# taz.de -- Fußball-EM und Katholizismus: Seelsorge für gestresste Fans | |
> Um ihre Botschaft zu verbreiten, macht die Kirche in Polen auch vor der | |
> EM nicht halt. Es gibt Messen in Fremdsprachen und den Appell, dem Bier | |
> zu entsagen. Amen! | |
Bild: Die katholische Kirche in Polen macht auch nicht vor der EM halt. | |
WARSCHAU taz | Dass Gott Fußballfan ist, steht für viele Gläubige außer | |
Frage. Nicht so klar ist, welche Mannschaft er anfeuert. Jeden Tag eine | |
andere? Oder feuert er insgeheim nur eine einzige an? Den Polen jedenfalls | |
drückte er bei den ersten beiden Spielen die Daumen. | |
Doch dann, leider, leider, ausgerechnet beim Spiel Polen–Tschechien, als es | |
um alles oder nichts für Polen ging, war er abgelenkt, und so verlor Polen. | |
Das allzu irdische Personal im Vatikan kostet ihn zurzeit einige Nerven. | |
Doch auch die katholische Kirche in Polen ist in EM-Laune, hat sie sich | |
doch auf das große Ereignis seit Jahren vorbereitet. Polens | |
Sportler-Seelsorge warf nun – pünktlich zum EM-Auftakt – nicht nur etliche | |
Fußballzeitschriften für gläubige Fans auf den Markt, sondern schaltete auf | |
ihrer Webseite auch Broschüren über christliche Fan-Kultur frei. Sie können | |
als PDF heruntergeladen oder auch im Klassensatz von Schulen bestellt | |
werden. Für aktive Sportler gibt es sogar ein eigenes Gebetsbuch. | |
In der Rubrik „Nachrichten“ findet der gläubige Fußballfreund Information… | |
wie „Im Spiel gegen Portugal zeigten die Deutschen nichts Großes, siegten | |
aber 1 zu 0“ oder – ein paar Tage später – „Gruppe B wurde nicht ohne … | |
die ’Todesgruppe‘ genannt. Davon konnten sich die holländischen | |
Vize-Weltmeister überzeugen, die in der Vorrunde ausschieden. Einen | |
Komplettsieg konnten hingegen die Deutschen auf ihrem Konto verbuchen.“ | |
## Keine religiösen Symbole | |
Anders als Polens katholische Bischöfe warfen sich Rabbiner und Imame | |
weniger intensiv in die Sport-Bresche. Doch als Anfang Mai im Warschauer | |
Nationalstadion eine „multireligiöse Gebetshalle“ eingeweiht wurde, waren | |
auch sie zur Stelle, begutachteten den 260 Quadratmeter großen Saal, der | |
sich auch für Hochzeitszeremonien eignet, und segneten ihn. | |
Religiöse Symbole sucht man hier vergeblich. Die für einen Gottesdienst | |
notwendigen Utensilien hebt jeder Priester, Imam oder Rabbiner in einem | |
eigenen Schrank auf. Stühle, Lesepult, Altar oder Teppiche können je nach | |
Wunsch ein- und wieder rausgeräumt werden. Allein das den Saal | |
durchflutende Licht gilt als gemeinsames Symbol aller Religionen. | |
Ebenfalls noch vor der EM sorgte Polens katholische Kirche mit einer | |
Nachwuchswerbung in Danzigs neuem Fußballstadion für Aufsehen. Zum Satz | |
„Schließ dich dem Kader an, der durch Gott berufen wurde“ posierten fünf | |
junge Männer in Soutane und Sportschuhen auf dem Rasen des Stadions. | |
Anfang Juni war es dann Kardinal Kazimierz Nycz höchstpersönlich, der vor | |
der Kirche der Heiligen Vorsehung in Warschau bei einem Massen-Torschießen | |
das erste Tor schoss. | |
## Alkoholverbot | |
Nicht übermäßig erfolgreich waren die Bischöfe allerdings mit ihrem Aufruf, | |
während der EM dem Bier zu entsagen. „Zeigen wir unseren Gästen aus aller | |
Welt, dass wir uns auch ohne Alkohol freuen und sportliche Wettkämpfe | |
erleben können“, appellierten sie an Polens Katholiken. „Die polnische | |
Fahne sowie die Nationalhymne sollten nicht als Werbemittel für Bier | |
missbraucht werden.“ | |
Doch wer heute die Straßen Warschaus entlanggeht, sieht sie überall in den | |
Fenstern hängen, die weiß-roten EM-Flaggen, die eine Brauerei ihren | |
Bierkästen beigefügt hatte. Über 70.000 Menschen klickten gar auf eine von | |
einer anderen Brauerei eingerichtete Internetseite und sangen – mal ernst, | |
mal heiter, mal laut, mal eher verschämt – die Nationalhymne „Noch ist | |
Polen nicht verloren“. | |
Doch Polens Pfarrer lassen sich von diesem Rückschlag nicht entmutigen und | |
halten auch Messen in den Sprachen aller teilnehmenden Mannschaften ab. | |
Sogar an jene Gläubige wurde gedacht, die das dringende Bedürfnis | |
verspüren, eine Beichte ablegen zu müssen, aber des Polnischen nicht | |
mächtig sind. Überall im ganzen Land wurden daher Priester mit | |
Fremdsprachenkenntnissen für die EM rekrutiert. | |
Vor oder in der St.-Bobola-Kirche im Warschauer Stadtteil Mokotow weist | |
allerdings weder ein EM-Maskottchen, ein Fußball oder eine Miniflagge | |
Frankreichs darauf hin, dass hier Messen in Französisch gehalten werden – | |
an jedem EM-Sonntag um 10.45 Uhr in der Gruft des heiligen Bobola. Auch | |
nicht sonderlich leicht zu finden sind die beiden Websites mit den | |
fremdsprachigen Hinweisen zu den Kirchen und Messen, aber für diejenigen, | |
die nicht mit benediktinischer Geduld ausgestattet sind, seien sie | |
[1][hier] | |
verraten.[2][//www.archidiecezja.warszawa.pl/homepage/%3fa%3d5959:http://ww | |
w.sport.episkopat.pl/euro/msze_i_nabozenstwa/++http://www.archidiecezja.war | |
szawa.pl/homepage/%3fa%3d5959] | |
20 Jun 2012 | |
## LINKS | |
[1] http://www.sport.episkopat.pl/euro/msze_i_nabozenstwa/ | |
[2] http://www.sport.episkopat.pl/euro/msze_i_nabozenstwa/++http | |
## AUTOREN | |
Gabriele Lesser | |
Gabriele Lesser | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
Tribüne | |
Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Taximafia in Warschau: Gesprächstherapie auf dem Rücksitz | |
Zu EM-Zeiten kann Taxi fahren in Polen teuer werden. Nicht lizenzierte | |
Fahrer fahren wegen einer Gesetzeslücke als Psychologen durch die Stadt. | |
An der deutsch-polnischen Grenze: Fliegende Stühle, wüste Flüche | |
Die großen EM-Stadien sind weit weg, die Niederlage der Polen geht vielen | |
trotzdem nah. Am Ende wird getanzt. Public Viewing in der Grenzstadt | |
Slubice. | |
Warum Polen ausgeschieden ist: Mehr ging nicht | |
Für die Polen verlief das Turnier genauso wie die Vorbereitung: Gute | |
Ansätze hier, haarsträubende Fehler dort. Nicht vollkommen schlecht | |
gespielt, aber auch nie geglänzt. | |
Polen ist raus: „…und nun gibt es kein Morgen“ | |
Die Hoffnung war groß, das Bangen ebenso. Aber die Polen fliegen gegen die | |
Tschechen. Auf der Fanmeile in Warschau fallen aber nur wenig böse Worte. | |
Polnischer Ex-Bundesligaspieler Lesniak: „Unser Land wird überall gelobt“ | |
Der frühere Bundesligaspieler Marek Lesniak hält die bisherige Organisation | |
der EM für geglückt. Und glaubt – klar – an einen Sieg Polens gegen | |
Deutschland. | |
Hooligans in Polen: „Jungs, die ihren Spaß haben wollen“ | |
Gegen Polens gewalttätige Fans vorzugehen, ist schwierig. Sie werden von | |
den Rechtsnationalen und der Staatsanwaltschaft geschützt. |