| # taz.de -- Protest gegen Leistungsschutzrecht: Wer was im Netz komponiert | |
| > Der Gesetzentwurf zum Leistungsschutzrecht erregt Kritik. Liegt die | |
| > Leistung der Verlage in der Kuratierung der Inhalte? Oder kuratieren | |
| > Nutzer im Netz schon lange selbst? | |
| Bild: Gesamtkunstwerk oder guckt doch jeder Nutzer anders auf das Produkt Zeitu… | |
| Selten hatte die Grünen den BDI so lieb: Mit seiner vollen Breitseite gegen | |
| das als Kabinettsentwurf vorliegende Leistungsschutzrecht (LSG) für | |
| Presseverlage hatte der Bundesverband der Deutschen Industrie die Schlacht | |
| um das umstrittene Gesetz schon am Freitag befeuert. Am Dienstag legte die | |
| [1][Initiative gegen ein Leistungsschutzrecht] (Igel) mit dem Vorsitzenden | |
| der Monopolkommission der Bundesregierung nach. Fazit: Auch Justus Haucap, | |
| dessen Kommission das Bundeswirtschaftministerium berät, warnt vor der | |
| Einführung des LSG in der beabsichtigten Form. | |
| Er habe „die Befürchtung, dass es mehr Probleme schafft, als löst, aus | |
| ökonomischer Sicht bin ich auch von der Notwendigkeit nicht überzeugt“, so | |
| Haucap, im Hauptberuf Lehrstuhlinhaber für Volkswirtschaftslehre an der | |
| Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. | |
| Mit dem LSG sollen Presseverlage wie heute schon Musik- und Filmproduzenten | |
| ein besonderes Schutzrecht auf das „Gesamtkunstwerk“ Zeitung oder | |
| Zeitschrift erhalten. Dies soll ihnen helfen, die gewerbliche Weiternutzung | |
| von Inhalten ihrer Publikationen im Netz zu unterbinden bzw. derartige | |
| Mitnutzer wie Suchmaschinen und Nachrichten-Aggregatoren zur Kasse zu | |
| Bitten. Nach Monaten des Wartens soll das bereits im Koalitionsvertrag von | |
| 2009 versprochene Bonbönchen für die Printbranche am 4. Juli vom Kabinett | |
| beschlossen und auf den Gesetzgebungsweg gebracht werden. | |
| Haucap bezweifelte generell die Sinnhaftigkeit des LSG: Schließlich schütze | |
| das eine „kompositorische Leistung der Verlage“ – also die komplette | |
| Zeitungsausgabe. Dabei habe sich das Nutzerverhalten im Netz ja gerade so | |
| verändert, dass dort niemand mehr nach kompletten Zeitungen, sondern „nach | |
| einzelnen Elementen aus unterschiedlichen Quellen sucht“. Diese | |
| „Entbündelung“ führe dazu, dass die Nutzer die Komposition von Inhalten | |
| jetzt selbst vornähmen. Der Monopolkommissionschef stimmte auch in die | |
| BDI-Kritik ein, nach der im LSG-Entwurf wesentliche Punkte unklar blieben – | |
| allem voran, wie bei neuen Medien wie Blogs „gewerbliche Nutzung“ zu | |
| definieren sei. | |
| ## Nachteile bei kleinen Verlagen | |
| Haucap warnte zudem vor übertriebenen Erwartungen: Sollte es nicht zu einer | |
| verpflichtenden Verwertungsgesellschaft kommen, die das LSG durch- und | |
| einheitliche Preise festsetzt und das Inkasso übernimmt, drohten vor allem | |
| kleinen Verlagen Nachteile. Diese könnten mangels Marktmacht wohl kaum | |
| Ansprüche gegen Google durchsetzen – aber umgekehrt unter Umständen sogar | |
| an Google zahlen müssen, um dort überhaupt gelistet zu sein und so | |
| Reichweite im Netz zu erzielen. | |
| Haucap verwies hier auf den Lebensmittelhandel, wo unbekanntere und nicht | |
| so erfolgreiche Marken ja auch „Regalmiete“ zahlen müssten, um überhaupt … | |
| Sortiment vertreten zu sein. Ähnliches könnte bei Verlagsangeboten im Netz | |
| der Fall sein, von denen sich Suchmaschinen oder News-Aggregatoren keinen | |
| großen Nutzen versprechen – die aber auf Google & Co. angewiesen sind, um | |
| überhaupt im Internet wahrgenommen zu werden. | |
| Eine eigene Pflicht-Verwertungsgesellschaft nach Vorbild der Gema könnte | |
| hier weiterhelfen, ist bislang im Gesetzentwurf aber nicht vorgesehen. Sie | |
| würde zudem aus ökonomischer Sicht selbst ein Problem darstellen, so | |
| Haucap: „Sie hätte dann ja ein Monopol, es gäbe an dieser Stelle im Netz | |
| keinen Wettbewerb, sondern Kartellpreise.“ Und die lägen erfahrungsgemäß | |
| immer recht hoch, sagte der Ökonom. Das wiederum käme den Verlegern | |
| natürlich sehr recht. | |
| ## Orientierung im Internet? | |
| Zudem würde durch das LSG auch „die Notwendigkeit für Verlage geschwächt, | |
| tragfähige Bezahlmodelle für das Netz zu entwickeln“, sagte Haucap. Die | |
| Verleger hatten diese Argumentation allerdings bereits im Vorfeld | |
| zurückgewiesen. Die Frage, was gewerbliche Nutzung sei, werde im | |
| Gesetzentwurf klar beantwortet, heißt es in einem Gutachten der | |
| Anwaltskanzlei Raue LLP für den Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger | |
| (BDZV). | |
| Und Springer-Strategiechef Christoph Keese, der für den BDZV das Thema LSG | |
| vertritt, bestreitet auch Haucaps Annahme, die „kompositorische Leistung“ | |
| der Verlage sei heute obsolet. „Sie ist eher noch wichtiger geworden: Die | |
| Leistung liegt heute in der Kuratierung auf der jeweiligen | |
| Zeitungs-Website, die Orientierung in der Informationsflut des Internets | |
| bietet.“ | |
| Neben BDI und Haucap hatten sich auch die SPD-Bundestagsfraktion und | |
| VertreterInnen der Grünen gegen das geplante LSG ausgesprochen. „Bis heute | |
| ist unklar, wofür es eines solchen neuen Schutzrechts eigentlich bedarf und | |
| es ist auch nicht zu erkennen, welchen Beitrag dieses zur Lösung der | |
| unübersehbaren Probleme bei der Durchsetzung des Urheberrechts in der | |
| digitalen Welt leisten kann“, heißt es im Netzpolitik-Blog der | |
| SPD-Fraktion. Und auch in der Union selbst – siehe BDI-Proteste – sind | |
| längst nicht alle für das neue Gesetz. | |
| 26 Jun 2012 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://leistungsschutzrecht.info/ | |
| ## AUTOREN | |
| Steffen Grimberg | |
| ## TAGS | |
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