# taz.de -- Zufriedene Stimmen nach Umweltgipfel: Besser als der Ruf | |
> Nach dem Ende des Gipfels Rio+20 gibt es auch positive Stimmen: Die | |
> Rechte der indigenen Völker haben endlich Gehör gefunden, heißt es von | |
> Teilnehmern. | |
Bild: Echte Ergebnisse: Gipfelteilnehmer haben nicht nur Souvenirs mitgenommen. | |
RIO DE JANEIRO taz | René Orellana ist hochzufrieden mit dem Rio+20-Gipfel, | |
der am Freitag am Zuckerhut zu Ende gegangen ist. Der 43-jährige Soziologe | |
aus Cochabamba, vor Jahren noch Wasseraktivist und anschließend Evo Morales | |
erster Umweltminister, hat in den letzten Monaten für Bolivien die | |
Verhandlungen um die heftig kritisierte Abschlusserklärung von Rio geführt. | |
„Klar fehlen konkrete Schritte und bindende Verpflichtungen“, sagte | |
Orellana am Samstag der taz, „doch die Erklärung ist besser als ihr Ruf“. | |
So seien die „Rechte der Mutter Erde“ und die der indigenen Völker gestär… | |
worden, „und anders als auf der Klimakonferenz von Cancun 2010 stand | |
Bolivien nicht mehr allein da, sondern hat seine Positionen in der Gruppe | |
der 77 durchgesetzt“. | |
Rio+20 sei der Ausgangspunkt für konkrete Schritte, meint der Bolivianer | |
unisono mit Brasiliens Klimadiplomaten, die sich mit ihrer Strategie des | |
kleinsten gemeinsamen Nenners auf der ganzen Linie durchgesetzt haben. Die | |
Gastgeberin, die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff, sprach am | |
Freitag von einem „großen Sieg“. | |
Besonders freut sich Orellana darüber, dass der Green Economy in dem | |
Abschlussdokument die Zähne gezogen wurden: „Von Emissionshandel oder REDD | |
ist nicht die Rede“. REDD oder REDD+ ist die Abkürzung für den Ansatz | |
„Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation“, den | |
Weltbank, westliche Regierungen und große Umweltorganisationen wie der WWF | |
oder Nature Conservancy für Tropenwaldgebiete propagieren. Von den meisten | |
WaldaktivistInnen Lateinamerikas wird er als Ablasshandel und „falsche | |
Lösung“ abgelehnt. | |
## Korruption und Entmündigung | |
Auf dem „Völkergipfel“ schilderten sie gleich reihenweise, wie Waldbewohner | |
von korrupten Regierungsfunktionären und internationalen Geldgebern über | |
den Tisch gezogen werden. „Wir werden entmündigt“, beklagte sich etwa der | |
Indígena Dercy Teles aus dem westbrasilianischen Bundesstaat Acre, „gegen | |
monatliche Bezahlung für diese Umweltdienstleistungen sollen wir nur noch | |
in der Ecke stehen, wir dürfen nicht mehr fischen, jagen, Landbau für uns | |
selbst betreiben“. | |
Der Stillstand auf Regierungsebene habe den Vorschlägen aus der | |
„Zivilgesellschaft“ mehr Aufmerksamkeit verschafft, hoben viele | |
brasilianische Kommentatoren hervor. So trafen sich Bürgermeister von 81 | |
Großstädten aus aller Welt parallel zum Gipfel, einige von ihnen | |
verpflichteten sich auf Emissionsreduktionen. | |
Auf dem einwöchigen „Völkergipfel“ ging die Debatte um ein alternatives | |
Entwicklungsparadigma weiter. Das in den letzten Monaten von einer | |
internationalen Arbeitsgruppe erarbeitete Manifest „Eine andere Zukunft ist | |
möglich“ propagiert die Commons als „andere ökonomische, soziale und | |
kulturelle Logik“ jenseits der Markt-Staat-Dichotomie. | |
In der Abschlusserklärung des Völkergipfels, die UN-Generalsekretär Ban Ki | |
Moon am Freitag entgegennahm, liest sich das noch sehr nebulös: „Die | |
Verteidigung der Gemeingüter beinhaltet die Garantie einer ganzen Reihe von | |
Menschen- und Naturrechten sowie Solidarität und Respekt gegenüber | |
Glaubensrichtungen und Visionen der verschiedenen Gemeinschaften. Ein | |
Beispiel hierfür ist die Verteidigung des guten Lebens als Lebensform in | |
Harmonie mit der Natur.“ | |
Für eine breite Verankerung sei es noch zu früh, meint die | |
Allmende-Expertin Silke Helfrich aus Jena, die an dem inhaltlich viel | |
gehaltvolleren Zukunftsmanifest mitgeschrieben hat. „Immerhin sind die | |
Commons jetzt in aller Munde“, sagte sie nach dem Gipfel zufrieden, „was | |
das politisch bedeutet, wird in den kommenden Jahren auszubuchstabieren | |
sein“. | |
24 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Gerhard Dilger | |
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