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# taz.de -- Röttgens Entlassung, Altmaiers Ernennung: Nur ein kurzer Händedru…
> Bei seiner offiziellen Verabschiedung als Umweltminister versucht Norbert
> Röttgen krampfhaft, Haltung zu bewahren. Die Kanzlerin gönnt dem
> Geschassten keinen einzigen Blick.
Bild: Immer eisern geradeaus: Kanzlerin Merkel und ihr Ex-Umweltminister Röttg…
BERLIN taz | Manchmal schmerzen die gut gemeinten Worte am meisten. Norbert
Röttgen wird in wenigen Sekunden kein Umweltminister mehr sein. Er steht am
Dienstag um kurz nach 10 Uhr stocksteif im Großen Saal des Schloss
Bellevue, die Arme lässt er ungelenk hängen. Neben ihm, am Mikrophon, sagt
Joachim Gauck ein paar Sätze zum Abschied.
„Es existiert eine republikanische Normalität des Wechsels“, sagt der
Bundespräsident. „Politische Verantwortung ist Verantwortung auf Zeit.“ Ein
Wechsel in einem Staatsamt sei „Ausdruck der Demokratie, in der wir leben.“
Jedes Amt ist nur geliehen.
Indem Gauck an ein Grundprinzip der Demokratie erinnert, versucht er dieser
steifen Zeremonie den Anschein des Alltäglichen zu geben. Dann liest er die
Entlassungsurkunde vor, die ihm ein herbeihastender Beamter reicht, dankt
Röttgen und schüttelt ihm die Hand. Jetzt ist Röttgen kein Minister mehr.
Er sagt zu Gauck: „Herzlichen Dank für ihre Worte. Danke Ihnen sehr.“
Normalität des Wechsels? Dem Geschassten muss das wie Hohn vorkommen.
Einmal huscht ein gequältes Lächeln über sein Gesicht, während Gauck redet.
## Eiskalte Machtdemonstration der Kanzlerin
Bis vor eineinhalb Wochen war Röttgen innerhalb der Union als
Umweltminister unumstritten. Er war es, wie Gauck betont, der „früher als
andere erkannt hat, dass es Zeit für die Energiewende ist“. Es nutzte ihm
nichts. Kurz nach seinem desaströsen Wahlergebnis in Nordrhein-Westfalen
warf Kanzlerin Angela Merkel den einstigen Hoffnungsträger aus dem
Kabinett. Ein einzigartiger Vorgang in der schwarz-gelben Koalition. Und
eine eiskalte Machtdemonstration der Kanzlerin.
Ein schwacher Minister, erklären führende Unionsleute Merkels Motiv für den
Rauswurf, könne eben eines der wichtigsten gesellschaftlichen Projekte
dieser Zeit, die Energiewende, nicht umsetzen. Ein weiterer Grund könnte
sein, dass Merkel unbedingt eine Kursdebatte in der CDU vermeiden wollte.
Denn auch wenn Röttgen in NRW viele Fehler machte und großen Anteil an der
Niederlage hatte, wahr ist auch etwas anderes: Mit ihm verlor ein
Spitzenkandidat, der für Merkels Modernisierungskurs steht wie kein
anderer. Indem Merkel Röttgen opfert, will sie auch den Schaden für sich
selbst begrenzen.
Die Journalisten lauern bei der Zeremonie auf jede Regung in Merkels
Gesicht. Die Kanzlerin steht zur Rechten Gaucks, links neben ihm Röttgen
und der neue Umweltminister und ehemalige Fraktionsgeschäftsführer Peter
Altmaier. Merkel schaut während Gaucks Rede eisern geradeaus, sie gönnt
Röttgen keinen einzigen Blick. Die Kanzlerin war erbost darüber, dass er
kurz vor der Wahl die Entscheidung in NRW zur Abstimmung über ihren
Europakurs umdeutete. Ebenso nahm sie ihm übel, dass er ihrer Bitte am
Beginn des Wahlkampfes, sich in Gänze für NRW zu entscheiden, nicht
nachgab.
## Altmaier steht für die progressive Öffnung der CDU
Dann tauschen Röttgen und Altmaier die Plätze, jetzt steht der kommende
Minister neben Gauck. Der findet wieder herzliche Worte. Peter Altmaier,
Saarländer, begeisterter Twitterer, ist einer der wenigen Vertrauten
Merkels, auch er steht - wie die Kanzlerin und Röttgen - für die
progressive Öffnung der CDU. Er ist gut vernetzt und auch bei der
Opposition anerkannt.
Gauck wünscht ihm eine glückliche Hand und viel Erfolg bei der Umsetzung
der Energiewende. Hierfür sei viel „politische Energie“ vonnöten, so der
Bundespräsident. „Ihre geistige Kraft und ihre innere Ruhe, die viele an
Ihnen schätzen, werden Ihnen dabei helfen“, sagt Gauck. Selten sei das Wort
vom „Bohren dicker Bretter“ so angebracht wie in diesem Zusammenhang. Er
verliest die Ernennungsurkunde, schüttelt Altmaier die Hand. Jetzt ist er
Minister.
Merkel löst sich aus ihrer Starre, geht die paar Schritte zu Röttgen
hinüber. Ein kurzer Händedruck, ein Lächeln, das war's. Sie schüttelt auch
Altmaier die Hand.
Eigentlich ist dem Protokoll nun Genüge getan, doch zögert Gauck kurz. Geht
einen halben Schritt vor, auf die Journalisten zu, als wolle er noch was
sagen. Merkel macht eine ungeduldige Geste mit beiden Händen, als wolle sie
sagen: Nu los jetzt, das war's, keine Sentimentalitäten. Dann verschwinden
die Vier durch die Tür des Großen Saales.
## Der Neue muss sich beweisen
Umweltminister Altmaier beginnt noch am selben Tag mit der Arbeit: Am
Mittag redet er in seinem Haus vor Mitarbeitern, am Abend will er seine
erste Rede bei einer Windenergie-Konferenz in Berlin halten. Und bereits am
Mittwoch wartet eine erste Bewährungsprobe. Merkel hat die 16
Ministerpräsidenten ins Kanzleramt eingeladen, um über die Umsetzung von
Atomausstieg und Energiewende zu sprechen. Hier kann der Neue zeigen, ob er
in der Lage ist, Blockaden aufzulösen.
Kurz nach seiner Ernennung meldet sich Altmaier bei seiner
Twitter-Gemeinde. „Auf geht's an die Arbeit!“, schreibt er. Und gibt gleich
eine erste Amtshandlung bekannt: Am Mittwoch bekomme das Umweltministerium
einen eigenen Twitter-Account.
22 May 2012
## AUTOREN
Ulrich Schulte
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