# taz.de -- Regenwald im Auto: Knechte für die Dschungel-Köhlereien | |
> Greenpeace enthüllt, wie deutsche Firmen indirekt zur Abholzung des | |
> Regenwaldes in Brasilien beitragen. Die Staatschefin bekommt ein | |
> Imageproblem. | |
Bild: In den letzten neun Jahren wurden allein in den Köhlereien Brasiliens 2.… | |
PORTO ALEGRE taz | Unweit des Hafens von São Luís kletterten diese Woche | |
Aktivisten von Greenpeace auf die Ankerkette eines riesigen Frachtschiffes, | |
das tonnenweise Eisen aus Amazonien in die USA transportieren sollte. Auf | |
einem gelben Spruchband stand: „Dilma, stell die Kettensäge ab“. Gemeint | |
ist Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff. | |
Im Juni beginnt in ihrem Land der UN-Umweltgipfel. Gleichzeitig wird in | |
ihrem Land der Regenwald zerstört, um Eisen für die Autoindustrie zu | |
produzieren. Rousseff muss bald entscheiden, ob sie die gravierende | |
Aufweichung des Waldgesetzes mittragen will, die das Parlament vor Kurzem | |
verabschiedet hat. | |
Wegen des UN-Umweltgipfels Rio+20 steckt Rousseff noch mehr in der | |
Zwickmühle. „Während die Regierung das Image eines grünen und modernen | |
Landes verkauft, wird Amazonien zu Holzkohle verarbeitet“, sagte Paulo | |
Adário von Greenpeace-Brasilien. Der „archaische und illegale Raubbau“ | |
vernichte auch die indigenen Völker. | |
Dass er nicht übertreibt, ist in einer neuen Greenpeace-Studie über die | |
Produktlinie des Amazonas-Stahls nachzulesen. So bezieht eine | |
US-Stahlfabrik in Columbus, Mississippi, Roheisen aus den Bundesstaaten | |
Pará und Maranhão. Der Stahl geht für die Autoproduktion an BMW, Mercedes, | |
Ford, General Motors oder Nissan. | |
## Weltweit größte Lagerstätte | |
Auch Gusseisenfabriken von Thyssen-Krupp oder John Deere verarbeiten | |
Amazonas-Roheisen, das sie bei US-Rohstoffhändlern kaufen. Das Eisenerz | |
wird in der weltweit größten Lagerstätte gefördert, der vom Rohstoffriesen | |
Vale betriebenen Carajás-Mine in Pará. | |
Was nicht direkt über den Hafen in São Luís in den Export geht, landet in | |
den technisch oft veralteten Hüttenwerken Ostamazoniens, wo es zur Roheisen | |
weiterverarbeitet wird. Die Holzkohle für diese Fabriken stammt aus | |
gefälltem Regenwald oder von Eukalyptusplantagen, 85 Prozent der Holzkohle | |
landet in der Eisen- und Stahlindustrie. | |
Auf den oft illegalen Köhlereien herrschen sklavenähnliche | |
Arbeitsverhältnisse. Die extrem gesundheitsschädliche Knochenarbeit an den | |
igluförmigen Öfen verrichten dort Jugendliche und Erwachsene aus den | |
ärmsten Gegenden Brasiliens, die über Mittelsmänner in Schuldknechtschaft | |
geraten sind. | |
In den letzten neun Jahren wurden allein in den Köhlereien Brasiliens 2.700 | |
moderne Sklaven befreit. Genauso lange hat die Agrarlobby im Parlament | |
einen Gesetzesentwurf der Regierung verschleppt, durch den der Sklavenmafia | |
das Handwerk gelegt werden soll. | |
## Indigene Völker bedroht | |
Auch mehrere indigene Völker in der Region sind durch Waldzerstörung für | |
die Kohleproduktion in ihrer Existenz bedroht. Die Awá etwa lebten noch vor | |
40 Jahren in völliger Isolation als Jäger und Sammler im Grenzgebiet von | |
Pará und Maranhão. Seither haben Holzfäller und Viehzüchter knapp ein | |
Drittel ihres Landes zerstört. | |
Greenpeace fordert, die Eindringlinge in das Gebiet der Indigenen zu | |
bestrafen. Autobauer und Eisenimporteure müssten dafür sorgen, dass sie | |
weder von Regenwaldzerstörung oder Sklavenarbeit noch von irregulären | |
Eukalyptusplantagen profitierten. | |
17 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Gerhard Dilger | |
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