# taz.de -- Gesetzentwurf zum Leistungsschutzrecht: Unscharf, unkonkret und unp… | |
> Verlage sollen ein besonderes Leistungsschutzrecht bekommen. Doch | |
> schwammige Definitionen bedeuten juristische Grauzonen für Blogger – und | |
> was ist eigentlich mit Google? | |
Bild: Das Leistungsschutzrecht wabert jetzt durch die Netzwelt. | |
BERLIN taz | Dass wir das noch erleben dürfen: Die schwarz-gelbe Koalition | |
hat diversen Ankündigungen tatsächlich noch Taten folgen lassen – seit | |
Donnerstag geistert nun also ein veritabler Gesetzentwurf zum umstrittenen | |
Leistungsschutzrecht für Verlage durch die Netzwelt. Die Bundesregierung | |
will es noch vor der Sommerpause im Kabinett beschließen. Da das Gesetz | |
eigentlich schon vor einem Jahr so gut wie fertig in den Schubladen der für | |
die Beratung des Justizministeriums zuständen Anwälte lag, lästern nicht | |
nur die Grünen über den „langsamsten Schnellschuss“ der jüngeren Netz- u… | |
Medienpolitik. Und was künftig sein wird, bleibt weiter eher unkonkret. | |
„Durch den Gesetzentwurf soll sichergestellt werden, dass Presseverlage im | |
Online-Bereich nicht schlechter gestellt sind als andere Werkvermittler“, | |
heißt es im Entwurf zur Zielsetzung. Deshalb sollen – analog zu Musik- oder | |
Filmproduzenten – künftig auch Verlage ein besonderes Leistungsschutzrecht | |
bekommen, das über die bisherigen Urheber- und Verwertungsrechte | |
hinausgeht. Die Zeitung bzw. Zeitschrift wird sozusagen zum Gesamtkunstwerk | |
erklärt, über die einzelnen, schon immer urheberrechtlich geschützten | |
Artikel und Fotos hinaus. | |
Sinn und Zweck der ganzen Angelegenheit: Die Googles dieser Welt, aber auch | |
Blogs und andere neue Darreichungsformen von Zeitungsinhalten sollen von | |
den Verlagen im Bedarfsfall zur Kasse gebeten werden können. Schließlich | |
haben die Verlage seit Jahren argumentiert, hier würden andere mit ihrer | |
sauer gemachten Arbeit Geld verdienen – allen voran News-Aggregatoren wie | |
Google News, aber auch Zeitungs-Auswertungsdienste wie Perlentaucher & Co. | |
Das neue Gesetz, so der Referentenentwurf, soll die Presseverlage „in die | |
Lage versetzen, einfacher und umfassender gegen Rechtsverletzungen im | |
Internet vorzugehen“. Dass die gleichen Verlage mindestens genauso so | |
heftig an ihrer – am Marktführer Google ausgerichteten – | |
Suchmaschinenoptimierung arbeiten, wie sie für das Leistungsschutzrecht | |
getrommelt haben, ist nur eine der vielen Ungereimtheiten des geplanten | |
Sonderrechts. | |
## Was bitte ist ein Presseerzeugnis? | |
Die Unschärfe geht schon bei der Definition los, wer denn in den Genuss des | |
neuen Gesetzes kommt. Denn was bitte ist ein Presseerzeugnis? „Ein | |
Presseerzeugnis ist die redaktionell-technische Festlegung journalistischer | |
Beiträge im Rahmen einer unter einem Titel auf beliebigen Trägern | |
periodisch veröffentlichten Sammlung, die bei Würdigung der Gesamtumstände | |
als überwiegend verlagstypisch anzusehen ist und die nicht überwiegend der | |
Eigenwerbung dient.“ Klar klingt anders. | |
Und auch die Folgen des neuen Gesetzes sind alles andere als präzise | |
benannt. Das wiederum könnte daran liegen, dass das Leistungsschutzrecht | |
von den Unionsparteien den Verlegern als Morgengabe angekündigt wurde – nun | |
aber vom FDP-geführten Justizministerium im Rahmen der Urheberrechtsreform | |
umgesetzt werden musste. Justizministerin Sabine | |
Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hatte jedenfalls ihre Skepsis immer | |
wieder durchblicken lassen und den Verlegern beschieden, sie sollten bloß | |
nicht damit rechnen, dass ihnen die Politik nun ein überkommenes | |
Geschäftsmodell ins digitale Zeitalter hinüberretten werde. | |
Die Einführung eines neuen Leistungsschutzrechts dürfe „nicht als ein | |
gesetzgeberischer Schutz von alten, überholten Geschäftsmodellen | |
missverstanden werden“, heißt es denn auch in den Erläuterungen zum | |
Gesetzentwurf, es „kann und soll kein Korrektiv für Strukturveränderungen | |
des Marktes sein, auf die Presseverleger vor allem mit neuen Angeboten | |
reagieren müssen“. | |
## Eine bloße Verlinkung ist noch keine Nutzung | |
Klar ist immerhin: Das neue Leistungsschutzrecht ist begrenzt. Es erstreckt | |
sich nur auf die gewerbliche Nutzung entsprechender journalistischer | |
Inhalte – und auch das nur für ein Jahr ab Erstveröffentlichung durch den | |
Verlag. Eine bloße Verlinkung stellt noch keine Nutzung da. Und die | |
„öffentliche Zugänglichmachung von Presseerzeugnissen für nicht gewerbliche | |
Zwecke“ ist ebenfalls weiter unproblematisch. | |
Doch genau an diesem Punkt springt der Gesetzentwurf zu kurz. Denn beim | |
Thema Blogs kommt auch die Begründung ins Schwafeln: „Bei Internet-Blogs | |
ist zu differenzieren“, heißt es da, denn die gäbe es schließlich „in | |
zahlreichen Varianten“. Wenn ein Blog de facto selbst eine redaktionelle | |
Leistung erbringt, indem er journalistische Beiträge redaktionelle auswählt | |
und „fortlaufend unter einem Titel“ zusammenstellt, hat auch der Blogger | |
ein Leistungsschutzrecht – muss allerdings, so er den Blog „zu gewerblichen | |
Zwecken betreibt“, für die Online-Nutzung „von Presserzeugnissen Dritter“ | |
eine Lizenz erwerben. Also muss er für die Leistungsschutzrecht-Inhaber | |
(Verlage) bezahlen, um selber ein solches zu erhalten. | |
Wer dagegen „einen Blog als Hobby unentgeltlich und ohne Bezug zu seiner | |
beruflichen Tätigkeit betreibt, handelt nicht zu gewerblichen Zwecken“ - | |
und braucht „daher keine Lizenz für die Nutzung von Presseerzeugnissen und | |
ist nicht vergütungspflichtig“. Davon unterscheidet der Gesetzentwurf | |
wiederum Blogger, die „hauptberuflich als freiberuflicher Journalist“ | |
unterwegs sind - man ahnt es schon: Anwälte, Gutachter und Gerichte werden | |
viel Spaß daran haben, den hauptberuflich freiberuflichen Hobbyblogger | |
konkret zu definieren. | |
## Viele Verlage haben an Google News nichts auszusetzen | |
Zumal es auch im Entwurf-Erklärwerk heißt: „Verwendet ein Blogger zu seinem | |
Hobby-Blog Fachartikel aus einschlägigen Presserzeugnissen und blendet er | |
zur Refinanzierung seiner Unkosten Werbebanner oder den Bezahl-Button eines | |
Micropaymentdienstes ein, dann handelt er zu gewerblichen Zwecken und muss | |
eine Lizenz erwerben. Darauf, ob der Blogger die Absicht hat, mit der | |
Werbung einen Gewinn zu erzielen, kommt es nicht an.“ | |
Überhaupt beschäftigt sich dieses Gesetz, das selbst die Auftraggeber – | |
also die Zeitungs- und Zeitschriftenverleger – als Meilenstein im Kampf | |
gegen die Googles dieser Welt verstanden wollen wissen, verdächtig | |
ausführlich mit dem Thema Blogs. Google kommt dagegen gar nicht vor. Was | |
auch daran liegen könnte, dass in Wahrheit viele Verlage an der | |
freundlichen Berücksichtigung ihrer demnächst wohl rechtlich geschützten | |
Leistungen durch Google News gar nichts auszusetzen haben. | |
Und in Sachen möglicher Einnahmen höchst skeptisch sind: Eine | |
Verwertungsgesellschaft, wie bei anderen Leistungsschutzrechten üblich, ist | |
im Gesetzentwurf nirgendwo vorgesehen. Wie also das neue Recht für | |
klingende Münze sorgen kann, bleibt ebenfalls unklar. Doch dass da große | |
Summen zusammen kommen, glaubt nicht mal der Gesetzgeber: „Das zu | |
erwartende Vergütungsaufkommen lässt sich nicht beziffern“, heißt es | |
lapidar in den Erläuterungen zum Gesetzentwurf. | |
15 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Steffen Grimberg | |
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Schwerpunkt Urheberrecht | |
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