Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die neue Härte der Bundeskanzlerin: Um Merkel wird es einsam
> Nachfragen nicht erlaubt: Mit dem Rauswurf ihres Umweltministers
> verbreitet Angela Merkel Furcht und Schrecken. Aber beruhigt die
> Basta-Politik das Koalitionsklima?
Bild: Ist das noch die Bundeskanzlerin oder eine Transformation zum kaltblütig…
BERLIN taz Wäre die Bundesregierung ein, sagen wir, mittelständisches
Unternehmen, dann wäre das, was da am Mittwoch geschah, so was gewesen wie
der Rausschmiss des Abteilungsleiters durch den Chef persönlich, und zwar
vor der versammelten Belegschaft. Der Chef hieße in diesem Fall Angela
Merkel, der Abteilungsleiter Norbert Röttgen. Den hat die Bundeskanzlerin
am Mittwoch gefeuert.
Es ist das erste Mal, dass Merkel ein Kabinettsmitglied entlässt – mithin
ein Vorgang, der illustriert, wie angespannt die Atmosphäre innerhalb der
schwarz-gelben Koalition ist. Wie sehr die Kanzlerin unter dem Druck von
CSU und FDP steht und wie bereit sie ist, für ihren Machterhalt selbst
einen Getreuen wie Röttgen fallen zu lassen.
Nicht einmal zwei Minuten brauchte Merkel, um am Mittwoch bei einem
kurzfristig anberaumten Statement den Rausschmiss von Norbert Röttgen zu
erklären. Sie habe, so die Kanzlerin, dem Bundespräsidenten „gemäß Artikel
64 des Grundgesetzes vorgeschlagen, Norbert Röttgen von seinen Aufgaben als
Bundesumweltminister zu entbinden und so in diesem Amt einen personellen
Neuanfang möglich zu machen“.
Die Umsetzung der Energiewende sei ein zentrales Vorhaben dieser
Legislaturperiode, sagte sie weiter. Röttgen habe zwar die Grundlage dafür
gelegt, es bleibe aber noch „ein Stück Arbeit vor uns“. Sie dankte Röttgen
knapp für sein Engagement. Und ab! Nachfragen nicht erlaubt.
## Am Amt festgehalten
Unmittelbar vor diesem Termin sollen sich die Kanzlerin und ihr
Umweltminister heftig gestritten haben. Wie die Rheinische Post berichtet,
habe Merkel Röttgen am Dienstagabend zu einem Gespräch ins Kanzleramt
gebeten und ihm den Rücktritt nahegelegt. Der 46-Jährige habe sein Amt aber
nicht abgeben wollen. Die Zeitung schreibt, Röttgen habe Merkel
vorgeworfen, ihn nicht gegen Horst Seehofer in Schutz genommen zu haben.
Der CSU-Chef hatte am Montag im ZDF heftig gegen Röttgen gewettert und die
Wahlschlappe der CDU in Nordrhein-Westfalen „ein Desaster mit Ansage“
genannt. Nach einer Stunde Streit habe Angela Merkel Norbert Röttgen
Bedenkzeit bis zum nächsten Morgen eingeräumt. Als sich Röttgen jedoch am
Mittwoch erneut weigerte, zurückzutreten, soll Merkel ihm nach der
Kabinettssitzung seine Entlassung mitgeteilt haben.
Was aussieht wie das entschlossene Handeln der Regierungschefin, könnte
sich als politischer Kurzschluss mit Folgen herausstellen. Denn die Reihen
der politisch Getreuen lichten sich nun sichtlich. Norbert Röttgen ist weg,
seinen Job macht künftig Merkels Agitator Peter Altmaier. Arbeitsministerin
Ursula von der Leyen ist seit ihrer verpatzten Nominierung zur
Bundespräsidentin vergrätzt und fuhrwerkt lustvoll im Ressort von
Familienministerin Kristina Schröder herum. Die 34-Jährige braucht ohnehin
eher den Schutz der Kanzlerin, als dass sie ihr eine Hilfe wäre.
Dann ist da noch Bildungsministerin Annette Schavan, die gemeinsam mit
Finanzminister Wolfgang Schäuble, Verteidigungsminister Thomas de Maizière
und Kanzleramtsminister Roland Pofalla eine Art Verteidigungsring um die
Kanzlerin bildet. Aber müssen künftig nicht auch sie fürchten, von der
Chefin eiskalt abserviert zu werden?
## Furcht und Schrecken
Der Bonner Politikwissenschaftler und CDU-Experte Gerd Langguth sagte dem
Kölner Stadt-Anzeiger: „Eine Parteichefin, die so abrupt den Stab über
einen langjährigen Mitstreiter bricht, verbreitet auf Dauer nicht
Wohlgefühl und Vertrauen, sondern Furcht und Schrecken.“ Um solche
Führungsfiguren werde es „irgendwann sehr einsam“.
Es ist keineswegs ausgemacht, dass Röttgens Entlassung das Koalitionsklima
beruhigt. Die SPD wertet den Rauswurf als Bauernopfer, mit dem Merkel sich
selbst vor Kritik schützen wolle. Röttgens Entlassung sei „ein Zeichen der
Schwäche“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion,
Thomas Oppermann. Und der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises in
der SPD, Johannes Kahrs, forderte gar Neuwahlen.
Fürwahr, dies sind keine leichten Zeiten für die Chefin. Das Instrument der
Härte hat sie mit dem öffentlichkeitswirksamen Rausschmiss ihres loyalen
Mitarbeiters eindrucksvoll vorgeführt.
17 May 2012
## AUTOREN
Anja Maier
## ARTIKEL ZUM THEMA
Forsa-Umfrage nach NRW-Wahl: CDU stürzt bundesweit in Umfragen ab
Nach der schweren Niederlage bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen
verliert die Union nun bundesweit an Zustimmung. Laut einer Forsa-Umfrage
fällt sie auf 31 Prozent.
Röttgens Entlassung, Altmaiers Ernennung: Nur ein kurzer Händedruck
Bei seiner offiziellen Verabschiedung als Umweltminister versucht Norbert
Röttgen krampfhaft, Haltung zu bewahren. Die Kanzlerin gönnt dem
Geschassten keinen einzigen Blick.
Streit nach Röttgen-Rauswurf: Maulkorb und Stilkritik
Die Entlassung von Norbert Röttgen als Bundesumweltminister sorgt in der
CDU weiter für Streit. Fraktionschef Kauder mahnt Röttgen zu Ruhe. Norbert
Blüm kritisiert die Kanzlerin.
Kopfloser Aufruhr bei der CDU in NRW: Das Echo der Nächstenliebe
Angela Merkel erntet für die Absetzung ihres Umweltministers bei der
NRW-CDU Unverständnis und Entsetzen. Einen putschenden Landesverband muss
sie aber nicht fürchten.
Kommentar Linkspartei: Kompromiss oder Untergang
Die Linkspartei ist eine Organisation ohne Mitte, sie scheint nur aus
Flügeln zu bestehen. Schuld an der Eskalation ist vor allem Oskar
Lafontaine.
Umweltminister Peter Altmaier: Ein politisches Schwergewicht
Der neue Umweltminister Peter Altmaier ist die Allzweckwaffe der Kanzlerin.
Niemand kann die schwarz-gelben Widersprüche so brillant glätten wie er.
Kommentar Entlassung Röttgen: Macheten-Mutti
Norbert Röttgen war Umweltminister der Republik und nicht der CDU. Angela
Merkel missbraucht mit der Entlassung ein Regierungsamt für eine
Parteisache.
Reaktionen auf Entlassung Röttgens: „Bauernopfer“ der Regierung Merkel
Nach der Entlassung von Norbert Röttgen mehrt sich die Kritik an Merkels
Entscheidung – auch in der CDU. Die Opposition wertet den Rauswurf als
Verzweiflungsakt.
Peter Altmaier wird Umweltminister: Merkels Letzter
Peter Altmaier hat Merkels Politik stets seriös verteidigt und weiß, dass
die CDU an Umweltthemen nicht vorbeikommt. Merkels Bester übernimmt das
Umweltministerium.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.