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# taz.de -- Asylbewerber in den Niederlanden: Proteste im Zeltlager der Unsicht…
> Seit zwei Wochen campieren abgelehnte Asylbewerber in einem Dorf bei
> Groningen für das Recht, bleiben zu dürfen. Es soll ein Exempel statuiert
> werden. Unklar ist, wie.
Bild: Nicht perfekt – aber Protestieren und Zelten in Holland ist deutlich be…
TER APEL taz | Der bekannteste Campingplatz der Niederlande ist in diesem
Frühjahr keine Festivalwiese und auch kein Küstenort in Seeland. Er liegt
an einer Straße am Rande des Dorfs Ter Apel, zwischen Groningen und der
deutschen Grenze bei Meppen. Doch Familien aus Niedersachsen oder NRW sucht
man hier vergeblich. Die Bewohner kommen aus Irak und Iran, Afghanistan,
Sudan, Somalia, Eritrea, Äthiopien und Aserbaidschan.
Vor zwei Wochen wurden ihre Asylanträge abgelehnt. Seitdem campieren 350
Menschen auf der Wiese vor einem der größten Asylbewerberheime des Landes.
Am Dienstag gaben 250 davon, alle aus dem Irak, ihren Widerstand auf und
verließen das Camp. Nach der Ablehnung waren 40 Iraker am 8. Mai in Ter
Apel zusammengekommen. Die niederländische Regierung findet die Straßen von
Bagdad, Kirkuk oder Sulaimanyyia sicher genug, sie zurückzuschicken. Sie
sind vom Gegenteil überzeugt. „Mein Leben ist in Gefahr dort“, sagt Aref
Shaker Alani.
## Die Flüchtlinge sitzen in einem Vakuum
Einen Monat plante er das Camp, organisierte Zelte und Unterstützung von
Hilfsorganisationen. Nach wenigen Stunden reagierte Den Haag. „Der Minister
bot uns an, vorübergehend wieder ins Heim zu ziehen, wenn wir danach
freiwillig in den Irak zurückkehrten.“ Die Flüchtlinge lehnten ab.
Freiwillige Rückkehr – dies ist ein zentrales Thema rund um das Zeltlager.
Denn unfreiwillige, sprich Abschiebungen, gibt es nicht, weil die irakische
Regierung die Kooperation verweigert. Die Flüchtlinge sitzen dadurch in
einem Vakuum: Was bleibt, ist das Abtauchen in die Unsichtbarkeit. Unter
immer schwereren Bedingungen, denn seit letztem Jahr ist „Illegalität“in
den Niederlanden strafbar.
Die Biografien in Ter Apel folgen alle dem gleichen Muster: Antrag,
Ablehnung, Berufung, wieder Ablehnung, Grauzone ohne Papiere, irgendwann
Festnahme, Haft, Straße. Hussein Mohamed verbrachte vier seiner 22 Jahre in
den Niederlanden, davon sechs Monate in Haft. Ende April wurde er
freigelassen, seit Mai ist er in Ter Apel. Seine Familie flüchtete in die
Türkei. „Wer“, fragt er, „wollte nicht im eigenen Land leben, wenn es do…
keine Probleme gäbe? Warum sollten wir lieber in den Niederlanden auf der
Straße leben?“
## Die Krisengebiete der Welt, auf einem Fussballplatz
Das Camp wächst täglich. Mehr und mehr Iraker kamen hinzu, eine große
Gruppe Somalier, schließlich die anderen. In der Groninger Provinz entstand
ein fußballplatzgroßer Querschnitt durch die Krisengebiete der Welt,
bestückt mit 60 Zelten. Organisationen, Nachbarn und Bewohner des
benachbarten Asylbewerberheims helfen mit Nahrung und Kochen, Waschen,
Aufladen von Telefonen.
Besorgt ist man unterdessen im Rathaus der zuständigen Gemeinde Vlagtwedde.
Leontien Kompier, die Bürgermeisterin, war schon zweimal zu Besuch. Ein
Dutzend Toilettenhäuschen hat die Kommune aufgestellt, sagt Kompier, „um
das Elend zu lindern“. Doch ihre Angst vor Infektionskrankheiten bleibt.
„Das ist meine direkte Verantwortung.“ Ansonsten schwankt sie zwischen
mitfühlendem Nicken und Schulterzucken. „Die Regeln“, wiederholt sie,
„werden in Den Haag gemacht.“
## Präzedenzfall soll verhindert werden
Dort bemüht man sich fieberhaft, das Zeltlager aufzulösen. Dass es nicht
lange bleiben kann, sagte Immigrationsminister Gerd Leers von Beginn an.
Inzwischen bietet er den Bewohnern Unterkunft bis Mitte Juni an, um danach
mit seinem irakischen Kollegen eine Abmachung zu treffen. An deren Ende
soll weiter die Rückkehr stehen. Die Vorgabe für Den Haag ist klar: ein
Exempel statuieren, um einen Präzedenzfall zu verhindern.
Was mit den Flüchtlingen aus anderen Ländern passiert, ist unklar. Nicht
nur für die 15 Eritreer ist das Zeltlager in Ter Apel wesentlich
annehmlicher als das Leben auf der Straße. Melat Abraha, 20, sagt: „Immer
noch besser als auf Bahnhöfen zu schlafen. Und hier kommt wenigstens ab und
zu ein Arzt vorbei.“
23 May 2012
## AUTOREN
Tobias Müller
## TAGS
Flüchtlinge
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