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# taz.de -- Führungsstreit bei der SPD: Wer ist hier der Boss?
> Neben dem Fraktionschef hat Klaus Wowereit künftig auch noch den neuen
> Parteichef im Nacken. Der kündigt als erstes an, die S-Bahn nicht in
> Teilen ausschreiben zu wollen
Bild: Die künftigen Gegenspieler in der Berliner SPD: Der Regierende Bürgerme…
Am Ende geht Michael Müller mit einem feinen Lächeln durch die Reihen,
wechselt hier und da ein paar Worte, während vor der großen Bühne des
SPD-Landesparteitags sein Nachfolger Jan Stöß gefeiert wird. Einen nicht
wieder gewählten Parteichef kann man sich frustrierter vorstellen. Müller
wusste, dass er nur eine kleine Chance hat. Es ist der Abgang eines Mannes,
der kämpfend verloren hat.
Kämpfen heißt in diesem Fall auch, nicht davor zurück zu schrecken, auf
Kosten von Kollegen und Partnern zu punkten. Weil Stöß so klar gemacht hat,
dass die Christdemokraten für ihn nicht der richtige Koalitionspartner
sind, teilt auch Müller gegen sie aus: „Die CDU ist nun wirklich nicht
unser Wunschpartner“, es gebe kaum Gemeinsamkeiten. Das kommt gut an,
klingt aber bei anderen Gelegenheiten so anders, wenn von gutem
Einvernehmen die Rede ist.
Gegen seine Vorgängerin als Stadtentwicklungssenator schießt Müller, ohne
sie namentlich zu nennen. Die habe nicht eingestehen wollen, dass es in der
Stadt zu wenig bezahlbare Wohnungen gebe. Dresche bekommt auch der von der
SPD gestellte, parteilose Finanzsenator, weil der tags zuvor noch an
Müllers sozial ausgerichteter Mietpolitik rumgemäkelt haben soll.
Auch Abbitte leistet Müller: Er habe die Botschaft verstanden, „die
Kommunikation muss besser werden“. Parteitagsrhethorik nennt das der
Parteirechte und Neuköllner Bürgermeister Heinz Buschkowsky später
gegenüber der taz: So reuig könne man sich nach zwei Jahren im Amt geben,
aber nicht nach acht.
Dann gibt es noch Hilfe vom Regierenden Bürgermeister. Klaus Wowereit
taucht beim Parteitag auf, als komme er gerade vom Strand, das Hemd drei
Knöpfe auf und über der Hose. Klares Signal: Ich bin entspannt, mir könnt
Ihr nichts! Wowereit wirbt für Müller, droht aber nicht mit seinem Abgang,
wenn der scheitert. Wer ihn kenne, der wisse: Er sei flexibel.
Doch ob Bauernopfer oder Strand-Outfit, es hilft nichts. Stöß reicht eine
Rede mit wenig klaren Ansagen und viel Bundespolitik, von Betreuungsgeld
bis Fiskalpakt, um wenig später mit 123 zu 101 Stimmen bei einer Enthaltung
zu gewinnen.
Wowereit lässt nach Müllers Niederlage wenig blicken, wie es in ihm
aussieht. Er ist zu sehr Kämpfer, um aus Trotz sofort hinzuschmeißen. Aber
Wowereit ist auch schnell mal gelangweilt. Und sich künftig nun nicht nur
mit dem anders tickenden Fraktionschef Raed Saleh, sondern auch noch mit
einem opponierenden Parteichef auseinanderzusetzen, ist keine berauschende
Perspektive. Der Koalitionpartner CDU meldet sich schnell per
Pressemitteilung und macht klar, was er von Stöß erwartet. Sie gratuliert
ihm kurz zur Wahl, um dann Müller ausführlich zu loben: Er habe „als
Parteichef einen erheblichen Beitrag zum fairen und konstruktiven Klima in
der Koalition geleistet.“
Eine Auswirkung soll der Führungswechsel unmittelbar haben. Vor
Journalisten macht Stöß eine halbe Stunde nach seiner Wahl klar, dass die
Idee vom Tisch sein müsse, den S-Bahn-Betrieb in einzelnen Teilstücken
auszuschreiben. Damit läuft es darauf hinaus, dass nach 2017 weiter die
Deutsche Bahn für alles verantwortlich ist.
Nicht geben soll es die von Müller und inzwischen auch der CDU bevorzugte
Teilausschreibung, um über Konkurrrenz die Deutsche Bahn zu besserer
Leistung zu bringen. Bei der Bahn wisse man doch, was man hat, heißt es
ganz ohne Ironie schon länger aus der SPD-Fraktion. Wie wahr: Beim
Parteitag ist der nächstgelegene S-Bahnhof nur per Ersatzverkehr zu
erreichen.
## INLAND SEITE 5, MEINUNG + DISKUSSION SEITE 10
10 Jun 2012
## AUTOREN
Stefan Alberti
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