# taz.de -- Kommentar Linkspartei: Machtkampf als Chance | |
> Die Linkspartei implodiert und scheint keine Rolle zu haben. Dabei wird | |
> sie gebraucht: Als einzige Partei vertritt sie die Interessen des unteren | |
> Fünftels in Deutschland. | |
Die Linkspartei scheint sich im freiem Fall zu befinden. Im Westen verliert | |
sie Wahlen, manche Genossen sind frustriert zur SPD zurückgekehrt. Der | |
interne Machtkampf lähmt die Partei seit Monaten. In Nordrhein-Westfalen | |
hat die Linkspartei gleichermaßen viel an die Piraten und an die SPD | |
verloren. Sie scheint weder als Protestpartei noch als linkes Korrektiv zu | |
Rot-Grün gefragt zu sein. Brauchen wir die Linkspartei noch? | |
Vielleicht war sie im Westen nur ein Übergangsphänomen, ein langsam | |
verhallendes Echo der Zerstörungen, die Gerhard Schröder in der | |
Sozialdemokratie angerichtet hat. Wäre es da nicht besser, wenn die Partei | |
sich nun im Clinch zwischen Dietmar Bartsch und Oskar Lafontaine selbst | |
zerlegen würde? Damit Rot-Grün Chancen hat, eine Regierung links der Mitte | |
zu bilden, und sich die Selbstblockade der deutschen Linken endlich löst? | |
Das mag angesichts der miesen Performance der Partei naheliegen. Aber so | |
ist es nicht. Die Linkspartei wird gebraucht. Es gibt bei Wahlen eine | |
dramatische, aber kaum beachtete Entwicklung. Das untere Fünftel steht | |
nicht nur gesellschaftlich im Abseits, es geht auch immer seltener zur | |
Wahl. Diese Repräsentationskrise ist eine Gefahr für die Demokratie. Sie | |
wird noch größer, wenn die einzige Partei, die, wenn auch oft mit schrillem | |
Moralismus, die Interessen der Unterschicht vertritt, verschwindet. | |
Zweitens: Die SPD mag derzeit links blinken, an ihrer Ausrichtung ändert | |
das nichts. Sie ist die Partei der Bildungsaufsteiger geworden, mit wenig | |
Ausstrahlung nach unten. Was Hannelore Kraft in NRW gelang, nämlich die | |
Neue Mitte mit menschlichem Antlitz zu verkörpern, das wird Steinbrück oder | |
Steinmeier 2013 kaum glücken – auch nicht, wenn die Linkspartei implodiert. | |
Entscheidend ist, wie die Linkspartei nun diesen Machtkampf managet. Findet | |
sie eine Lösung, die nicht bloß, wie sonst oft, ein halbgarer Kompromiss | |
ist? Im Westen gibt es vorsichtige Lockerungsübungen, die zeigen, dass eine | |
unverkrampfte Emanzipation vom übermächtigen Oskar Lafontaine möglich ist. | |
Die Linkspartei kann weiblicher, jünger, weniger ideologiesteif und | |
angewiesen auf die Abgrenzung von der SPD aus dieser Krise hervorgehen. | |
Oder sie kann in einem Grabenkampf mit sich selbst versinken. Dann wird | |
sie, was sie 2005 war: PDS mit Westkontakten. Alles ist möglich. Es ist | |
eine Chance. Viele wird sie nicht mehr bekommen. | |
18 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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