# taz.de -- Kriegsfolgen in Bosnien und Herzegowina: Auf Minensuche in den Berg… | |
> Eigentlich wäre die Gegend um den See, den Wasserfall und die grünen | |
> Hügel bei Jajce ein ideales Urlaubsgebiet. Wenn da nicht die Minen wären. | |
Bild: Minenwarnung am Wegesrand. | |
JAJCE taz | Von der Anhöhe aus bietet der blaugrün schimmernde See und der | |
aus ihm quellende Wasserfall des Plivaflusses ein herrliches Bild. Mit der | |
nahegelegenen und von einer mittelalterlichen Burg beherrschten Stadt | |
Jajce, dem See, den bewaldeten Bergen und den hübsch verstreuten Dörfchen | |
mit ihren katholischen und orthodoxen Kirchen, den Moscheen sowie den | |
preiswerten Landgasthäusern wäre diese Gegend hier im Herzen Bosniens | |
eigentlich ein sehr attraktives Urlaubsgebiet. Wenn da nicht die Minen in | |
den Bergen wären. | |
Der ungeteerte Weg führt in Serpentinen den Berg hinauf zu den Minensuchern | |
von Jajce. Zerstörte und niedergebrannte Weiler und Bauernhöfe zeugen vom | |
Krieg im Jahr 1992, als hier in den Bergen kroatische und muslimische | |
Truppen das Gebiet gegen die anstürmenden Serben verteidigten, die Schlacht | |
verloren und Jajce erst 1995 zurückeroberten. Bäume wachsen jetzt in den | |
Ruinen. | |
Bis heute weiß niemand genau, wo sich überall Minen befinden, denn | |
Minenpläne haben die damaligen Armeen nur rudimentär angelegt. Minensucher | |
warnen davor, die Straße zu verlassen. | |
Nach einer Kurve kommen Häuser in den Blick, in den Gärten wächst Gemüse | |
und die Obstbäume stehen in schönster Blütenpracht. Ich bin in dem aus | |
Weilern bestehenden Streudorf Vrbica angelangt. | |
## Gelbe Bänder und rote Warntafeln | |
Doch gelbe Bänder und rote Warntafeln mit dem Totenkopf umgrenzen die | |
Häuser in dem Dorf Vrbica. Ein Geländewagen blockiert die Weiterfahrt, | |
davor steht Branislav Tokmadzic. „Herzlich Willkommen, nennen Sie mich | |
Brane, ich bin von Handicap International und koordiniere die Arbeiten.“ | |
Etwas unterhalb der Straße auf einem Wiesenstück warten einige mit | |
Schutzhelmen und Westen gesicherte Männer. „Die dürfen jetzt nicht | |
weitermachen, denn wenn sich Fremde im Umkreis von 100 Metern vom Minenfeld | |
entfernt befinden, müssen sie mit ihrer Minensuche einhalten“, erklärt | |
Brane. | |
Kurz nach dem Krieg vor 16 Jahren fand man 12 Panzerminen auf dem Weg nach | |
hier oben, bedeutet er beiläufig. „Die wurden damals schon entschärft.“ | |
Doch um die Streu- und Personenminen kümmerte sich damals niemand. | |
## Nur ein Verletzter | |
Mato Crnoja ist der Beauftragte der Gemeinde Jajce für die Minensuche. | |
„Trotzdem kamen einige durch den Krieg vertriebene Bewohner nach Vrbica | |
zurück, sie säuberten ihren Garten selbst, fanden auch Minen. Aber sie | |
hatten Glück. | |
Nur ein alter Mann hat damals ein Bein verloren, sonst wurde niemand | |
verletzt, die Leute waren sehr vorsichtig.“ Heute seien aber mehr Bewohner | |
zurückgekehrt, auch in das Dorf weiter oberhalb, „einige Familien haben | |
Kinder, deshalb hat dieses Gebiet jetzt auch Priorität.“ Noch in diesem | |
Jahr sollen mehr als 25.000 Quadratmeter gesäubert werden. | |
Hinter einer Mauer stehend, können wir die 12 Minensucher bei ihrer Arbeit | |
beobachten. In Abständen von etwa 10 Metern bilden sie Quadrate. „Treffen | |
sie auf eine Mine, dann wird die entschärft und die Minensucher arbeiten | |
systematisch auch innerhalb der umliegenden Quadrate. Finden sie aber keine | |
Minen, dann gelten die nicht weiter untersuchten Quadrate als gesäubert“, | |
erklärt Brane. | |
## Eine Dauerjob | |
Der Minensucher Zoran Papoic sucht schon seit 16 Jahren Minen, vor allem in | |
Bosnien, aber die Arbeit hat ihn schon in den Irak und nach Afghanistan | |
geführt. | |
„Jeden Zentimeter eines Gebietes zu untersuchen käme zu teuer“, sagt der | |
drahtige 40-jährige Mann. Selbst wenn genaue Karten vorlägen, würden die | |
Minen durch Schnee, Regen und Bewegungen des Erdreichs ihre Lage verändern. | |
Die Männer hätten viel Erfahrung. Eine 100-prozentige Sicherheit könne es | |
aber nicht geben. „Wir müssen in Bosnien noch mindestens 30 Jahre Minen | |
suchen“, sagt Brane und die anderen nicken. | |
27 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Erich Rathfelder | |
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