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# taz.de -- Thinktank für eine linke Perspektive: Die Crossover-Methode
> Die Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, gehört zu einem linken
> Thinktank um SPD-Frau Andrea Ypsilanti. Ein aktueller Sammelband
> skizziert deren Programmatik.
Bild: Hatte Einsicht in „die tiefgehenden programmatischen und strategischen …
Hinter den Rauchschwaden der Peinlichkeit, die die Linkspartei in den
letzten Wochen und Monaten vernebeln, werden, immerhin, die Konturen eines
Projekts einer nun wirklich zeitgemäßen, neuen „neuen Linken“ sichtbar.
Katja Kipping, ob ihrer Wahl an die Doppelspitze der Linkspartei seit dem
Wochenende nun bundesweit bekannt, ist auch Mitglied im Vorstand des
„Instituts Solidarische Moderne“, eines sozialwissenschaftlichen
Thinktanks, das nach dem Debakel der gescheiterten hessischen
Sozialdemokratin Andrea Ypsilanti gegründet wurde. „Anlass der Gründung
war“, so Katja Kipping“, „unsere Einsicht in die tiefgehenden
programmatischen und strategischen Defizite der Linken in Deutschland und
Europa“. Eine erneuerte Linke müsse, so Kipping, „für eine Moderne
streiten, die beides in sich vereint und weiterentwickelt: die
Verteilungssensibilität der ’alten‘ und die individuellen
Selbstbestimmungsansprüche der ’neuen‘ Linken“.
Politisch steht das Institut für ein gemeinsames politisches Projekt von
SPD, Grünen und der Linkspartei – für eine Perspektive also, die in den
nächsten Jahren an Chancen gewinnen könnte, sofern es für ein solches
Projekt ausreichend programmatische Schnittmengen gäbe.
Ein von den in Frankfurt und Mainz wirkenden SozalwissenschaftlerInnen
Johannes Angermüller, Sonja Buckel und Marianne Rodrian-Pfennig
herausgegebener Sammelband dokumentiert die 2010 veranstaltete „Summer
Factory“ des Instituts auf dem Campus der Frankfurter Goethe-Universität
zum Thema „Solidarische Bildung“. Der Band präsentiert nicht nur die meist
klar und sorgfältig notierten Ergebnisse von 17 Workshops, die sich von
allgemeinen Überlegungen zu „Bildung, Demokratie und Freiheit“ über
„Kulturelle Bildung und ästhetische Erziehung“ sowie „Anmerkungen zur
Situation an den Fachhochschulen“ und „Inklusive Schule“ bis zum Umzug der
Frankfurter Universität erstreckten, sondern auch einen beinahe
nostalgischen Rückblick auf die Studentenbewegung der 1960er Jahre, eine
allgemeine Bestandsaufnahme sowie eine methodologische Vorbemerkung zu
einem Diskussionsverfahren, das allemal als ernst zu nehmende, bessere,
weil beständigere Alternative zum „Liquid Democracy“-Projekt der „Pirate…
gelten kann: die „Crossover-Methode“.
## Neue linke Perspektive
Sie zielt darauf – so die programmatische Erklärung zur „Summer Factory“…
„im Sinne einer radikaldemokratischen Praxis, die unterschiedlichen
Perspektiven zu erhalten anstatt sie zu vereinheitlichen“. Der Kongress,
die „Summer Factory“, war sich zumindest darin einig, dass das deutsche
Bildungswesen Ungleichheit zementiert sowie Ungleichheit und Differenz
systematisch (!) ignoriert. Strategisch folgt im Gegenzug daraus, dass
Bildung als Teil der sozialen Infrastruktur anzuerkennen sei, dass sie zur
Veränderung gesellschaftlicher Prozesse beitragen muss und daher Schule und
Hochschule auf demokratische Verfahren umgestellt werden müssen.
Was das freilich konkret bedeuten soll, kann sich nur im Detail erweisen.
Dabei sind in der Regel wohlbegründete Kritiken am neoliberalen Modell der
„unternehmerischen Hochschule“, das bis heute ungleichzeitig das Ende des
Neoliberalismus überlebt hat, das eine und konkrete Vorschläge das andere.
Manches freilich wirkt läppisch: So wird etwa in einem
Demokratisierungsprogramm mit großem Aplomb gefordert, dass die jetzt
eingesetzten „Hochschulräte“ künftig durch „Hochschulkuratorien“ erse…
werden, in denen „Repräsentantinnen und Repräsentanten gesellschaftlicher
Interessengruppen (Gewerkschaften, Arbeitgeber, Sozialverbände usw.) plural
vertreten“ sind. Dieser von einer Politologin entworfene Vorschlag übergeht
nicht nur großzügig die Frage der institutionellen Umsetzung und Einflüsse
auch der „Kuratorien“, sondern vor allem etwa Kants schon Ende des 18.
Jahrhunderts im „Streit der Fakultäten“ formulierte Einsicht, dass nur
Wissenschaftler Wissenschaftler beurteilen können.
## Fanclubs für den Rektor
Dass Hochschulen ihrer gesellschaftlichen Verantwortung genau dann am
besten genügen, wenn sie eben nur von einem wissenschaftlichem und keinem
anderen Ethos getragen sind, scheint in dieser „solidarischen Bildung“ mit
Absicht keiner Erwähnung wert. Ob am Ende, wie es der taz-Kolumnist Jean
Peters propagiert, Methoden der „Subversiven Aktion“ – etwa das clowneske
Gründen von Fanclubs der jeweiligen Hochschulpräsidenten – die verdeckt
autoritären Strukturen der „Bologna-Universitäten“ aufzubrechen vermögen,
bleibt zu erproben.
Aber wie dem auch sei: das hier dokumentierte „Crossover“ zeigt, dass
solidarische politische Bildungs- und Diskussionsprozesse effektiv möglich
sind. Die hier versuchte Neuformation einer politischen Linken über
Parteigrenzen hinweg wird sich freilich – wenn überhaupt – erst nach den
nächsten Bundestagswahlen vollziehen. Doch ist es zu begrüßen, dass die
Vorbereitungsarbeiten für diese künftige politische Mehrheit bereits in
Gang gekommen sind.
## J. Angermüller/S. Buckel/M. Rodrian-Pfennig (Redaktion): „Solidarische
Bildung“. Hg. Institut Solidarische Moderne, VSA Verlag, Hamburg 2012, 336
Seiten, 22,80 Euro
5 Jun 2012
## AUTOREN
Micha Brumlik
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