# taz.de -- Griechenlands neuer Finanzminister: Erste Wahl, zweiter Mann | |
> Er kritisierte seine Landsleute genauso wie den IWF oder Kanzlerin | |
> Merkel: Der renommierte Wirtschaftsprofessor Yannis Stournaras wird | |
> Griechenlands neuer Finanzminister. | |
Bild: Der neue Hausherr im Athener Finanzministerium: Yannis Stournaras. | |
BERLIN taz | Griechenland hat einen neuen Finanzminister: Yannis | |
Stournaras. Seine Nominierung hat niemanden überrascht – nicht in Athen und | |
nicht im Ausland. Denn der 55-Jährige gehört zu den bekanntesten Ökonomen | |
Griechenlands. | |
Schon nach der Wahl am 17. Juni hatten alle Beobachter damit gerechnet, | |
dass Stournaras berufen wird. Stattdessen wurde es aber zunächst Vassilis | |
Rapanos – gerade weil er als nicht besonders durchsetzungsstark galt, wie | |
man in Athen munkelt. Wie auch immer: Am Freitag erlitt Rapanos einen | |
Ohnmachtsanfall, so dass er am Montag sein Amt aufgab. Nun ist es also doch | |
Stournaras. | |
Der Wirtschaftsprofessor in Athen hat eine wechselvolle Karriere hinter | |
sich. Unter anderem forschte er von 1978 bis 1986 in Oxford, beriet dann | |
bis zum Jahr 2000 abwechselnd das griechische Finanzministerium und die | |
griechische Nationalbank. | |
In diese Zeit fiel auch die Einführung des Euro. Für die sozialistische | |
Pasok-Regierung unter Kostas Simitis hat Stournaras die entscheidenden | |
Verhandlungen geführt. | |
## Keine Schummeleien | |
Der Ökonom wehrt sich daher vehement gegen den Eindruck, dass sich sein | |
Land durch Schummeleien den Euro erschlichen haben könnte. | |
Erst kürzlich startete Stournaras eine Pressekampagne – mit großen Artikeln | |
im britischen Guardian und in der Süddeutschen Zeitung. Zentrale Botschaft: | |
Es sei einfach „manifeste Unkenntnis“ zu behaupten, dass Griechenland seine | |
Daten gefälscht habe. | |
Zuletzt leitete Stournaras eines der führenden | |
Wirtschaftsforschungsinstitute in Griechenland – und war gern gefragter | |
Experte für Journalisten aus ganz Europa. Denn Stournaras kannte keine | |
Rücksichten. Er kritisierte seine Landsleute genauso wie den IWF oder | |
Kanzlerin Merkel. | |
## Konkurrenz fehlt | |
Einige seiner Kernaussagen: Das Vermögen des griechischen Staates muss | |
privatisiert werden. Nicht nur, um die Kredite zurückzuzahlen, sondern | |
damit endlich Konkurrenz entsteht. Denn Griechenland sei gar keine richtige | |
Marktwirtschaft. | |
„Überall regieren die Kartelle.“ Dagegen sei die Troika nicht entschieden | |
vorgegangen: „Die EU lässt zu, dass die griechischen Politiker | |
Klientelpolitik betreiben“, beklagte sich Stournaras kürzlich in einem | |
taz-Interview. | |
Nun kann er es als Finanzminister besser machen. Ein bisschen | |
Regierungserfahrung hat Stournaras schon: Im Übergangskabinett zwischen den | |
beiden Wahlen am 6. Mai und am 17. Juni war er Wirtschaftsminister. | |
26 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Ulrike Herrmann | |
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