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# taz.de -- Parlamentswahlen in Frankreich: Die Linke will die Macht
> Bei den Parlamentswahlen am Sonntag wollen die Sozialisten und ihre
> Verbündeten den Machtwechsel perfekt machen. Trotz "Präsidenten"-Bonus
> ist der Sieg nicht garantiert.
Bild: Offensichtlich kein Hingucker: Wahlwerbung in Frankreich.
PARIS taz | Frankreichs frischgewählter Staatspräsident François Hollande
ist dieses Mal selber nicht Kandidat, dennoch sind die Abgeordnetenwahlen
am Sonntag auch ein politischer Test für ihn. Er sieht dem Urnengang mit
Zuversicht entgegen.
Erstens, so meinen Politologen, werden doch die Französinnen und Franzosen
seit Hollandes Wahlsieg am 6. Mai nicht in so kurzer Zeit ihre politische
Haltung völlig geändert haben, sondern den sozialistischen Präsidenten
„normalerweise“ mit der linken Mehrheit ausstatten, die er zum Regieren
braucht. Zweitens hat sich der Präsident bisher keine groben Schnitzer
geleistet.
Das Image des „normalen“, bescheidenen und bürgernahen Präsidenten hat si…
noch nicht abgenutzt. Noch staunen die Leute in Frankreich darüber, dass
ihr Staatsoberhaupt – so ganz anders als vorher Nicolas Sarkozy – nicht im
Präsidentenjet (im Volksmund „Sarko one“) fliegt, sondern mit der Bahn oder
im Dienstauto, und dank drastisch reduzierter Sicherheitsvorkehrungen
zugänglich bleibt.
Und kleine Geschenke für die Wähler erhalten ihm die Gunst der öffentlichen
Meinung: Senkung der Ministergehälter um 30 Prozent, Erhöhung des
gesetzlichen Mindestlohns, ein Einfrieren der Benzinpreise sowie eine
Rückkehr zur Rente mit 60 für jene, die vor dem 20. Lebensjahr zu arbeiten
begonnen haben und keine Beitragslücken haben.
## Frage des Vertrauens
Damit beweist Hollande, was er mit ausgleichender Gerechtigkeit meint, und
dafür will er eine Mehrheit, die aus diesen Vorhaben auch Gesetze macht.
Einer direkten Vertrauensfrage setzen sich Premier Jean-Marc Ayrault und 25
seiner Regierungsmitglieder aus. Sie setzen ihre Glaubwürdigkeit und
Legitimität aufs Spiel. Wer verliert, fliegt aus der Regierung. Wer
gewinnt, kann nicht in der Nationalversammlung seinen Sitz einnehmen,
sondern muss das Mandat Stellvertretern überlassen.
Da dies erst nach einer Übergangszeit von einem Monat möglich ist, kann die
Regierung, falls die Wahlen knapp ausgehen, unter Umständen während mehrere
Wochen nicht effektiv über die Mehrheit verfügen.
Umfragen zufolge werden die Sozialisten auf die Unterstützung der mit ihnen
verbündeten Grünen und der Abgeordneten der Linksfront (Linkspartei und
Kommunisten) angewiesen sein. Zusammen kann diese parlamentarische Linke
mit einem Stimmenanteil von rund 45 Prozent laut Hochrechnungen auf 300 bis
340 Sitze von insgesamt 577 kommen, die oppositionelle Rechte, die in den
Umfragen bei 33 Prozent liegt, mit 209 bis 249.
Der rechtsextreme Front National (15 Prozent in den Umfragen), der aufgrund
des französischen Mehrheitswahlrechts bisher nicht in der
Nationalversammlung vertreten war, hofft auf ein mehrere Mandate.
## Frage der Anzahl
Ganz besonders verfolgen die Medien das direkte Wahlduell zwischen der
FN-Chef Marine Le Pen und dem ersten Mann bei der Linksfront Jean-Luc
Mélenchon in Hénin-Beaumont im Norden. Die Frage ist, wie sich die
bürgerliche UMP-Wählerschaft bei den Stichwahlen zwischen FN und der Linken
entscheidet. Für Le Pen zählt zunächst, in so vielen Wahlkreisen wie
möglich in die zweite Runde zu gelangen, um die UMP flächendeckend in
Verlegenheit zu bringen.
Abseits dieser Querelen treten erstmals die „Piraten“ mit 102 Kandidatinnen
und Kandidaten an. Die Partei wurde 2006 gegründet und will nach deutschem
Vorbild mit vollen Segeln auch die französische Politik entern. Dazu gehört
auch, dass nicht alle zu allem dasselbe meinen. „Wir haben gemeinsame Werte
wie Freiheit und Transparenz, aber keine einheitliche Antwort auf alle
Fragen. Von den 102 Kandidaten gibt es vielleicht 102 verschiedene
Meinungen zu Syrien“, sagt Sammy Dia.
Er ist 19 und kandidiert in Lyon. Als Informatikstudent ist er fast ein
Prototyp der erst 400 Mitglieder der Piratenpartei. Er weiß, dass ihnen das
Wahlsystem null Chancen lässt. Die Pariser Polizeipräfektur glaubte sogar
an einen Scherz und entsorgte die Wahlzettel der Piraten von zwei
Wahlkreisen im Altpapier.
10 Jun 2012
## AUTOREN
Rudolf Balmer
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