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# taz.de -- „Pink Washing“ in Israel: Eine öde Chiffre
> Israel betreibe unlauteres Marketing – mithilfe von Schwulen und Lesben,
> so ein neuer Vorwurf. Denn Islamisten schätzten sexuell nur was
> heterosexuellen Traditionen diene.
Bild: Pinkes bei einer Straßenparade in Tel Aviv.
In den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts träumten homosexuelle
Aktivisten von paradiesischen Verhältnissen, die folgen sollten, seien erst
einmal Kapitalismus und Patriarchat abgeschafft, dargelegt schriftlich im
legendären „Tuntenstreit“ aus dem Jahre 1975.
Inzwischen hat sich nach langen bürgerrechtlichen Kämpfen herausgestellt,
dass nichtheterosexuelle Lebensweisen, und zwar im globalen Maßstab, nur
dort Rechte und Räume erobern konnten, wo astrein
kapitalistisch-rechtsstaatliche Verhältnisse herrschen.
Etwa auch in Israel. Es ist das einzige Land des Nahen Ostens, wo Lesben
und Schwule und Transmenschen – abgesehen von ultraorthodoxen Vierteln
Jerusalems – nicht nur unbehelligt, sondern auch sichtbar und selbstbewusst
leben können. Das allerdings passt in gar kein Erklärungsmuster vieler der
radikalen Linken aus dem queeren Spektrum.
Judith Butler und viele andere StichwortgeberInnen des queer-akademischen
Jetsets hatten schließlich raunend erklärt, dass einem oppositionellen,
queeren Ansatz Hamas und Hisbollah näher stünden als die zionistischen
Regierungen Israels.
Das war ohnehin schwer zu verkraften: Wie können einem Menschen, der als
Schwuler oder Lesbe interessiert ist, nicht vom Tode bedroht zu sein,
politische Strömungen nahe sein, die seines- und ihresgleichen nicht
dulden, ja häufig ermorden?
Jedenfalls lautet der neueste Politerklärschlager für die Kritik an Israel
so: Pink Washing! Damit ist keine Vollbuntwäsche von CSD-Textilien gemeint.
Vielmehr ist es eine giftende Kampfvokabel gegen Israel. Genauer gesagt:
Das israelische Außenministerium unterstützte vor Jahren das Marketing der
Stadt Tel Aviv, die in den USA und Europa für sich auf den touristischen
Märkten warb – auch mit Hinweis auf das prima schwullesbische Leben. Wer
schon mal dort war, weiß: An dieser Reklame stimmte alles, nichts muss als
irreführend moniert werden.
## Ein Solidaritätsnetz
Zutreffend war außerdem, worauf das Außenministerium in Jerusalem ebenfalls
hinwies, dass israelische LSBTI-Gruppen ein feinmaschiges Netz von
Solidaritäten zugunsten von palästinensischen Männern und Frauen aufgebaut
haben, die ihres nichtheterosexuellen Empfindens wegen in Gaza oder im
Westjordanland verfolgt werden. Die Kooperationen mit entsprechenden,
allerdings im Geheimen operierenden Gruppen in den palästinensischen
Gebieten ist eng – die materielle Basis für diese Hilfe geht durchweg von
Israel aus.
Das könnte einfach nur konstatiert werden: Israel – sicheres Terrain für
LSBTI-Leute, Palästina nicht (und die anderen arabischen Staaten ebenso
wenig). Aber das geht für natürlich nicht: Wie soll man das erklären, da
doch Israel als feindlich zu nehmen ist, als „failed state“ für das gute
linksradikale Gewissens?
Pink Washing, wie neulich auch beim Transgenialen CSD in Berlin,
funktioniert insofern als eine Variante von Verschwörungstheorie, in der
angedeutet wird, Israels Regierende hätten Lesben und Schwule nur deshalb
von Diskriminierung gegen sie entlastet, um im zionistischen Kampf
marketingmäßig besser dazustehen. Wahr ist jedoch: Alle Rechte der
nichtheterosexuellen Minderheit mussten gegen den heterosexuellen
Mainstream erstritten werden.
Als Kritik an Israel ist Pink Washing eine öde Chiffre für das, was nicht
zur Kenntnis genommen werden möchte: dass Islamisten wie jene der Hamas
oder der Hisbollah sexuell nur schätzen, was heterosexuellen Traditionen
dient. Für alles andere hat man nur Gewalt übrig – und sei es in Form
brennender Autoreifen, in deren Mitte man zur Abschreckung schwule Männer
steckt.
28 Jun 2012
## AUTOREN
Jan Feddersen
Jan Feddersen
## TAGS
Schwerpunkt Eurovision Song Contest
Homosexualität
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