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# taz.de -- Giftmüll aus Bhopal: 27.000 Tonnen lauern noch im Erdreich
> Fast 30 Jahre nach der Gas-Katastrophe in Bhopal will, laut indischen
> Regierungskreisen, Deutschland 350 Tonnen des dortigen Giftmülls hier
> entsorgen. Die GIZ äußert sich dazu zurückhaltend.
Bild: Mindestens 100.000 Menschen wurden nach der Industriekatastrophe von Bhop…
NEU DEHLI/BERLIN dpa | Mehr als 27 Jahre nach der Industriekatastrophe von
Bhopal will Deutschland nach indischen Regierungsangaben 350 Tonnen
Giftmüll von dort in die Bundesrepublik bringen und entsorgen. Das sei Teil
des Angebots der staatlichen deutschen Gesellschaft für Internationale
Zusammenarbeit (GIZ), sagte am Donnerstag der zuständige Minister im
zentralindischen Bundesstaat Madhya Pradesh, Babulal Gaur.
Er ist im Kabinett in Madhya Pradesh der Minister für Hilfe und
Rehabilitation für die Opfer der Gaskatastrophe in Bhopal. Die indische
Regierung habe der Vergabe des Auftrags an die GIZ im Prinzip zugestimmt.
Vor Vertragsunterzeichnung müssten noch Einzelheiten geklärt werden. Die
GIZ äußerte sich zurückhaltender.
„Wir sind im Gespräch, aber ein Auftrag liegt uns noch nicht vor“, sagte
GIZ-Sprecher Hans Stehling. „Die indische Seite ist auf uns zugekommen.“
Mit Blick auf die Entsorgung sagte Stehling: „Dass wir das können, haben
wir in den letzten Jahrzehnten bewiesen.“
Er machte keine Angaben dazu, wo die Entsorgung stattfinden solle. Laut
Experten hat Deutschland Verbrennungsanlagen, die Giftmüll rückstandslos
und ohne Gefahr für die Umwelt vernichten können. In der Hauptstadt von
Madhya Pradesh waren am 3. Dezember 1984 aus der Pestizidfabrik des
US-Konzerns Union Carbide etwa 40 Tonnen hochgiftiges Methylisocyanat (MIC)
ausgetreten.
## 8000 Tote
Die meisten Schätzungen gehen davon aus, dass unmittelbar nach der
Katastrophe 8000 Menschen zu Tode kamen. Mehr als 15 000 weitere starben an
Spätfolgen. Mindestens 100 000 Menschen wurden chronisch krank. Viele
erlitten Hirn- oder Organschäden oder erblindeten.
Bei Neugeborenen kam es zu Fehlbildungen. Insgesamt waren ein halbe Million
Einwohner Bhopals mit dem Gas in Berührung gekommen. Die 350 Tonnen
Giftmüll, um deren Entsorgung es nun geht, haben nach indischen
Medienberichten nichts mit dem Gas zu tun.
Sie wurden bereits in den Jahren zuvor auf dem Firmengelände verklappt.
Union Carbide wurde später von Dow Chemicals übernommen. Dow Chemicals wird
bis heute vorgeworfen, sich weder ausreichend um die Opfer noch um Giftmüll
an der Fabrikruine zu kümmern.
Umweltschützer schätzen, dass dort neben 350 Tonnen an der Oberfläche noch
weitere 27 000 Tonnen Giftmüll im Erdreich sind, die die Menschen in der
Umgebung weiterhin vergiften. Manfred Santen, Chemieexperte bei Greenpeace,
lehnte eine Entsorgung in Deutschland ab: „Wir möchten nicht, dass
hochgiftige Substanzen um die halbe Welt gefahren werden“, sagte er.
## Technologietransport
Die Technologie müsse notfalls an den Ort gebracht werden, wo sie benötigt
wird. Zudem müssten die Kosten nach dem Verursacherprinzip übernommen
werden, also von Dow Chemicals.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) fordert vom
Bundesumweltministerium Auskunft über die geplante Giftmüll-Entsorgung aus
dem indischen Bhopal in Deutschland. Die Organisation will mit einer
Anfrage nach dem Umweltinformationsgesetz klären, um was für Müll es sich
genau handelt, wo der Müll entsorgt werden soll und wann der Import
vorgesehen ist.
Der BUND geht davon aus, dass in Deutschland folgende
Sonderabfall-verbrennungsanlagen für den Müll infrage kommen: Eine Anlage
im bayerischen Baar-Ebenhausen, bei der BASF in Ludwigshafen
(Rheinland-Pfalz), eine Anlage im hessischen Biebesheim, in
Nordrhein-Westfalen Verbrennungsanlagen in Leverkusen, Dormagen und Herten
und sowie eine Anlage in Brunsbüttel (Schleswig-Holstein).
25 May 2012
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