# taz.de -- Birmas Oppositionsführerin in Thailand: Jubelrufe im Flüchtlingsl… | |
> Aung San Suu Kyi wird in Thailand begeistert empfangen. Doch der Besuch | |
> bei ihren vertriebenen Landsleuten ist streng reglementiert. Denn Bangkok | |
> fürchtet Kritik aus Birma. | |
Bild: Ungeduldiges Warten auf Suu Kyi im Flüchtlingslager Mae La. | |
BANGKOK taz | „Mutter Suu, Mutter Suu!“, skandierten die Menschen, der | |
Jubel war ohrenbetäubend. Trotz sengender Hitze waren sie zu Tausenden | |
zusammengekommen, um ihr Idol wenigstens einmal aus der Nähe sehen zu | |
können. Sie schwenkten Rosen sowie Bilder mit Suu Kyis Konterfei und dem | |
ihres Vaters, Birmas Unabhängigkeitshelden Aung San. Das Flüchtlingscamp | |
Mae La, 600 Kilometer nordwestlich der Hauptstadt Bangkok, war die letzte | |
Station der Thailandreise Suu Kyis, die sich zuvor mit Arbeitsmigranten aus | |
Birma getroffen hatte. | |
Knapp fünf Tage hatte sich Suu Kyi im Nachbarland aufgehalten. Es war ihr | |
erster Auslandsbesuch seit 24 Jahren. Überall zeigte sie, dass sie Anteil | |
nimmt am Schicksal jener, die entweder aus wirtschaftlicher Not gezwungen | |
sind, in Thailand als Fischer oder Fabrikarbeiter zu schuften, oder vor den | |
Konflikten in den überwiegend von ethnischen Minderheiten bewohnten | |
Grenzregionen fliehen mussten. „Ich werde euch nicht vergessen“, hatte die | |
66-Jährige beteuert, „und ich werde versuchen, mein Bestes für euch zu | |
tun.“ | |
Mit etwa 45.000 Flüchtlingen aus Birma, hauptsächlich Angehörigen der | |
ethnischen Karen-Minderheit, ist Mae La das größte von neun Camps an der | |
Grenze, die 150.000 Menschen beherbergen. Doch wer hier auf eine längere | |
Ansprache Suu Kyis gehofft hatte, wurde enttäuscht. Denn diese war der | |
Friedensnobelpreisträgerin von den dortigen Behörden ebenso untersagt | |
worden wie ein Treffen mit führenden Köpfen der Karen. Medien berichteten, | |
man habe diesen Besuch reglementiert, weil Thailand es sich nicht mit | |
Birmas Autoritäten verscherzen wolle. | |
In Suu Kyis Heimat sind Hardliner des Nationalen Verteidigungs- und | |
Sicherheitsrates offenbar verstimmt über den Verlauf von Suu Kyis | |
Stippvisite, wie ein Beobachter gegenüber der taz mutmaßte. Weniger wegen | |
des euphorischen Empfangs, der ihr erwartungsgemäß bereitet wurde, sondern | |
wegen ihrer Rede beim Weltwirtschaftsforum Ostasien in Bangkok am Freitag. | |
## Gesunde Skepsis gegenüber Birmas Entwicklung | |
Dort hatte die Oppositionsführerin die Weltgemeinschaft dazu aufgerufen, | |
die Entwicklungen in Birma mit einer „gesunden Skepsis“ zu beobachten. Das | |
jetzige politische System sei nur angeblich demokratisch. „Wir müssen die | |
Belange unseres Volkes stärken“, hatte Suu Kyi erklärt, deren Nationale | |
Liga für Demokratie am 1. April die Nachwahlen zum Parlament haushoch | |
gewonnen hatte. | |
Ob die Öffnung wirklich unumkehrbar sei, werde sich daran zeigen, inwieweit | |
das Militär dahinterstehe. Zudem hatte sie Investoren dazu aufgerufen, ihr | |
Land so zu unterstützen, dass es dem Volk nutzt. „Wir wollen nicht, dass | |
mehr Korruption einhergeht mit mehr Privilegien für die ohnehin | |
Privilegierten.“ | |
Präsident Thein Sein sagte einen zweimal angekündigten Thailandbesuch am | |
Freitag endgültig ab. Ob dies aus eigener Initiative oder auf Druck der | |
Hardliner geschah, ist nicht bekannt. Thein Sein gilt als Reformer und als | |
derjenige, der Suu Kyis Opposition den Weg zurück in die politische Arena | |
geebnet hatte. | |
3 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Nicola Glass | |
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