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# taz.de -- Chef von Kino.to vor Gericht: Vom Bodenleger zum Millionär
> Der Chef des illegalen Filmportals Kino.to nahm Millionen ein und
> finanzierte sich so ein Leben in Spanien. Nun steht der Mann vor Gericht.
> Das Geld ist verschwunden.
Bild: Viel Aufmerksamkeit: Kino.to-Chef Dirk B. vor Gericht.
LEIPZIG taz | Der Prozess gegen den Chef des Portals Kino.to könnte
spannender werden als die vorangegangenen Verfahren gegen die Mitglieder
des Netzwerks. Am ersten Verhandlungstag ließ die Verteidigung offen, ob
der 39 Jahre alte Angeklagte Dirk B. gestehen wird. Am Rande des Prozesses
sagte der Verteidiger Wolfgang Müller, es könne sein, dass er anfechte, ob
manche der Vorwürfe gegen ihn tatsächlich strafbar seien. Die Entscheidung
sei vom Verlauf der Gespräche mit dem Gericht abhängig. Richter,
Staatsanwalt und Verteidiger verhandeln seit Februar über einen Deal, bei
dem Dirk B. ein Geständnis ablegen würde, im Gegenzug aber signalisiert
bekäme, in welchem Rahmen das Strafmaß liegen könnte.
Der Angeklagte und sein Verteidiger Wolfgang Müller gaben sich
selbstbewusst. B. kam ohne Handschellen in den Gerichtssaal. Als B. nach
seinem derzeitigen Wohnsitz gefragt wurde, lächelte er kurz und sagte dann:
„JVA Dresden“.
Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden wirft dem gelernten Bodenleger vor,
das Portal Kino.to aufgebaut und ausgebaut zu haben und damit tausendfach
Urheberrechtsverletzungen begangen zu haben. Auf dem Portal konnten Nutzer
aktuelle Kinofilme und Serien sehen, indem sie einen Streaming-Player
aufriefen. B. habe Kino.to betrieben, um sich persönlich zu bereichern,
sagte Staatsanwalt Dietmar Bluhm. Er habe im gesamten Tatzeitraum mehr als
sechs Millionen Euro Umsatz gemacht. Von einem Teil des Geldes bezahlte er
seine Mitarbeiter und die Kosten für die Seiten und die Server.
In seiner Anklageschrift skizzierte der Staatsanwalt noch einmal das System
Kino.to, dass nach umfangreichen Geständnissen in vorhergehenden Prozessen
exakt beschrieben werden kann. Kino.to war in zwei Verantwortungs-Ebenen
unterteilt. Auf der einen Ebene beschafften sogenannte Uploader neueste
Filme und legten sie auf den Servern von Filehostern ab, die sich mit
Werbung selbst finanzierten. Weder Filehoster noch Uploader erhielten von
B. Geld. Was mit dem übrigen Geld geschehen ist, konnte noch nicht
vollständig ermittelt werden.
## Täglich 3.000 neue Filme
Auf der anderen Ebene aber pflegten die Kern-Mitarbeiter von Kino.to die
Listen mit Links, die auf diese Filme bei den Filehostern verwiesen.
Kino.to beschäftigte sogenannte Freischalter, die die Links überprüften,
die Qualität der Filme sicherstellten und ausschlossen, dass
pornografisches Material auf der Seite verlinkt wurde. Die wichtigsten
Freischalter, ein Paar aus Norddeutschland, das täglich bis zu 3.000 neuer
Filme auf die Seite stellte, hatte sich Ende 2010 bei der Gesellschaft zur
Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen gemeldet und schließlich gegen
eine niedrige sechsstellige Summe die anderen Kino.to-Mitglieder verraten.
Im April war zuletzt der Chef-Programmierer des Portals zu drei Jahren und
neun Monaten Haft verurteilt worden. Er hatte während des Prozesses
ausführlich gestanden und Dirk B. als den Gründer und Chef von Kino.to
benannt.
Sollte es zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung keine
Einigung geben, könnte es sein, dass Dirk B. seine eigene Chefrolle
bestreitet. Außerdem könnte die Frage nach der Strafbarkeit einzelner
Handlungen innerhalb des Systems kino.to gestellt werden, die bisher kaum
eine Rolle spielte, weil keiner der bisher Verurteilten die Vorwürfe
bestritt.
Nach außen hatte Kino.to sich immer als reine Linkliste präsentiert, die
keine Verantwortung für die verlinkten Filme übernehme. Im Innern des
Systems allerdings herrschte unter Filehostern und Uploadern ein Wettbewerb
um die neuesten Filme. Je mehr Klicks die Raubkopien eines Filehosters
erhielten, desto mehr Werbeeinnahmen konnte er generieren. Laut
Staatsanwaltschaft beklauten sich die Raubkopierer gewissermaßen
untereinander, indem sie den anderen die Dateien oder die Links zu diesen
stahlen.
## Ausgeklügelte Abofalle
Den größten Teil der Werbeeinnahmen verdiente Kino.to offenbar über die
Verbindung zu einem Wiener Geschäftsmann, der bekannt für sein
ausgeklügeltes System von Abofallen ist. Unter anderem bot er auf der Seite
einen angeblichen Divx-Player an. Wer darauf klickte, schloss ein Abo ab,
dessen Gebühren dann über Inkassofirmen auch eingetrieben wurden.
Dirk B. hatte die Seite Kino.to im Herbst 2007 über den Domain-Dienst Tonic
angemeldet und begonnen, sie ab 2008 aufzubauen. Er selbst betrieb zum
Hochladen von Filmen auch einen eigenen Filehoster namens Archiv.to, der
auf Kino.to immer bevorzugt verlinkt wurde. Für einen sehr starken
Besucheransturm sorgte in der Anfangszeit ein Bericht der Bild-Zeitung. Der
Programmierer musste die Seite für immer größere Besuchermassen auslegen
und gleichzeitig die Überlastungs-Angriffe von Wettbewerbern abwehren.
Dirk B. hatte auch das Portal Saugstube betrieben, das zunächst über die
Peer-to-Peer-Tauschtechnik eMule ebenfalls urheberrechtlich geschützte
Werke verbreitete. Dafür war er im Juni 2004 zu einer Geldstrafe von 3.900
Euro verurteilt worden. Um die Strukturen von Kino.to zu verschleiern,
hatte B. eine Firma namens PAD Medianet SLU in Spanien angemeldet. Er lebte
zuletzt sowohl auf Mallorca als auch in Leipzig. Im Juni 2011 wurden er und
mehrere andere Mitglieder des Portals verhaftet.
8 May 2012
## AUTOREN
Johannes Gernert
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