# taz.de -- Kommentar Brasilianisches Waldgesetz: Beinaheleerformel | |
> Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff hat keine Vision von einem grünen | |
> Brasilien, ja sie tut nicht einmal so. Doch sie verpasst eine große | |
> Chance. | |
Nun ist es Dilma Rousseff doch noch gelungen, Wochen vor dem Rio+20-Gipfel | |
halbwegs schmeichelhafte Schlagzeilen zu produzieren: Brasiliens | |
Präsidentin verhindere Straffreiheit für Waldzerstörer, heißt es | |
allenthalben, gegen die schlimmsten Auswüchse des vom Parlament | |
verabschiedeten Raubbaugesetzes hat sie ihr Veto eingelegt. Doch der große | |
Wurf, auf den freilich nur die größten Optimisten gehofft hatten, ist dies | |
keineswegs. | |
Die Staatschefin hat keine Vision von einem grünen Brasilien, ja sie tut | |
nicht einmal so. Aus ihrem Mund klingt die Beinaheleerformel „nachhaltige | |
Entwicklung“ tatsächlich immer wie „anhaltendes Wachstum“, wenn auch | |
unbestreitbar mit sozialer Dimension. Jüngstes Beispiel: Um die Konjunktur | |
anzukurbeln, hat sie gerade wieder einmal die Steuern auf billigere Autos | |
reduziert – dass die Städte schon jetzt kollabieren, spielt keine Rolle. | |
Durch die hemmungslose Verbreitung von Soja- und Zuckerrohrmonokulturen zur | |
Erzeugung von Agrosprit werden Kleinbauern verdrängt und wertvolle | |
Ökosysteme vernichtet. Der Bau von Großstaudämmen forciert die Zerstörung | |
Amazoniens. Nach den Amazonas-Nebenflüssen Madeira und Xingu ist nun der | |
Tapajós an der Reihe. Für den Bau von fünf Wasserkraftwerken hat Rousseff | |
per Dekret klammheimlich sieben Naturschutzgebiete verkleinert. | |
Nun hat Rousseff die große Chance verpasst, die reaktionärsten Teile des | |
Agrobusiness durch ein vollständiges Veto gegen das „Frankenstein-Projekt“ | |
in die Schranken zu weisen – der Rückhalt in der breiten Öffentlichkeit | |
wäre ihr sicher gewesen. Stattdessen taktiert und laviert sie weiter. Wenn | |
von Rio+20 überhaupt neue Impulse ausgehen werden, dann wohl leider nicht | |
auf Initiative der brasilianischen Regierung. | |
28 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Gerhard Dilger | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kein Riesenstaudamm in Brasilien: Sieg für die Xingu-Indianer | |
Ein Gericht verhängt einen sofortigen Baustopp für den Amazonas-Staudamm | |
Belo Monte. Das riesige Wasserkraftwerk im Regenwald wird damit erstmal | |
verhindert. | |
Umstrittenes Waldgesetz in Brasilien: Rousseff dribbelt die Öffentlichkeit aus | |
Brasiliens Präsidentin verzögert die Entscheidung über das Waldgesetz mit | |
einem Teilveto bis nach dem Umweltgipfel Rio+20. Umweltschützer hatten sich | |
mehr erhofft. | |
Regenwald im Auto: Knechte für die Dschungel-Köhlereien | |
Greenpeace enthüllt, wie deutsche Firmen indirekt zur Abholzung des | |
Regenwaldes in Brasilien beitragen. Die Staatschefin bekommt ein | |
Imageproblem. | |
Staudammbau in Brasilien: Kahlschlag mit deutscher Hilfe | |
Seit Jahresbeginn rollt im Gebiet um den geplanten Staudamm Belo Monte in | |
Amazonien schweres Gerät – aus Deutschland. Filmemacher Martin Keßler will | |
wachrütteln. |