| # taz.de -- Aktivistinnen Femen: „Der Busen soll frei sein“ | |
| > Femen aus der Ukraine protestiert auch während der EM. Die Gründerin Anna | |
| > Huzol über Patriotismus, die Sexindustrie und warum sie keine | |
| > Wassermelonen verkaufen. | |
| Bild: „Wir verkaufen keine Wassermelonen.“ Möp. | |
| taz: Frau Huzol, Ihre Aktivistinnen haben alle verdammt schöne Brüste. Ist | |
| das Voraussetzung, um bei Femen mitzumachen? | |
| Anna Huzol: Wir sind kein Erotikklub. Die Schönheit der Brüste spielt für | |
| uns keine Rolle. Ausschlaggebend ist deren Freiheit. Der Busen soll von | |
| T-Shirts, Stereotypen und sonstigen Fesseln der patriarchalen Gesellschaft | |
| befreit werden. Wir haben Frauen aller Altersstufen und aller | |
| Konfektionsgrößen dabei. Und eigentlich bekommen wir häufiger zu hören, | |
| dass unsere Brüste unansehnlich klein sind. Darauf antworten wir dann | |
| immer, dass wir keine Wassermelonen verkaufen. | |
| Sie protestieren auch während der EM, haben versucht, den Pokal zu stehlen. | |
| Mögen Sie keinen Fußball? | |
| Wir haben nichts gegen Fußball, wir haben etwas gegen die Uefa, die | |
| Sextourismus und Prostitution fördert und die Fußballfans so manipuliert, | |
| dass diese ihnen maximale Gewinne einbringen. | |
| Haben Sie die Begegnung Ukraine gegen Schweden gesehen? | |
| Ja, natürlich! Wir verfolgen alle Spiele und Pressekonferenzen, weil sie | |
| für uns eine perfekte PR-Bühne liefern. | |
| Wollen Sie damit sagen, dass der Sieg der Ukraine Sie kalt gelassen hat? | |
| Uns hat es sehr betroffen gemacht, dass der ukrainische Patriotismus erst | |
| durch diesen Sieg zutage trat. Noch kurz davor war es ukrainischen Männern | |
| völlig schnurz, dass sich junge ukrainische Mädels westlichen Freiern | |
| anboten und dass ein Gesetz über die Einführung von Russisch als zweite | |
| Staatssprache angenommen wurde. Erst der Fußball ließ die Leute ukrainische | |
| Fahnen schwenken und lauthals „Ukraine“ grölen. Das tut richtig weh. | |
| Und ich bin mir sicher, dass nach Abpfiff des letzten Spiels die Fahnen | |
| ganz schnell von den Autos verschwinden. Genauso schnell wird das Land | |
| wieder in Gesetzlosigkeit und Schweigen versinken. | |
| Auch ein Spieler wie Andrij Schewtschenko kann Sie nicht begeistern? | |
| Wir haben eigene Schewtschenkos. Inna und Sascha Schewtschenko, | |
| Aktivistinnen der ersten Stunde, sind Symbole einer neuen modernen Ukraine. | |
| Und wir werden beweisen, dass unsere Schewtschenkas tausendmal schärfer | |
| sind, als ein Typ, der dem Ball hinterherhetzt. | |
| Was ist Ihre Bilanz der ersten EM-Woche? | |
| Man braucht nur einen Blick auf die Fanmeile zu werfen, um zu verstehen, | |
| wie verheerend das alles ist. Überall in Kiew, wo sich Touristen aufhalten, | |
| wimmelt es von Prostituierten. Die anliegenden Bars sind absolut Sodom und | |
| Gomorrha. Es werden Flugblätter mit Bordelladressen verteilt. Die | |
| Sexindustrie boomt. | |
| Was wollen Sie mit Ihren provokativen Auftritten erreichen? | |
| Wir appellieren an die denkenden Bürger. Wir weisen darauf hin, dass die | |
| Ukraine kein Bordell für Wessis ist. Wir informieren Touristen darüber, | |
| dass Prostitution hierzulande verboten ist, dass das Risiko hoch ist, sich | |
| mit HIV anzustecken. Wir sagen den Männern, dass es unwürdig und kriminell | |
| ist, eine Frau zu kaufen. | |
| Ausländische Korrespondenten schwärmen von ukrainischen Schönheiten. Was | |
| ist mit dem ukrainischen Mann? Alkoholismus, eine Lebenserwartung um die | |
| 60. Sollte man ihn in die Rote Liste der aussterbenden Arten eintragen? | |
| Nein, wenn, dann sollte da die ukrainische Frau drauf. Sie erfährt | |
| Unterdrückung in allen Sphären des gesellschaftlichen Lebens und wird | |
| obendrein noch vom eigenen Mann erniedrigt und ausgenutzt. Sie ist | |
| diejenige, die am wenigsten geschützt ist. | |
| Wie werden Ihre Protestaktionen aufgenommen? | |
| Ziemlich aggressiv. Die ukrainische Gesellschaft ist sehr passiv, und | |
| jeglicher Aktivismus wird negativ gesehen, vor allem der von Frauen. Die | |
| größte Empörung lösten unsere Angriffe auf das Allerheiligste der Männer | |
| aus, den EM-Pokal, das Phallussymbol schlechthin. Noch nie haben wir so | |
| viele Drohungen erhalten wie danach. | |
| Es heißt, Sie hätten Autos und Wohnungen angeboten bekommen, damit Sie mit | |
| Ihren Aktionen aufhören. | |
| Das stimmt nicht. Wir waren niemals käuflich, selbst in Zeiten, in denen | |
| wir uns nur von Kefir und Brot ernährt haben. Jetzt geht es uns besser. Wir | |
| bekommen Spenden, auch anonyme, aus der ganzen Welt und verdienen durch den | |
| Verkauf von Souvenirs nicht schlecht. | |
| Was ist Ihr wichtigstes Ziel? | |
| Die Frau zu befreien. | |
| Was haben Sie noch vor während der EM? | |
| Das kann ich leider nicht verraten, weil es keine gewöhnlichen Proteste, | |
| sondern Sabotage und Provokationen sein werden. | |
| Wird der Präsident was damit zu tun haben? | |
| Wiktor Janukowitsch ist sehr geschickt darin, sich uns zu entziehen. Und er | |
| wird leider sehr streng überwacht. Bis jetzt ist es uns nicht gelungen, an | |
| seinen Körper heranzukommen. Aber wir arbeiten daran. | |
| 17 Jun 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Irina Serdyuk | |
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