# taz.de -- Kleine Landeskunde: Von Protestschweinen und Butterdänen | |
> Schleswig, Holstein und die Dänen: kurze Geschichte eines nicht immer | |
> spannungsfreien Verhältnisses. | |
Bild: Symbol mit Ringelschwanz (nicht im Bild): Husumer Protestschwein. | |
HAMBURG | taz Die Revoluzzer von 1848 fuhren mit der Bahn: Im Zug von Kiel | |
nach Rendsburg saß ein Trupp von etwa 300 Soldaten und Zivilisten, viele | |
davon Studenten. Angeführt wurden sie von Prinz Friedrich von | |
Augustenburg-Noer, dem Kriegsminister der provisorischen | |
schleswig-holsteinischen Regierung, und dem Politiker Wilhelm Beseler – | |
letzterer unbewaffnet, aber mit Regenschirm. Der Zug dampfte durch die | |
Wallanlagen der dänischen Garnison. Weil dort ein Verbündeter die Glocken | |
der Garnisonskirche Feueralarm läuten ließ, traten die dänischen Soldaten | |
ohne Waffen an – und ergaben sich. | |
Die Erhebung im März 1848 läutete das Ende der Herrschaft Dänemarks über | |
die Herzogtümer Schleswig und Holstein ein. Seit 1460 hatten dort die | |
dänischen Könige regiert – ursprünglich auf Wunsch der ansässigen Adelige… | |
Dänenkönig Christian IV. gründete Städte wie Friedrichstadt und Glückstadt. | |
Dort und im dänischen Altona durften sich Juden und Handwerker frei | |
ansiedeln. Dänemark ließ Reformen zu, hob die Leibeigenschaft auf, förderte | |
Wirtschaft und Kultur. | |
Dennoch ging es im 19. Jahrhundert immer wieder um die | |
schleswig-holsteinische Frage: „Wohin gehört das Land?“ Als erster forderte | |
der Sylter Landvogt Jens Uwe Lornsen – somit ein dänischer Beamter – eine | |
eigene Verfassung für Schleswig und Holstein und saß dafür ein Jahr in | |
Festungshaft. Ab 1848 war aber die Erhebung nicht mehr aufzuhalten. Auf den | |
unblutigen Beginn in Rendsburg folgten Jahre voller Schlachten. Erst 1864 | |
gab Dänemark die Herzogtümer auf – doch viele Dänen blieben. | |
Richtig friedlich ging es in der Folge zwischen den Deutschen und jenen, | |
die sich als Dänen fühlten, nicht zu: So durfte der Danebrog, die | |
rot-weiß-rote dänische Flagge, Anfang des 20. Jahrhunderts nicht gehisst | |
werden. Die dänischen Bauern behalfen sich mit einem Trick: Sie züchteten | |
rot-weiße Husumer Protestschweine und ließen sie als lebende Fahnen auf | |
ihren Höfen herumlaufen. | |
Doch die Frage, ob zumindest Schleswig nicht vielleicht doch dänisch sei, | |
schwelte weiter. 1920 stimmten die Bewohner „Mittelschleswigs“ darüber ab, | |
zu welchem Staat sie gehören wollten, und legten so den Verlauf der | |
heutigen Grenze fest. Die Bevölkerung ist hüben wie drüben gemischt. | |
Nach dem zweiten Weltkrieg wuchs die Zahl derer, die sich der Minderheit | |
zugehörig fühlen, deutlich. Als „Butterdänen“ wurden jene verspottet, die | |
sich spontan unter der rot-weißen Fahne versammelten. Ihnen wurde | |
unterstellt, nur auf die Hilfspakete aus Dänemark scharf zu sein. | |
1955, im Bonn-Kopenhagener-Abkommen, erhielten die Minderheiten auf beiden | |
Seiten Sonderrechte – darunter die Chance auf eine politische Vertretung. | |
11 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Esther Geisslinger | |
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Altona | |
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