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# taz.de -- Atomkritiker klagt Doktortitel ein: Gestatten, Dr. Holger Strohm
> Die Bremer Universität muss Holger Strohm, Atomkraftkritiker der ersten
> Stunde, den Doktortitel verleihen. Er hat dafür sechs Jahre gekämpft –
> mit einer Klage.
Bild: Darf sich nun endlich „Doktor“ nennen: Holger Strohm.
BREMEN taz | Die Bremer Uni hat Holger Strohm diese Woche mitgeteilt, dass
sein Promotionsverfahren seit Frühjahr 2007 erfolgreich abgeschlossen ist.
Dazu hat das Bremer Verwaltungsgericht die frischgebackene Elite-Uni
verurteilt (Az. 6 K 321 /09). Die Urkunde werde ausgestellt, sobald die
Publikation seiner Dissertation über Lehrergewalt sichergestellt ist, heißt
es im Schreiben an Strohm weiter. Erst danach dürfe er sich Doktor nennen.
Damit kehrt das abnorme Promotionsverfahren nach jahrelangem Streit zur
akademischen Ordnung zurück. „Ich habe denen die Bestätigung vom Verlag
bereits zugeschickt“, so Strohm am Donnerstag zur taz. Strohm ist eine
Figur der Zeitgeschichte.
Anfang der 1970er sorgt er dafür, dass der Umweltschutz öffentliche
Aufmerksamkeit bekommt – als Publizist und als Netzwerker, der es versteht,
Politiker wie den kanadischen Premier Pierre Trudeau oder den schwedischen
Ministerpräsidenten Olof Palme für sein Anliegen zu gewinnen. Auch Mao
Zedong war ihm zugetan.
Strohms Hauptwerk „Friedlich in die Katastrophe“ verhilft der
Anti-Atomkraft-Kritik seit 1971 zu einem seriösen Fundament. In seiner
Synthese von Umwelt- und Friedensbewegung liefert er zudem die Raison
d’être der Grünen. Strohm sieht sich fortan als einer, den
Energie-Industrie und Behörden versuchen zu stoppen. Berufsverbote werden
ihm auferlegt. Zugleich entwickelt er ein enormes Faible für
Verschwörungstheorien. Zensur vermutet er überall. Die Vorgänge um seine
Dissertation schienen ihm lange auf irritierende Weise recht zu geben.
Strohm lebt in Mölln und Portugal, verwurzelt ist er in Hamburg. Dort hat
er studiert, dort wirkte er Ende der 1990er mit unklarem Status am
Lehrstuhl für Erziehungswissenschaften von Professor Peter Struck mit. Der
wollte Strohms Arbeit nicht betreuen, aber die Dissertation auch nicht
verhindern.
## Viel Schaum vorm Mund
Darum fährt er mit ihm 2002 nach Bremen – wo er sie dem Pädagogikprofessor
Johannes Beck unterjubelt, der damals kurz vor der Emeritierung steht. Beck
gehört zu den Gründungsprofessoren der Bremer Universität: Seine Pädagogik
übt scharfe Kritik an der Institution Schule. Zweimal bringen Beck und sein
Gutachter-Kollege Bodo Vogt den Promovenden Strohm dazu, seinen mit viel
Schaum vorm Mund und wenig systematischer Klarheit verfassten Essay über
„Lehrergewalt und strukturelle Gewalt an Schulen“ komplett zu überarbeiten.
Er erlebt das als bedenkliche Eingriffe in seine Meinungsfreiheit.
Nach vier Jahren liegt aber eine Textfassung vor, die beide Hochschullehrer
für vertretbar halten. Sie bewerten sie mit „cum laude“. Der
Promotionsausschuss genehmigt das im Sommer 2006 einstimmig. Das Kolloquium
bestätigt die Note. Nur dann grätscht ein – 2011 verstorbener – empirisch…
Psychologe dazwischen. Er ist neu in den Promotionsausschuss gekommen und
hat sich via Google Einblick in Strohms Weltbild verschafft.
Das versetzt ihn in Angst. Er sieht den Ruf der Uni in Gefahr. Die
AusschusskollegInnen überzeugt er, das Verfahren zu hintertreiben – zu
einem Zeitpunkt, als es, wie das Gericht jetzt festgestellt hat, bereits
erfolgreich abgeschlossen ist. Tatsächlich verweigern sie daraufhin die
Entscheidung und setzen sich, eigentlich nur für die Form des Verfahrens
zuständig, über die Wertung der von ihnen berufenen Experten-Kommission
hinweg – „in rechtswidriger Weise“, so das Verwaltungsgericht. Auch für
eine von der Uni-Rechtsabteilung als Notanker ins Spiel gebrachte
vermeintliche Befangenheit der Gutachter gibt es laut Gericht „keine
Anhaltspunkte“.
28 Jun 2012
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
## TAGS
Anti-AKW-Proteste
Grüne
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verleihen.
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Titel vorenthalten.
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