# taz.de -- Kommentar Grüne Regierungsbeteiligung: Leiser Abschied vom Sozialen | |
> Sind den Grünen gut verdienende Mittelschichtsangehörige wichtiger als | |
> Hartz-IV-Empfänger? Die Wähler erwarten von ihrer Partei den Mut, die | |
> Gesellschaft umzubauen. | |
Der Name, den die Grünen-Fraktion ihrer Arbeitsgruppe gegeben hat, klingt | |
fürchterlich technokratisch. Doch was die „Projektgruppe Prioritäten 2013“ | |
seit Wochen aushandelt, ist äußerst lebensnah. Die FraktionschefInnen | |
Jürgen Trittin und Renate Künast legen mit den wichtigsten Fachpolitikern | |
fest, welche Reformen im Falle einer Regierungsbeteiligung als Erstes | |
verwirklicht werden. Und ebenso wichtig: Sie beschließen, welche Ziele | |
angesichts knapper Finanzen lieber weglassen werden. | |
Zwar liegt erst eine Zwischenbilanz vor, ebenso fehlt noch das Votum der | |
Basis. Doch selbst die ersten Vorschläge der AG haben Gewicht, weil sie | |
eine wahrscheinliche Linie für den Wahlkampf vorgeben. Und klare | |
Schwerpunkte offenbaren: Uns interessiert die Energiewende, uns | |
interessiert Bildung, doch Armut ist uns eher egal. Immer wenn es in dem | |
Papier um Sozialpolitik geht, dimmen die Grünen die Erwartungen herunter. | |
Und verabschieden sich leise von einst mit Verve vertretenen Idealen. | |
Hartz-IV-Erhöhung? Reicht erst mal auch ein Miniaufschlag. | |
Kindergrundsicherung? Im Moment nicht machbar. Garantierente? Prüfen wir | |
noch. Dieses schwammige Vielleicht folgt durchaus einer Logik. Zunächst ist | |
nachhaltige Sozialpolitik immens teuer, und die Grünen haben sich ein enges | |
Finanzkorsett angelegt. | |
Vor allem aber verbirgt sich dahinter die strategische Überlegung, dass der | |
eigenen Klientel – oft gut ausgebildete, gut verdienende | |
Mittelschichtsangehörige – Ökostrom und Elektroautos wichtiger sind als das | |
Wohl und Wehe von Hartz-IV-Beziehern. | |
Dies aber ist ein Fehlschluss. Gerade Grünen-Wähler erwarten von ihrer | |
Partei mehr als brave Orientierung an Sachzwängen. Nämlich den Mut, die | |
Gesellschaft umzubauen. | |
6 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
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