# taz.de -- Neuer Berliner SPD-Landesvorsitz: Stöß gewinnt | |
> Die Berliner SPD hat ihren bisherigen Landesvorsitzenden und | |
> Wowereit-Vertrauten Michael Müller abgewählt. Neuer Chef ist Jan Stöß, | |
> der Kopf des linken Parteiflügels. | |
Bild: Der neue Chef der Berliner SPD. | |
BERLIN taz | Die Berliner SPD hat ihren bisherigen und stark kritisierten | |
Landesvorsitzenden Michael Müller abgewählt und seinen Herausforderer Jan | |
Stöß zum Parteichef gemacht. Stöß, führender Kopf des linken Parteiflügels | |
und Kreischef von Friedrichshain-Kreuzberg erhielt beim Landesparteitag im | |
Stadteil Neukölln 123 Stimmen, Müller 101. | |
Das Ergebnis entsprach fast exakt den vorangegangenen Festlegungen in den | |
zwölf Berliner SPD-Kreisverbänden. Von denen hatten sich acht mit 122 | |
Delegierten für Stöß ausgesprochen, vier mit zusammen 103 Delegierte für | |
Müller, der in der rot-schwarzen Landesregierung Senator für | |
Stadtentwicklung ist. Wirkungslos blieb beim Parteitag eine auch von | |
Stöß-Anhängern als stark eingeschätzte Rede Müllers und ein deutlich | |
weniger konkreter Auftritt von Stöß, der einen guten Teil seiner Redezeit | |
bundespolitischen Themen widmete. | |
In ersten Reaktionen war von einem richtungsweisenden Schritt die Rede. | |
„Das ist eine Zäsur für die Berliner SPD“, sagte Neuköllns Bürgermeister | |
Heinz Buschkowsky, bekennender SPD-Rechter, der sich im Vorfeld | |
überraschend klar für Stöß ausgesprochen hatte. Müllers Versuch in seiner | |
Rede, Kritik an zu wenig Kommunikation mit dem Versprechen aufzufangen, | |
sich zu bessern, bezeichnete Buschkowsky als „Parteitagsrhethorik“. Derart | |
reuig könne man sich nach zwei Jahren im Amt zeigen, aber nicht nach acht | |
wie bei Müller. | |
Stöß selbst sagte nach seiner Wahl, dass die über Monate verlaufende | |
Auseinandersetzung zwischen ihm und Müller, anders als anderweitig | |
behauptet, keinen Bruch in der Partei hinterlasse. „Ich bin sehr | |
zuversichtlich, „dass die Reihen sehr schnell wieder gesschlossen sein | |
werden“, sagte Stöß. | |
## Wowereit gibt sich flexibel | |
In einer über eineinhalbstündigen Aussprache zu den Kandidaten hatten sich | |
zuvor Regierungsvertreter wie der Regierende Bürgermeisterin Klaus Wowereit | |
und Arbeitssenatorin Dilek Kolat, die zugleich Vorsitzende in Müllers | |
Heimat-Kreisverband Tempelhof-Schöneberg ist, eindeutig für Müller | |
ausgesprochen. Aber auch die Exbundeschefin des Parteinachwuchses Jusos, | |
Fransziska Drohsel, warb für Müller. Die Berliner Jusos wiederum hatten | |
schon im Vorfeld für Müller votiert. | |
In der besten Rede des Parteitags vermied es Wowereit zwar, seiner Partei | |
mit Konsequenzen für den Fall zu drohen, dass Müller, sein langjähriger | |
Vertrauter und Sachwalter in Fraktion und Partei, nicht gewählt würde. Er | |
gab stattdessen vor, auch mit Stöß klar zu kommen – „wer mich kennt, der | |
weiß, dass ich da relativ flexibel bin.“ | |
Er schrieb aber einen guten Teil von drei Wahlerfolgen und elf Jahren | |
erfolgreicher SPD-Regierungsarbeit Müller zu, der seit 2004 Parteichef und | |
schon seit 2001 Fraktionsvorsitzender ist. Auf diese Arbeit könne man stolz | |
sein, „und es hat nur funktionieren können, weil Senat, Partei und Fraktion | |
miteinander gearbeitet hätten“. Das Stöß-Lager hatte das bestritten und | |
hatte Müller vorgeworfen, als langjähriger Fraktionschef und seit 2011 als | |
Senator zu wenig Parteipositionen in der Landesregierung durchgesetzt zu | |
haben. Wowereit rief die Delegierten auf, damit aufzuhören, „so zu tun, als | |
ob die SPD-Senatoren das feindliche Lager sind.“ | |
Der Fraktionsvorsitzende Raed Saleh, der seit seinem Amtsantritt im Herbst | |
2011 mehrfach Konflikte mit Wowereit austrug, unter anderem beim Thema | |
Mindestlohn und dem geplanten Neubau der namhaften Schauspielschule „Ernst | |
Busch“, sprach sich deutlich für Stöß aus. Mit Stöß als Partei- und ihm … | |
Fraktionschef ist Wowereit künftig doppelt unter Druck. Müller hatte auf | |
diese Situation angespielt, als er unter Bezugnahme auf ein früheres Zitate | |
von Frank Müntefering sagte: „Opposition ist Mist – aber Opposition in der | |
Regierung ist politischer Selbstmord.“ | |
9 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
## TAGS | |
Flughafen Berlin-Brandenburg (BER) | |
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