# taz.de -- Wechsel in der Deutschen Bank: Good Banker, Bad Banker | |
> Nun wird die Deutsche Bank von einer neuen Doppelspitze geführt. Was sind | |
> das für Typen und was macht Ackermann? Alle wichtigen Fragen und | |
> Antworten. | |
Bild: Der Zocker und der Provinzbanker: Anshu Jain und Jürgen Fitschen sind di… | |
Was sind das für Typen, die die größte deutsche Bank übernehmen? | |
Drei Männer balgen sich um den Platz am Steuerrad: ein Zocker, ein | |
Provinzbanker und ein Repräsentant der alten „Deutschland AG“. Die | |
schillerndste Figur ist der Inder mit britischem Pass Anshuman Jain | |
(Jahrgang 1963). Der Sohn eines Regierungsangestellten aus Neu-Delhi | |
leitete bislang das international ausgerichtete Investmentbanking der | |
Großbank in London. | |
Jain bildet eine Doppelspitze mit Jürgen Fitschen (1948), einem | |
Gastwirtskind aus dem niedersächsischen Nest Harsefeld. Der verwitwete | |
Wahl-Hamburger ist seit 2004 „CEO Deutschland“ und damit Chef auf dem | |
Heimatmarkt eines der wichtigsten globalen Geldgiganten. Fitschen wurde wie | |
einst Jain vom bisherigen Bankboss Josef „Joe“ Ackermann ins Amt gehievt. | |
Beide galten jedoch nur als B- oder C-Kandidaten für die Nachfolge. | |
Kompromisskandidaten also? | |
Ja. Vorgänger Ackermann hätte lieber den international renommierten | |
früheren Bundesbankboss Axel Weber als Nachfolger an der Spitze des Global | |
Players gesehen. Webers Berufung scheiterte an Widerständen in Aufsichtsrat | |
und Eigentümerkreis. | |
Der starke Mann, der für Beständigkeit sorgen soll, ist Paul Achleitner | |
(1956), dessen österreichische Mundart ihn gemütlicher erscheinen lässt, | |
als er intern ankommt. Achleitner ist noch Finanzvorstand der mit der | |
Großbank traditionell eng verflochtenen Münchner Allianz, die ebenfalls zum | |
kleinen Kreis der weltweit systemrelevanten Finanzinstitute zählt. Ab Juni | |
will sich Achleitner ganz der Rolle des Chefstrategen und Chefkontrolleurs | |
in Frankfurt widmen. | |
Taugt einer von ihnen zum Bad Guy wie Ackermann? | |
Auserkoren von den Medien für die Rolle des bösen Buben scheint der | |
Vegetarier und Weintrinker Jain. Allen Gerüchten zum Trotz steht ihm die | |
Religionsrichtung „Jainismus“ aber wohl fern. Vielmehr gilt er als nicht | |
sonderlich religiös, soll seit Jahren keinen Tempel von innen gesehen | |
haben, hält aber angeblich am Wertekanon seiner Eltern fest. | |
Zum potenziellen Bad Guy macht den Rucksack-zum-Anzug-Träger seine | |
Zockervergangenheit in London. Der Investmentbanker, der weit höhere Boni | |
als Ackermann kassiert haben dürfte, gilt als einer der Mitverantwortlichen | |
für den Ausbruch der Finanzkrise. Seine Investmentdivision machte unter | |
anderem mit dubiosen US-Hauskrediten weltweit Geschäfte – bis die Blase im | |
Sommer 2007 platzte. | |
Wie kommen die beiden neuen Vorstandssprecher an? | |
Unscharf. Beobachter geben den Medienberatern von Ackermann, der um seinen | |
Nachruhm besorgt scheint, Schuld an dem schrägen Bild, das Jain abgibt: | |
gieriger Zocker mit fremder Religion. Ein Imageproblem hat aber auch Good | |
Guy Fitschen, der gerne als Deutschland-Hansel verspottet wird, obwohl er | |
mehr berufliche Auslandserfahrungen als Jain vorzuweisen hat. | |
Was ändert sich an der Geschäftsausrichtung? | |
An der Richtung des Kurses wird die neue Doppelspitze plus Achleitner | |
nichts ändern. Die Doppelspitze – eine Übergangslösung, die in der | |
Deutschen Bank seit 1870 Tradition hat – wird die erfolgreiche | |
Doppelstrategie aus konventionellem Heimatgeschäft und internationalem | |
Investmentbanking fortsetzen. Und punktuell weiterentwickeln. So könnte die | |
Deutsche Bank noch stärker in das riskante und zugleich lukrative Geschäft | |
mit Derivaten und Hedgefonds einsteigen. Im Rekordjahr 2007 – vor der Krise | |
– trug das letztlich spekulative Investmentbanking drei Viertel zum | |
Rekordgewinn von rund 8,75 Milliarden Euro vor Steuern bei. | |
Welchen Anteil hat die Deutsche Bank an der größten Krise seit den 1930er | |
Jahren? | |
Einen erheblichen. Das belegen die vielen Prozesse in den USA und | |
Vergleiche mit Regierungsstellen und Banken. Erst Ende Mai verklagte eine | |
amerikanische Behörde die Deutsche Bank. | |
Ist die Deutsche Bank eine Gewinnerin der Krise? | |
Ja. Heute entspricht ihre Bilanzsumme von mehr als 2.000 Milliarden Euro | |
dem Siebenfachen des Bundeshaushaltes von rund 300 Milliarden. Zugegeben, | |
ein Äpfel-Birnen-Vergleich – doch beide sind auf ihre Art groß oder klein. | |
In der seit dem Sommer 2007 grassierenden | |
Immobilien-Banken-Finanz-Wirtschafts-Staatsschulden- und Euro-Krise konnte | |
sich die Deutsche Bank wieder in die Champions League zurückkämpfen. | |
Zwar hatte auch Ackermann seit den 1990er-Jahren das riskante | |
Investmentgeschäft – auf eigene und fremde Rechnung – wie in Zockerbanken | |
rasant ausgebaut. Doch die ganz gewaltigen Exzesse wie bei JP Morgan, | |
Citibank oder Royal Bank of Scotland verhinderten Zielvorgaben, mit denen | |
der Vorstand seine Wett-Banker zügelte, ein funktionierendes | |
Risikomanagement und das Glück, nach dem Knall schneller als die Konkurrenz | |
Schrottpapiere abgestoßen zu haben. | |
Ist das 25-Prozent-Ziel Eigenkapitalrendite perdu? | |
Offiziell nicht. Die drei Neuen halten sich bedeckt. Klar ist aber, dass | |
die deutsche Nummer eins ihre in der Krise zurückgewonnene starke Stellung | |
auf Augenhöhe etwa mit Goldman Sachs verteidigen will. Fitschen: „Wir | |
wollen zu den Besten der Welt gehören.“ Jain: „Die Deutsche Bank muss als | |
globaler Gewinner aus der Krise hervorgehen.“ Topp, die Wette gilt. | |
Gibt es noch Spekulationsgeschäfte auf Nahrungsmittel? | |
Ja. Die Bank hatte im Frühjahr Erwartungen geweckt, sie könne kurzfristig | |
aus dem umstrittenen Geschäft mit Agarrohstoffen aussteigen. Jetzt will sie | |
davon nichts mehr wissen. Immerhin: „Die Deutsche Bank“, versichert ein | |
Sprecher, werde „keine neuen börsengehandelten Anlageprodukte auf | |
Grundnahrungsmitteln mehr auflegen.“ Ein volles Dementi sieht anders aus. | |
Eine Arbeitsgruppe prüfe weiterhin, ob Finanzwetten auf Nahrungsmittel | |
tatsächlich Auswirkungen auf die Preise von Agrarrohstoffen haben. | |
Wissenschaftler meinen, dass Agrarpreise vor allem durch erhöhten | |
Fleischkonsum in Schwellenländern, die EU-Agrarpolitik sowie die wachsende | |
Weltbevölkerung angetrieben werden. | |
Keine Rüstungsfinanzierung? | |
Auf der heutigen Hauptversammlung stellen die Kritischen Aktionäre, | |
Urgewald und andere NGOs ihre Studie „Die düstere Bilanz der Ära Ackermann�… | |
vor: Die Bank habe das Versprechen, aus der Finanzierung von Streumunition | |
auszusteigen, „dreist gebrochen“. Auslegungsfähiger Widerspruch aus | |
Frankfurt: „Die Deutsche Bank hat im Herbst ihre ’No Go Policy‘ für | |
Streubomben verschärft und entschieden, dass sie Geschäftsbeziehungen zu | |
Unternehmen einstellen wird, die neben vielen anderen Produkten auch | |
Streubomben produzieren.“ Bestehende vertragliche Verpflichtungen gegenüber | |
Kunden erfülle man „selbstverständlich“. | |
Behält die Deutsche Bank ihren Einfluss auf die deutsche und die | |
internationale Politik? | |
National bestimmt. Nach dem Untergang der Dresdner Bank und dem Niedergang | |
der Commerzbank, die teilverstaatlicht wurde, ist die Deutsche Bank | |
hierzulande mächtiger denn je und wichtigster Ansprechpartner der | |
Bundesregierung in der privaten Wirtschaft. Der neue | |
Aufsichtsratvorsitzende und starke Mann, Paul Achleitner, wird der | |
Börsensachverständigenkommission (BSK) angehören, die das | |
Bundesfinanzministerium über die Kapitalmarktpolitik berät. | |
Global sind Jain und Fitschen dagegen unbeschriebene Blätter. Während | |
Ackermann als Chef des Weltbankenverbandes IIF in Washington eine | |
internationale Hausmacht besaß und im Weißen Haus sowie im Kreml gern | |
gesehen ward, müssen die Nachfolger des „Weltenlenkers“, so ein | |
Finanzblatt, erst noch an Statur gewinnen. Aber letztlich ist die Bank mit | |
mehr als 100.000 Mitarbeitern in 72 Ländern größer als ihre Chefs. | |
Was macht eigentlich Ackermann jetzt? | |
Trotz seines verpatzten Abgangs in den Aufsichtsrat der Deutschen Bank wird | |
der Schweizer Opernfreund nicht arbeitslos. Er wird wohl weiterhin bei | |
Bayer und Siemens als Kontrolleur mitreden und neue Ämter bei Zurich | |
Financial sowie dem skandinavischen Tycoon, der Wallenberg-Gruppe, | |
übernehmen. Deutschland AG international. | |
31 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Hermannus Pfeiffer | |
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