# taz.de -- Taximafia in Warschau: Gesprächstherapie auf dem Rücksitz | |
> Zu EM-Zeiten kann Taxi fahren in Polen teuer werden. Nicht lizenzierte | |
> Fahrer fahren wegen einer Gesetzeslücke als Psychologen durch die Stadt. | |
Bild: Denen können Sie vertrauen: Lizenz-Taxifahrer bei einem Streik kurz vor … | |
WARSCHAU taz | Sie lauern an Flughäfen und Bahnhöfen. „Taxi?“, fragen sie | |
freundlich und greifen auch schon zuvorkommend nach dem Gepäck. | |
„Parlez-vous français?“ oder „Sprechen Sie Deutsch?“ gehört ebenfalls… | |
den Begrüßungsfloskeln. | |
Der ahnungslose Ausländer fühlt sich fast wie zu Hause, steigt in das | |
bereitstehende Taxi und – zahlt am Ende der Fahrt eine gepfefferte | |
Rechnung. 50 bis 100 Euro sind keine Seltenheit. Dabei kostet die normale | |
Fahrt vom Flughafen ins Zentrum Warschaus gerade mal 10 bis 15 Euro, vom | |
Bahnhof zum Hotel nur selten mehr als 5 bis 10 Euro. Der freundliche Herr | |
war von der Taximafia. | |
Zwar hatten die Stadtverwaltungen in den Austragungsorten der Fußball-EM | |
versprochen, denjenigen Fahren das Handwerk zu legen, die ohne Lizenz und | |
Taxameter arbeiten, doch der Kampf gegen die Taximafia endete mit dem | |
kläglichen Eingeständnis des Scheiterns. | |
So hatten die Beamten die „Personenbeförderung“ zu tariffreien Preisen | |
verboten. Tatsächlich verschwanden die „Personenbeförderer“, die es | |
jahrelang neben den Taxis gegeben hatte, von den Straßen. Doch nun fahren | |
„psychologischen Praxen“ durch Warschau. Denn der Beruf des | |
Psychotherapeuten ist in Polen nicht geschützt. Also kutschieren nun die | |
Mafia-Taxifahrer oder „Psychologen“ den Gast nicht nur durch Warschau, | |
sondern halten auch noch – gegen einen „geringen Obolus“ versteht sich – | |
ein therapeutisches Schwätzchen mit ihm. Das kann zwar mangels | |
Sprachkenntnissen zum Teil etwas einsilbig ausfallen, aber auch Schweigen | |
soll ja eine gute Therapie sein. | |
## Wie man ein echtes Taxi findet | |
Wem der Sinn gerade nicht nach „psychologischer Betreuung“ steht, kann nach | |
der Ankunft am Flughafen zum Abflugterminal fahren und dort am Ausgang | |
eines der lizenzierten Taxis abfangen, das gerade einen Passagier gebracht | |
hat. Fahrer, die für eine offizielle Taxifirma arbeiten, haben eine Lizenz, | |
die für den Passagier gut sichtbar an der Windschutzscheibe angebracht ist. | |
Zudem sind auf dem Dach des Wagens schon von weitem Logo und Telefonnummer | |
der Taxifirma zu sehen. Doch auch hier waren die „Psychologen“ | |
einfallsreich. Auf den Dächern ihrer „Praxen“ leuchten zumeist englische | |
oder französische Lockworte, die ganz offensichtlich ihre Wirkung auf | |
ahnungslose Ausländer nicht verfehlen. | |
Am sichersten ist es nach wie vor, ein Taxi per Telefon zu bestellen. Dabei | |
sollte man das Taxi nicht auf den eigenen Namen ordern, sondern auf einen | |
möglichst simplen wie „Nowak“, „Kowalski“ oder einen Vornamen. Der Fah… | |
erhält den Namen des Fahrgastes nämlich schriftlich aus der Zentrale. | |
„Müller“ kommt ohne Umlaut als „Muler“ an, so dass der Taxifahrer den | |
wartenden „Müller“ nicht als „Muler“ identifizieren kann und oft | |
unverrichteter Dinge wieder von dannen fährt. Ein „Psychologe“ hätte mit | |
dem „Müller-Muler“ kein Problem. | |
22 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Gabriele Lesser | |
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