktwerbung bisher tabu war. Ohne Konflikte geht das nicht vonstatten: | |
Das „BMW Guggenheim Lab“ hatte sich bei der Standortwahl schlicht | |
verkalkuliert; anderswo behindert das offensive Branding die Wahrnehmung | |
von Kultur als hochwertig – wie beim „Telekom Orchester“. | |
Kultur als ein Gut, das allen zugänglich sein soll, gilt gemeinhin als | |
interessenfrei. Marketing ist darum für viele ein Reizthema. So eskalierte | |
die Situation in Kreuzberg – schließlich hatte niemand etwas gegen das | |
Konzept des „Lab“. Im Gegenteil: Bis vor Kurzem wäre die Guggenheim | |
Foundation selbst, eine Institution nach einem Franchising-Modell wie | |
McDonald‘s, angegriffen worden. „Der thematische Zusammenhang ist das | |
Problem, denn niemand hat gegen BMW auf der Berlinale demonstriert“, | |
erklärt Klaus Siebenhaar. Er hält das offensive Branding für | |
kontraproduktiv. Mit einem zurückhaltenderen Konzept hätte sich BMW viel | |
Ärger erspart. | |
Dabei sind das „BMW Guggenheim Lab“ und die „Vattenfall Literaturtage“ … | |
Leuchttürme der Sponsoringaktivitäten – anderswo taucht das Firmenlogo der | |
GeldgeberInnen lediglich im Programmheft auf. Auch stecken Unternehmen den | |
Hauptteil ihres Geldes in kleine regionale Projekte, deren Unterstützung | |
als selbstverständlich gilt. Die Dresdner Bank etwa unterstützte die | |
Dresdner Museen; in Gütersloh hat der dort ansässige Bertelsmann-Konzern | |
den Theaterneubau und die Stadtbibliothek mitfinanziert. „Man sollte es | |
entspannter nehmen, schließlich bewegen wir uns alle auf dem Markt“, so | |
Klaus Siebenhaar. | |
Die Kulturförderung steht an einem Scheideweg. Tatsächlich hätte der Staat | |
Möglichkeiten, Geld in die knappen Kulturetats zu spülen – etwa durch eine | |
Reichensteuer, wie sie Frankreichs Präsident François Hollande vor der Wahl | |
versprach. Kultur wird in Deutschland aber schon lange nicht mehr um der | |
Kultur willen gefördert. | |
Gerade die staatlich geförderten Kulturbetriebe werden penibel evaluiert. | |
Was zählt, sind wirtschaftliche Kriterien: die Auslastung, das eingespielte | |
Geld. Wirtschaftsunternehmen hingegen interessiert etwas anderes. Für sie | |
ist das Sponsoring eine Investition in die Zukunft. Das „BMW Guggenheim | |
Lab“ muss sich nicht rechnen, so lange die Öffentlichkeit vom Spender | |
erfährt. | |
8 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Sonja Vogel | |
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