# taz.de -- Rio+20-Gipfel: Der Beschluss, nichts zu beschließen | |
> Die Rio+20-Abschlusserklärung des Weltumweltgipfels nennt kaum Ziele. | |
> Umweltorganisationen kritisieren: Schlimmer hätte es nicht kommen können. | |
Bild: Damiao Paridzane spricht auf einer Greenpeace-Veranstaltung, die Indigene… | |
BERLIN taz | Das UN-Kinderhilfswerk Unicef warnt vor einer | |
Hungerkatastrophe in der Sahelzone in Afrika. Die Klimaforscher des PIK in | |
Potsdam verkünden, der Meeresspiegel steige höher als gedacht. Und auch in | |
der Abschlusserklärung für den UN-Nachhaltigkeitsgipfel in Rio de Janeiro | |
heißt es, es müsse „dringend gehandelt werden“. | |
Doch wer wann und wie handeln soll, steht nicht in dem 49-seitigen | |
Dokument, das bereits kurz bevor am Mittwoch die Regierungschefs und | |
Minister aus der ganzen Welt in Rio eintrafen, fertiggestellt wurde. | |
„Die Zukunft, die wir wollen“, ist das Papier, das die brasilianischen | |
Gastgeber mit den Delegationen abgestimmt haben, betitelt. Doch der Inhalt | |
bleibt vage. Von einem Aufbruch, wie ihn vor 20 Jahren die Konferenz am | |
gleichen Ort darstellte, ist nichts zu spüren. | |
Umwelt- und Entwicklungsgruppen sind doppelt enttäuscht: Über das schwache | |
Papier – und darüber, dass von den Regierungschefs keine weiteren Zusagen | |
zu erwarten sind. | |
„Der Gipfel scheitert noch vor dem Start“, kritisiert Greenpeace, das | |
Papier sei eine „Charta der Verschmutzer, die den Planeten kochen, die | |
Ozeane leer fischen und den Regenwald ruinieren“. Für Hubert Weiger, Chef | |
des deutschen BUND, wäre „ein schlechteres Ergebnis in Rio nicht möglich“. | |
„Die Zukunft, die wir wollen“ enthält kaum substanzielle Verpflichtungen | |
oder handfeste Ziele. Oberstes Gebot bleibt die Bekämpfung der Armut durch | |
„nachhaltige Entwicklung“. | |
Die Konferenz erinnert an all die alten Beschlüsse zu Umwelt und | |
Entwicklung, an Menschenrechte, Entwicklungsziele und Zivilgesellschaft. | |
Wie die „grüne Wirtschaft“, das Hauptthema von Rio+20, umgesetzt wird, soll | |
aber jedes Land selbst entscheiden. | |
Fortschritte gibt es nur wenige: Das UN-Umweltprogramm Unep soll in Zukunft | |
finanziell gesichert und von allen Staaten getragen werden. CSD, die | |
zahnlose UN-Komission für nachhaltige Entwicklung, wird durch ein „hoch | |
profiliertes politisches Gremium“ abgelöst, Fortschritt soll nicht mehr nur | |
an der Wirtschaftsleistung gemessen werden. | |
Bis 2015 soll eine Arbeitsgruppe der UN-Vollversammlung weltweit | |
verbindliche „Ziele für die nachhaltige Entwicklung“ (SDG) entwerfen. | |
## Keine bindenden Zielvorgaben | |
Die Staaten wiederholen ihre Absicht, die globale Erwärmung auf 1,5 bis 2 | |
Grad Celsius zu begrenzen und den Verlust der Artenvielfalt zu stoppen. | |
Doch dafür gibt es weder bindende Ziele noch einen Zeitrahmen. | |
Die Überfischung der Meere wird beklagt, aber nur daran erinnert, dass die | |
Fischereiflotten verkleinert werden sollen. Die Bedeutung der Wälder wird | |
hervorgehoben, aber Abkommen zum Waldschutz sollen ausdrücklich „nicht | |
rechtlich bindend“ sein. „Nachhaltige Energie für alle“ fordert die UN, | |
aber über die Streichung von Subventionen für Öl und Kohle wollen die | |
Staaten nur „nachdenken“. Und neue Finanzhilfen für die Armen verspricht | |
mitten in der Krise ohnehin niemand. | |
## Weiches Konsenspapier | |
Die Rio-Erklärung 2012 zeigt für viele Beobachter den Schock von Kopenhagen | |
2009: Anders als bei der gescheiterten Klimakonferenz in Dänemark wollen | |
die Staatschefs nicht noch einmal im Streit auseinandergehen. | |
Deshalb wurde ein weiches Konsenspapier abgestimmt, ehe die Chefs kommen. | |
Viele Insider glauben, US-Präsident Obama und Kanzlerin Merkel hätten | |
abgesagt, weil in Rio ohnehin kein Erfolg zu erwarten war. | |
Für die Entwicklungs-NGO Germanwatch etwa zeigt sich, dass die | |
Staatengemeinschaft bei diesem Thema nicht handlungsfähig ist. | |
Die Wahrscheinlichkeit, dass das Papier verbessert wird, ist gering. | |
Immerhin hat es jemand geschafft, ein bisschen schlechtes Gewissen in | |
Abschnitt 20 zu schummeln: „Es ist zentral“, heißt es da, „dass wir nicht | |
hinter unsere Verpflichtungen vom Rio-Gipfel 1992 zurückfallen.“ | |
20 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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