Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Minderheit von Gewicht: Unter deutschen Dänen
> Ihre politische Vertretung entscheidet derzeit über die
> schleswig-holsteinischen Landespolitik. Doch wer ist die dänische
> Minderheit aus dem Norden?
Bild: Sieht sich als Dänin und Deutsche: Katrine Hoop.
FLENSBURG | taz Sie hat gerne in Hamburg gewohnt und das Großstadtleben
genossen. Doch als Katrine Hoops Sohn ins Schulalter kam, ist sie
zurückgezogen in den Norden Schleswig-Holsteins, in dem sie groß geworden
ist. Sie lebt jetzt in Flensburg. Der Grund: Die Bildung ihre Sohnes. „Dass
der auf eine deutsche Schule geht, war für mich nicht vorstellbar“, sagt
sie.
Hoop zählt sich zur dänischen Minderheit. Etwa 50.000 Menschen in
Schleswig-Holstein gehören zu dieser Gruppe, sie leben vor allem im
Landesteil nördlich des Flusses Eider – in Südschleswig. Flensburg,
Schleswig und Husum sind ihre Hochburgen. Die politische Vertretung der
dänischen und friesischen Minderheit, der Südschleswigsche Wählerverband
(SSW), könnte Königsmacher in der Landespolitik werden und bald
mitregieren. Ende dieser Woche gab es die ersten Sondierungsgespräche des
SSW mit SPD und Grünen.
Wer zu der Minderheit zählt, ist nicht so einfach feststellbar. Denn die
Regelung in der Landesverfassung ist klar und schwammig zu gleich: Zur
Minderheit gehört, wer sich zu ihr bekennt – und das darf jeder. Das klingt
wie die Beschreibung von Religionsfreiheit. Und in der Tat lässt sich mit
diesem Bild manches erklären.
Es sind viele verschiedene Lebensweisen dieses Bekenntnisses zum Dänentum
denkbar. Deshalb debattiert die Minderheit auch permanent über die
Identitätsfrage. Katrine Hoop vertritt dabei eine für die Dänen in
Schleswig-Holstein sehr polarisierende Position: „Ich kann nicht sagen,
dass ich nur Dänin bin“, sagt sie. Ihre Eltern waren Lehrer an einer
dänischen Dorfgrundschule. Hoop nennt sich selbst Südschleswigerin – mit
deutscher und dänischer Identität. Die 41-Jährige ging auf eine dänische
Schule und studierte an einer deutschen Universität. Sie arbeitete als
Sozialpädagogin in Flensburg in einem Kulturhaus der Minderheit und
studiert jetzt noch einmal.
Hoop redet mit ihrem heute elfjährigen Sohn und ihren Eltern dänisch – mit
ihrem Mann und den meisten Freunden deutsch, versucht aber einen dänischen
Umgangston zu pflegen, den sie wärmer und egalitärer als den deutschen
empfindet: „Man ist immer auf Augenhöhe.“ Mit ihrer eigenen Familie pflegt
Hoop dänische Traditionen: Sie sei eigentlich keine besonders glühende
Royalistin, sagt sie. „Aber für mich gehört es zum Neujahrsfest, die
Ansprache der dänischen Königin im Fernsehen anzugucken und das
Neujahrslied zu singen wie fast alle in Dänemark.“ Auch ihr Weihnachtsfest
feiert sie dänisch – ihr Sohn tanzt wie fast alle dänischen Kinder um den
Weihnachtsbaum. Ihre Sprache pflegen die Hoops auch über dänische Filme und
dänisches Fernsehen.
In Flensburg ist ein Alltagsleben möglich, ohne Deutsch sprechen zu müssen.
Es gibt dänische Sport- und Kulturvereine, Kirchen, Kindergärten, Schulen
und einen dänischen Gesundheitsdienst. Viele dieser Einrichtungen und
Vereine gibt es auch auf dem Land – nur sind sie nicht so nah. Die
Minderheit ist stark in ihren Vereinen organisiert und kann ihre Mitglieder
zahlreich zu Protesten zur Minderheitenpolitik mobilisieren. Die
Wählerschaft des SSW gilt als ausgesprochen treu.
Die Dänen in Schleswig-Holstein haben gegenüber anderen Minderheiten einen
großen Vorteil: Sie haben einen Staat im Rücken, der sie unterstützt. 2012
zahlt Dänemark der Minderheit in Südschleswig rund 80 Millionen Euro für
dänische Einrichtungen und Vereine. Wie loyal die Dänen in Deutschland zum
dänischen Staat sein müssen, ist deshalb auch ein Debatten-Thema. „Für
meine Eltern war Dänemark das gelobte Land“, sagt Hoop. Sie selbst sieht
keinen Grund zu besonderer Staatstreue. Die politische Entwicklung in
Dänemark betrachtet sie so kritisch wie die in Deutschland.
Die wichtigste Institution für die Minderheit sind die Schulen, über sie
werden Sprache und Traditionen vermittelt. An 48 Schulen lernen die rund
6.000 Schüler nach deutschen Lehrplänen. Der Unterschied zu deutschen
Schulen: die Kinder lernen Deutsch und Dänisch auf Muttersprachen-Niveau,
auch Methoden und Pädagogik sind dänisch. Viele Schulen der Minderheit sind
kleiner als ihre deutschen Pendants. Wegen dieser Unterschiede ist Hoop
zurück in den Norden gezogen: „Die Schulen sind nicht so selektiv, der
Umgang ist nicht so hierarchisch“, sagt sie. In den kleinen Orten sind sie
auch die Begegnungsorte der Minderheit.
Wer seine Kinder auf diese Schulen schickt, der gilt beim Trägerverein der
Schule als Teil der dänischen Minderheit. Es gibt einige Schüler auf den
Schulen, die zwei deutsche Muttersprachler als Eltern haben. „Wir machen
keine Gesinnungsprüfung“, sagt Olaf Runz vom Direktorium des dänischen
Schulvereins. Man erwarte aber von den deutschen Eltern, dass sie Dänisch
lernen. Fall sie das nicht tun, sollten sie sich nicht wundern, „wenn sie
ihre Enkelkinder hinterher nicht verstehen.“ 90 Prozent der Abiturienten
von den dänischen Gymnasien würden in Dänemark studieren, viele von ihnen
blieben dort. Hoop sagt: „ Selbst wenn man nur auf der dänischen Schule war
und sonst nichts mit der Minderheit zu tun hatte, verlässt man sie sehr
dänisch.“
Der Schulverein erhält außer den Zuschüssen aus Dänemark auch Geld vom Land
Schleswig-Holstein und ist so im Schnitt finanziell besser ausgestattet als
deutsche Schulen – er soll aber auch eine weit übers Land verstreute kleine
Minderheit versorgen. Als die schwarz-gelbe Landesregierung die Zahlungen
kürzte, führte das zu massiven Protesten, auch wenn die Bundesregierung
einen Teil der Kürzungen ausglich.
Auch für Hoop ist die Finanzfrage grundsätzlich: „Wenn die Schulen
verschwinden, gibt es nicht mehr die Möglichkeit, dänisch leben zu können“,
sagt sie. Jede Kürzung gefährde kleine Schulen auf dem Land. Ohne sie, sagt
Hoop, werde es schwierig, die Kultur weiterzugeben.
11 May 2012
## AUTOREN
Daniel Kummetz
## ARTIKEL ZUM THEMA
Minderheitenpolitikerin wird Ministerin: Politik von der anderen Warte aus
Um Karriereplanung, sagt Anke Spoorendonk, habe sie sich nie gekümmert.
Jetzt wird sie die erste Ministerin der Minderheitenpartei SSW in
Schleswig-Holstein.
Dänen-Partei: Zünglein an der Waage
Anfangs wollte die Partei der dänischen Minderheit die Wiedervereinigung
mit Dänemark, ab den 70er-Jahren war sie für alle Themen offen.
Kleine Landeskunde: Von Protestschweinen und Butterdänen
Schleswig, Holstein und die Dänen: kurze Geschichte eines nicht immer
spannungsfreien Verhältnisses.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.