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# taz.de -- Anrüchige Deals bei der Deutschen Bank: „Ein großartiger Partne…
> Der neue Deutsche-Bank-Chef Anshu Jain erhielt im Oktober 2006 eine
> Dankesmail von J.P. Morgan. Es ging um einen Deal, der für die Kunden der
> Bank zum Desaster wurde.
Bild: Anshu Jain (links) soll am Freitag gemeinsam mit Jürgen Fitschen Nachfol…
BERLIN taz | Am 25. Oktober 2006 erhält Anshu Jain, der am Freitag
Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank werden soll, eine Dankesmail von
einem Mitarbeiter der Investmentbank J.P. Morgan. Darin heißt es, J.P.
Morgan habe Absicherung im Wert von 350 Millionen Dollar auf ein
maßgeschneidertes Portfolio von hypothekenbesicherten Subprime-Anlagen
gekauft, die mit BBB und BBB- bewertet wurden. Die Deutsche Bank „war ein
großartiger Partner bei der Zusammenstellung des Portfolios, der
Strukturierung, der Preisfestlegung und beim Vertrieb“.
Die Mail an Anshu Jain steht auf [1][Seite 5.852] der Anhänge zu dem
[2][Bericht] eines Untersuchungsausschusses des US-Senats, der die Ursachen
der Finanzkrise erforschte. Der Ausschuss hatte dazu hunderttausende
interne Mails und Dokumente von Banken, Versicherungen und
Aufsichtsbehörden gesichtet und eine Auswahl davon veröffentlicht.
Die Spur dieses konkreten Geschäfts lässt sich weiterverfolgen, da in der
Mail sein Name genannt ist: IXION 2006-6. Es handelt sich dabei um eine
„Synthetic Collateralized Debt Obligation”, also um ein Derivat – ein
solches Geschäft ist kein Teil der Realwirtschaft, hier wird kein Geld in
Häuser oder Fabriken investiert. Es ist eine reine Wette zwischen zwei
Akteuren auf dem Finanzmarkt. Eine Seite, zum Beispiel J.P. Morgan, wettet
darauf, dass die Hauskäufer ihre Hypothekenkredite nicht abbezahlen können.
Als Einsatz zahlt J.P. Morgan jährlich ein bis zwei Prozent des Betrags, um
den gewettet wird. Das Geld fließt an die andere Seite, die dafür mit einem
Schlag den gesamten Wettbetrag auszahlen muss – wenn die Hauskäufer
pleitegehen. Das Konstrukt ist im Kern nichts anderes als ein
Versicherungsvertrag. Allerdings mit dem Unterschied, dass keine der beiden
Seiten das versicherte Gut selbst besitzen muss.
## Mit Pleiten Geld verdienen
Die Deutsche Bank hat eine Reihe von Produkten im Angebot, mit denen man
Geld verdienen kann, wenn Hauskäufer pleite gehen: Neben der „Synthetic
Collateralized Debt Obligation” zum Beispiel auch noch den „Single Name
Asset-Backed Security Credit Default Swap”. Verantwortlich dafür, dass die
Deutsche Bank bei diesen Geschäften ganz vorne mit dabei ist, ist ihr
Top-Händler Greg Lippmann. Im Sommer 2006 lobt die Bank Lippmann [3][in
einer Pressemitteilung]: „he [...] established Deutsche Bank as a top
player in these emerging businesses.” Die Bank gibt in der Mitteilung
bekannt, dass sie Lippmann zum Leiter der Abteilung ernennt, die mit
Collateralized Debt Obligations handelt – ein Geschäftsfeld, für das Anshu
Jain im erweiterten Vorstand der Bank verantwortlich ist.
Lippmann sieht zunehmend Anzeichen dafür, dass finanziell klamme
Eigenheimbesitzer ihre Hypothekenkredite nicht mehr zurückzahlen können. Er
erstellt eine Präsentation für ausgewählte Kunden. „Die Strategie zum
Geldverdienen bei abkühlendem Häusermarkt“ steht auf der ersten Seite. Und
darüber: „Streng privat und vertraulich“. In der Präsentation heißt es, …
werde [4][„immer offensichtlicher, dass der zehn Jahre andauernde Boom auf
dem Häusermarkt zu Ende ist“].
Lippmann [5][vergleicht in einem Chart den aktuellen Häusermarkt in
Californien mit 1990], als dort schon einmal eine Häuserblase platzte. Wer
jetzt ein Kreditausfallgeschäft abschließe, könne davon profitieren: Wenn
jeder zehnte Hypothekenkredit nicht zurückgezahlt wird, könne man [6][mit
einem Gewinn von 50 bis 100 Prozent rechnen].
Jetzt muss sich nur noch die andere Seite finden. Die Seite, die jährlich
eine kleine Summe kassiert und dafür alles zahlt, wenn die Blase platzt. Am
Anfang stellt sich der Versicherungsgigant AIG häufig zur Verfügung, doch
dem wird das Geschäft im Frühjahr 2006 zu heiß. Stattdessen greifen
Hedgfonds zu, Banken aus Asien und Europa, aber auch Unternehmen und
Privatanleger. Sie schauen häufig nicht genau hin, was sie kaufen und wie
genau die Produkte funktionieren, sondern vertrauen der Beratung ihrer Bank
und der Bewertung durch die Ratingagentur.
In IXION 2006-6 sind laut der Mail von J.P. Morgan an Anshu Jain
Subprime-Hypotheken mit einer Bewertung von BBB und BBB- enthalten. Das
entspricht der neunt- und zehntbesten Bewertung: Unteres Mittelfeld. Was
wäre also ein angemessenes Rating für ein Produkt, bei dem man verliert,
wenn Anlagen mit der Bewertung BBB oder BBB- ausfallen?
Falsch geraten: Moody’s [7][bewertet] IXION 2006-6 am 29. September 2006
mit Aa3. Das ist das viertbeste Rating, gehört noch zur Spitzengruppe. Wenn
die Deutsche Bank nach Geldgebern sucht, die gegen J.P. Morgan wetten,
berücksichtigen die bei ihrer Anlageentscheidung das gute Aa3-Rating.
## „Nicht eingebunden“
Einen Monat nach der guten Bewertung durch Moody’s erhält Anshu Jain die
Mail von JPMorgan. Spätestens ab jetzt weiß darüber Bescheid, wie J.P.
Morgan IXION 2006-6 bewertet. Warnt Jain die Kunden der Deutschen Bank?
Warnt er sie davor, ihr Geld in ein Wettprodukt zu stecken, bei dem der
Wettpartner den Wettgegenstand deutlich schlechter bewertet als die
Ratingagenturen? „Herr Jain war in die Transaktion Ixion 2006-6 nicht
eingebunden”, schreibt Deutsche-Bank-Sprecher Ronald Weichert auf
taz-Anfrage. Und offenbar hat Anshu Jain auch keinen Anlass gesehen, sich
nach dem Erhalt der Mail von J.P. Morgan in diese Transaktion einzubinden.
Außer durch Lob für J.P. Morgan: IXION 2006-6 sei ein “smart trade”,
[8][mailt Anshu Jain als Antwort an J.P. Morgan]. Den Anlegern mailt Jain
nichts. Die kaufen also weiter das Produkt, das die Deutsche Bank
vertreibt, in dem Glauben, es werde sich für sie rentieren. Erst am 3.
April 2008 stuft Moody’s IXION 2006-6 [9][auf Baa3 herunter], zwei Monate
später dann [10][auf Ca] – von den 21 Ratingstufen ist das die zweite von
unten. Wer IXION 2006-6 gekauft hat, hat sein Geld an J.P. Morgan verloren
– mit Hilfe der Deutschen Bank.
29 May 2012
## LINKS
[1] http://www.documentcloud.org/documents/354802-wall-street-and-the-financial…
[2] http://www.documentcloud.org/documents/360204-psi-report-wall-street-amp-th…
[3] http://www.db.com/medien/en/content/press_releases_2006_2903.htm
[4] http://www.documentcloud.org/documents/354789-wall-street-and-the-financial…
[5] http://www.documentcloud.org/documents/354789-wall-street-and-the-financial…
[6] http://www.documentcloud.org/documents/354789-wall-street-and-the-financial…
[7] http://www.documentcloud.org/documents/361558-moodys-ixion-2006-6-29-septem…
[8] http://www.documentcloud.org/documents/354802-wall-street-and-the-financial…
[9] http://www.documentcloud.org/documents/361560-moodys-ixion-2006-6-3-april-2…
[10] http://www.documentcloud.org/documents/361561-moodys-ixion-2006-6-9-june-2…
## AUTOREN
Sebastian Heiser
## TAGS
JPMorgan
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