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# taz.de -- Umstrittenes Waldgesetz in Brasilien: „Ein Frankenstein-Projekt“
> Ein höchst umstrittenes Waldgesetz ist vom brasilianischen Parlament
> gebilligt worden. Es begünstigt die Agrarlobby. Umweltschützer
> kritisierten die Entscheidung.
Bild: Brandrodung im brasilianischen Bundesstaat Amazonas, der überwiegend von…
PORTO ALEGRE taz | Noch einmal durften die reaktionärsten Vertreter des
brasilianischen Agrobusiness jubeln: Mit 274 zu 184 stimmte das
Abgeordnetenhaus in Brasília am Mittwoch für eine Novelle des Waldgesetzes,
die noch weit über das hinausgeht, was der Senat im Dezember verabschiedet
hatte. Das Gesetz läuft auf eine totale Amnestie für Waldzerstörer hinaus.
Allerdings muss es noch von Präsidentin Dilma Rousseff unterzeichnet
werden. Und es gilt als ausgeschlossen, dass sie den Parlamentsbeschluss
hinnimmt – bedeutet er doch eine herbe Niederlage für die Staatschefin, die
im Juni den UN-Umweltgipfel Rio+20 eröffnen wird.
Mit der Novelle würden bislang vorgeschriebene Schutzzonen verkleinert,
Waldbesitzer von Verpflichtungen zur Wiederaufforstung befreit, wie sie im
bislang geltenden Waldgesetz von 1965 vorgesehen waren. Nur eine einzige
Vorschrift konnte die Regierung wegen eines Verfahrensfehlers retten: Nach
Rodungen müssten Landbesitzer zerstörte Ufer bei bis zu 10 Meter breiten
Flüssen jeweils 15 Meter wiederaufforsten.
An 20 Punkten wurde der Senatsentwurf verwässert, etwa zugunsten der
Krabbenzüchter oder von sogenannten Kleinbauern – die Gebiete von bis zu
440 Hektar ihr Eigen nennen dürfen. Weitere „Flexibilisierungen“, etwa bei
breiteren Flüssen, sollen in die Zuständigkeit der meist konservativ
regierten Bundesstaaten übertragen werden.
## „Geopolitisch verwundbar“
Die Agrarlobby im brasilianischen Parlament ist stark. Aus ihrer Sicht
müssen die Agrarflächen ausgeweitet werden, um die Lebensmittelsicherheit
in Brasilien zu gewährleisten. Zudem schaffe das neue Waldgesetz
Rechtssicherheit für Kleinbauern, die sich bislang durch illegale Rodungen
strafbar gemacht hätten.
Über die Details der Änderungen herrschte wegen unklarer
Abstimmungsverfahren zunächst Verwirrung. „Ein Frankenstein-Projekt“,
schimpfte der Grüne Sarney Filho. Sein Parteikollege Alfredo Sirkis
beklagte eine „Offensive von Bodenspekulanten und Großgrundbesitzern“.
Andere Abgeordnete forderten Rousseff auf Schildern zum vollständigen Veto
gegen das Gesetz auf, wie es auch die Umweltbewegung seit Monaten tut. Auch
Rousseffs Arbeiterpartei PT lehnte den jüngsten Entwurf fast geschlossen
ab. International wächst der Druck ebenfalls. Brasilien erleichtere es
ausländischen Umweltschützen und Konkurrenten, höhere Zölle für
brasilianische Agrarimporte zu fordern und werde dadurch „geopolitisch
verwundbar“, meint Virgílio Viana von der Stiftung Nachhaltiger Amazonas.
Rousseffs Taktik sei „durchschaubar“, meint der Grüne MdB Thilo Hoppe. Er
rechnet mit Verzögerungen bis zur endgültigen Version der kritischen
Passagen und fürchtet: „Ein absehbares Scheinveto der Präsidentin würde ihr
nur zu leicht erlauben, Brasilien weiterhin als Primus in der Klimadebatte
zu positionieren, während sie im Hintergrund der Agrarlobby einen
Freischein zu illegalen Großrodungen bietet.“
26 Apr 2012
## AUTOREN
Gerhard Dilger
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