# taz.de -- Bosnien und Herzegowina: EU beendet Polizeimission | |
> Nach neun Jahren zieht die EU ihre Polizisten aus Bosnien und Herzegowina | |
> ab. Zuletzt war nur Anleiten, Beobachten und Beraten angesagt. Stabil ist | |
> das Land noch nicht. | |
Bild: Am 1. Juli 2003 startete die EU-Polizeimission EUPM. | |
SARAJEVO taz | Im 14. Stock des Unitic-Geschäftsgebäudes in der bosnischen | |
Hauptstadt Sarajevo herrscht Abschiedsstimmung. Manche Schreibtische sind | |
schon seit einigen Tagen leergeräumt. Nach neuneinhalb Jahren machte die | |
European Union Police Mission (EUPM) am 1. Juli den Laden dicht. | |
Der 54-jährige Chef der Europäischen Polizeimission in Bosnien und | |
Herzegowina, Stefan Feller, ist ein Polizist mit langer Erfahrung auf dem | |
Balkan, er war im Kosovo im Einsatz und hat die Mission in Bosnien seit | |
2008 geführt. | |
Doch von der Verfolgung von bosnischen Polizisten, die nach zuverlässigen | |
Aussagen der Opferverbände während des Krieges an den Verbrechen 1992–95 | |
beteiligt waren, will er nichts wissen. | |
Feller will die ihm vorgelegten Namen gar nicht sehen. „Unsere Mission hat | |
nichts mit der Verfolgung von Kriegsverbrechern zu tun, wir hatten als | |
Mission gar keine exekutiven Befugnisse“, sagt er. | |
## Anleiten, beraten, beobachten | |
Die Mission sei mit fast 400 Polizisten und Mitarbeitern aus EU-Staaten, | |
auch Drittstaaten und einheimischen Kräften bestückt gewesen. „Wir haben | |
die bosnischen Polizeikräfte und Justizbehören lediglich beraten und unser | |
Hauptaugenmerk auf die Bekämpfung der Korruption gelegt.“ Anleiten, | |
beobachten und beraten, das sei die Aufgabe der Mission gewesen. | |
Stefan Feller ist kein knallharter Polizist. Machogebärden liegen ihm | |
nicht. Er ist ein nachdenklicher und liberal eingestellter Mann, der nach | |
Ansicht seiner Untergebenen die Mission mit Umsicht und politischem | |
Fingerspitzengefühl geleitet hat. | |
Mit diesem Profil kam er in den vergangenen Jahren den politischen Vorgaben | |
Brüssels entgegen. Seit 2007 sollte die Mission nicht mehr Speerspitze für | |
die politische Reform Bosnien und Herzegowinas sein. | |
## Eingeschränktes Mandat | |
Die als Nachfolgerin der UN-Polizei im Januar 2003 gestartete | |
EU-Polizeimission hatte zwar von Beginn an ein eingeschränktes Mandat, doch | |
der damalige Hohe Repräsentant der internationalen Gemeinschaft, der Brite | |
Paddy Ashdown, wollte mit Hilfe der EUPM eine Polizeireform im Lande | |
durchsetzen, die den Interessen der nationalistischen Eliten | |
entgegengesetzt war. | |
So sollte im Lande eine unabhängige und multinationale Polizei aufgebaut | |
werden, die nicht mit nationalistischen Abgrenzungen belastet sein sollte. | |
Nicht einmal die Drohung, nur mit der Polizeireform könnte das | |
Assoziierungsverfahren mit der EU eingeleitet werden, schüchterte die | |
Nationalisten ein. | |
## EU-Polizei „entpolitisiert“ | |
Vor allem der Ministerpräsident des serbischen Teilstaates, Milorad Dodik, | |
blockierte alle Reformversuche. Und ihm gelang es sogar, die konfliktscheue | |
EU-Administration in Brüssel auf seine Seite zu ziehen. Mit der Ablösung | |
Ashdowns Anfang 2007 wurden die Aktivitäten der EU-Polizei | |
„entpolitisiert“. | |
Bosnien und Herzegowina gehört auch deshalb nach wie vor zu den | |
korruptesten Ländern in Europa. Und das Land ist politisch keineswegs | |
stabil. Die Radikalisierung der politischen Landschaft in Serbien bereitet | |
nicht nur Sicherheitsexperten aus der Nato Sorge. Feller ist dennoch mit | |
seiner Mission zufrieden. | |
Die Ausbildungsprogramme, die Hilfestellungen in Bezug auf Ausrüstung und | |
Modernisierung der Strukturen sowie die ständigen Kontakte vor Ort habe zur | |
Professionalisierung der Polizei im Lande beigetragen, erklärt er zum | |
Abschied. Die digitalisierten Akten sollen zudem in Brüssel gelagert und | |
nicht, wie damals von der UN-Polizei, größtenteils vernichtet werden. | |
1 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
Erich Rathfelder | |
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