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# taz.de -- Sparen an der TU Cottbus: Exzellente Abmagerungskur
> Weil die Viadrina in Frankfurt (Oder) Exzellenzuni werden wollte, muss
> die TU Cottbus mehr sparen. Jetzt bluten beide – vor allem aber die
> Mitarbeiter.
Bild: Cottbus unter Strom: Ein Blick in die Hochspannungshalle der Technischen …
COTTBUS taz | Die Wut und Unsicherheit dringt momentan aus jedem Winkel des
Geländes, sie beherrscht die grünen Wiesen, die Laborgebäude, die Mensa und
das angrenzende Studentenwohnheim.
Die Transparente, die den Campus der Brandenburgischen Technischen
Universität Cottbus regelrecht pflastern, formulieren es so: „We love BTU“,
„Ist das Kunst oder kann das weg?“ und „Kunstfehler“.
Grund für die Aufregung an der Technischen Uni Cottbus sind die Pläne der
brandenburgischen Wissenschaftsministerin Sabine Kunst, die Universität ab
2013 mit der Fachhochschule Lausitz in Senftenberg zu fusionieren.
Obwohl ein aktueller Evaluationsbericht den Erhalt beider Einrichtungen bei
stärkerer Kooperation empfiehlt, will Kunst den Wissenschaftsstandort
Cottbus zu einer „Energieuniversität Lausitz“ umbauen. „Das ist ein
Experiment ohne Vorbild und das Versuchsobjekt ist unsere Zukunft“, sagt
Christian Mewes, Maschinenbaustudent und Mitglied des
Studierendenparlaments der TU.
## Drittmittel über alles
In Brandenburg spiegelt sich momentan im Kleinen, was bundesweiter Trend
ist. Alles, was zählt, sind Drittmittel – Fördergelder, die Universitäten
für ihre Forschungsaktivitäten einwerben – und prestigeträchtige Projekte
wie die Bewerbung der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) für
die Exzellenzinitiative. Die Viadrina wollte Exzellenzcluster werden –
bekam aber vergangene Woche den Zuschlag von 35 Millionen Euro
Fördermitteln nicht.
Kurz vor der Pleite der Frankfurter Uni erschien der Bericht der
sogenannten Hochschulstrukturkommission, der empfiehlt, die Universität
Frankfurt (Oder) weitestgehend zu schonen – trotz Mängeln. Die
Expertengruppe um den ehemaligen Staatssekretär im Wissenschaftsministerium
Friedrich Buttler schreibt dafür in dem Gutachten für die Landesregierung,
„dass in der Lausitz angesichts der erwarteten Entwicklungen Spielräume für
Kapazitätsreduktionen entstehen. Diese sollten zunächst im Rahmen einer
Gesamtstrategie für Stärkungen an anderen Hochschulstandorten genutzt
werden.“
## Schließung von Hochschulen als Folge
Die Landesmittel für die Hochschulen fallen in Brandenburg schon für das
laufende und die kommenden zwei Jahre um jeweils 12 Millionen Euro geringer
aus. Momentan werden sie nur durch überdurchschnittliche Bundeszuschüsse
über den Hochschulpakt ausgeglichen. Gleichzeitig hat der
Landesfinanzminister kürzlich angekündigt, dass bis 2015 rund 105 Stellen
an Hochschulen eingespart werden müssen, bis 2018 stehen sogar 328 Stellen
weniger in der Planung.
Die Kommission um Buttler kritisiert das: „Eine derart massive Absenkung
der Stellen würde unweigerlich die Schließung von Hochschulen zur Folge
haben müssen“, schreibt sie. Die Kommission sieht sogar die Gefahr, „dass
die Studienplatzkapazitäten mittelfristig nicht mehr in der erforderlichen
Qualität aufrechterhalten werden können“. Das bedeutet einen klaren Bruch
der Vereinbarungen mit dem Bund – der die Ostländer unter der Bedingung
fördert, keine Studienplätze abzubauen.
Die Präferenzen des Ministeriums für Einsparungen sind bereits erkennbar –
durch die Fusion zum Beispiel. Nur bis 2014 habe das Ministerium den
Hochschulen in Cottbus und Senftenberg Budgetsicherheit garantiert. „Es ist
absehbar, dass hinter den aktuellen Fusionsplänen Absichten stehen, ab 2015
Stellen und Mittel für die BTU einzusparen“, sagt Fred Albrecht, Experte
für Hochschule und Wissenschaft der GEW Brandenburg.
## Interne Doppelstrukturen
Die Universität Cottbus kooperiert bisher eher eingeschränkt mit der FH
Lausitz. Die BTU leistet sich aber auch intern einige unlogische Strukturen
– mehrere Institute mit dem Schwerpunkt Energie etwa sind an verschiedenen
Fakultäten angesiedelt. Als 2009 die Evaluationskommission zu Besuch kam,
wurde die Universität aktiv. „Seitdem haben wir uns aber weiterentwickelt.
Das wird bei der gegenwärtigen Beurteilung der BTU leider völlig außer Acht
gelassen“, sagt Uni-Präsident Walther Zimmerli.
Die Leitung der Fachhochschule Lausitz befürwortet die Fusion mit der
Technischen Universität. Ganz anders Cottbus. Dort stemmen sich
Studierende, Mittelbau sowie Professoren mit aller Kraft gegen die
Verschmelzung mit der Fachhochschule. Sie können nicht nachvollziehen,
warum „zwei gut eingeführte Hochschulen“ geschlossen werden sollen. „Es …
mehr als fraglich, ob eine Vermischung beider Profile auch nur annähernd
gleich gute Ergebnisse erbringt und damit den Anforderungen der regionalen
Partner genügt“, sagt Zimmerli.
## Auswirkungen sind schon zu spüren
Christian Mewes, der auch Vorsitzender der Brandenburgischen
Studierendenvertretung ist, befürchtet, „dass in den kommenden Jahren die
gesamte Hochschullandschaft in Brandenburg einen unglaublichen
Zentralisierungsprozess erfahren wird“. Wissenschaftsministerin Kunst will
noch nicht sagen, ob sie den Empfehlungen der Hochschulkommission folgen
wird. Das Finanzministerium denkt indes bis zum Jahr 2018 voraus. Die
Auswirkungen spüren die Beschäftigten an der BTU schon jetzt – selbst an
renommierten Lehrstühlen, wie etwa dem für Antriebstechnik.
Momentan profitiert der Lehrstuhl enorm davon, dass der Autohersteller
Rolls-Royce eines seiner wenigen universitären Kooperationsprojekte in
Deutschland in Cottbus angesiedelt hat. „Eine Zusammenlegung der
Einrichtungen würde die Attraktivität für forschungsorientierte Studenten
an der neu gegründeten Hochschule voraussichtlich reduzieren“, schreibt das
Unternehmen auf die Frage nach seiner Meinung zu den Fusionsplänen.
„Unsere Bedürfnisse bei der Zusammenarbeit mit der BTU liegen vor allem im
Bereich der Forschung. Wenn diese nicht erfüllt werden, kann das unter
Umständen auch bedeuten, dass wir einzelne Kooperationen beenden.“
Der Lehrstuhl für Aerodynamik des Wissenschaftlers Christoph Egbers ist
ebenfalls so etwas wie ein Leuchtturm in der Lausitz. Egbers hat ihn
innerhalb von zwölf Jahren an der jungen Universität aufgebaut,
mittlerweile zählt Cottbus in Sachen Aerodynamik und Strömungslehre zu den
Top Ten in Deutschland. Eine Triebkraft ist nicht zuletzt das international
beachtete Projekt GeoFlow.
## Keine Planungssicherheit
In Kooperation mit weiteren Wissenschaftlern versucht Egbers im
europäischen Forschungslabor Columbus auf der Internationalen Raumstation
ISS seit 2008, Strömungen im Erdinneren mit Experimenten zu simulieren, um
die physikalischen Zusammenhänge etwa von Magmaströmungen besser
verständlich zu machen. Birgit Futterer hat GeoFlow mit aufgebaut, die
wissenschaftliche Mitarbeiterin ist seit 2002 an der BTU und noch immer
befristet angestellt – ungeachtet ihrer zentralen Rolle in dem
Prestigeprojekt.
Pro Professor sehen die Landesmittel an der BTU ein bis zwei
Personalstellen für den Mittelbau vor – Egbers hat 20 Mitarbeiter über
projektbezogene Drittmittel ans Institut geholt. „Derartig befristete
Arbeitsbedingungen sind eigentlich untragbar für eine wissenschaftliche
Mitarbeiterin, ich habe keine Planungssicherheit“, sagt Futterer.
Doch die 35-Jährige weiß, dass der Lehrstuhl keine andere Wahl hat und sie
kein Einzelfall ist. „Auf wissenschaftlichen Meetings sprechen wir heute
manchmal mehr über die Projektförderung, über die man jeweils gerade
finanziert wird, als über unsere Forschung“, sagt Futterer.
Mit Kollegen von anderen Universitäten und außeruniversitären Einrichtungen
sprechen Futterer und andere Mitarbeiter des Lehrstuhls auch öfter über
gemeinsame Verbundanträge, etwa für Fördergelder der Deutschen
Forschungsgemeinschaft. Momentan laute die Antwort früherer Partner jedoch
häufig: „Lassen Sie uns lieber Einzelanträge stellen – Sie wissen ja noch
nicht so genau, wie das bei Ihnen in Cottbus weitergeht“, erzählt Futterer.
## Fusion zweiter Klasse
Bei einer Zusammenlegung mit der Fachhochschule könne man Anträge auf
Drittmittel endgültig vergessen, da alle Lehrstühle der BTU strukturell
ausgebremst würden. Selbst wenn das Ministerium die Personalmittel ab 2015
nicht kürze – „viele wissenschaftliche Mitarbeiter werden dann automatisch
gehen müssen, weil die BTU die harte Konkurrenz um Drittmittel nicht mehr
bestehen wird, durch die sie momentan getragen sind“.
Natürlich will das brandenburgische Wissenschaftsministerium durch den
Schwerpunkt Energie eine Profilierung für die neue Universität erreichen
und dadurch gerade mehr statt weniger Fördergelder hereinholen. Torsten
Bultmann vom Bund demokratischer Wissenschaftler hält dies für gefährlich:
Er fordert, die Drittmittel, die ohnehin zum Großteil aus öffentlichen
Mitteln stammten, wieder in die Grundfinanzierung der Universitäten zu
geben. „Der Wettbewerb ist politisch gewollt und geht zuungunsten kleiner
Universitäten und vor allem der Lehre“, sagt Bultmann.
Es ist nicht zuletzt die Lernatmosphäre an der TU Cottbus mit ihren 6.700
Studierenden, die den Maschinenbaustudenten Christian Mewes und seine
KommilitonInnen angelockt hat. Bei der Campusuniversität liegt alles nah
beieinander und die Betreuung ist gut.
Mit zwei Standorten und einem Mix aus zwei Lehrkörpern könne das
eingespielte System auseinanderbrechen, fürchtet Mewes. Doch er hat die
Hoffnung noch nicht aufgegeben, ihre Unterschriftenaktion für ein
Volksbegehren gegen die Fusion läuft bisher gut. „Man kann nicht so einfach
zusammenstecken, was absolut nicht zusammen gehört“, sagt er selbstbewusst
und strafft die Brust unter dem Protestshirt: „We love BTU“.
20 Jun 2012
## AUTOREN
Karen Grass
## TAGS
Universität
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