# taz.de -- Mario Balotelli: Ich, ich, ich! | |
> Wenn Mario Balotelli einen schlechten Tag hat, spielt Italien quasi zu | |
> zehnt, wenn er einen guten Tag hat, zu zwölft. Gegen Deutschland | |
> erwischte er einen sehr guten Tag. | |
Bild: Der zwölfte Mann: Mario Balotelli und sein Arbeitsgerät. | |
WARSCHAU taz | Nach seinem Treffer zum 2:0 stellte er sich in Positur, zog | |
sich sein Trikot vom Leib, spannte jede Faser seines Körpers an. Seht her, | |
schien er zu sagen, ich Mario Balotelli, enfant terrible und | |
Fußballkrieger, habe es möglich gemacht. Ich, ich, ich! Hättet ihr das | |
erwartet? | |
Man möchte ihm antworten: Nein. Denn noch im Viertelfinale hatte Balotelli | |
derart phlegmatisch vorm Tor herumgelungert, dass ernsthafte Zweifel an | |
seiner Eignung als Stürmer aufkamen. Und dann war da noch diese Szene aus | |
dem ersten Gruppenspiel: Balotelli geht allein aufs Tor von Iker Casillas | |
zu, nein, er schlendert, er spaziert mit dem Ball. Es kommt, wie es kommen | |
muss: Der Spaziergänger wird von einem Spanier abgekocht. Mein Gott, Mario! | |
Im Halbfinale gegen Deutschland aber wachte Balotelli auf, entdeckte seine | |
Physis und Schnelligkeit wieder und erzielte beim 2:1 beide italienischen | |
Tore. Bei ihm ist Fußball ohnehin nur eine Frage der Motivation: Will er, | |
oder will er nicht? Schmollt er gerade wieder, oder begreift er sich als | |
nützlichen Teil der Mannschaft? | |
Bei ihm weiß man nie, was einen erwartet. Ein italienischer Kollege vom | |
Fernsehsender Rai hat das auf den Punkt gebracht: An guten Tagen spielt die | |
Squadra Azzurra mit Balotelli zu zwölft, an schlechten zu zehnt. Gegen | |
Deutschland erwischte Balotelli eindeutig einen guten Tag. Zwölf Italiener | |
gegen elf Deutsche. | |
## Herbergsvater Prandelli als Bändiger | |
Der italienische Trainer Cesare Prandelli muss ihn im Lauf des Turniers | |
irgendwie in den Griff bekommen haben – „mit Kommunikation“, wie er vorga… | |
Anfangs noch Außenseiter im Team, hat Balotelli sich hineingespielt. „Er | |
hat sich für die Mannschaft aufgeopfert“, hat sein Trainer gesagt, „wir | |
wissen, was wir an ihm haben.“ Der Herbergsvater Prandelli hat den schwer | |
Erziehbaren bekehrt. | |
Prandellis italienischer Kollege Roberto Mancini, Trainer bei Manchester | |
City, schien in der vergangenen Saison an Balotelli zu verzweifeln. Als | |
dieser wieder einmal wegen einer Unbeherrschtheit vom Platz geflogen war, | |
war Mancinis Geduld am Ende. Balotelli werde nie wieder für City auflaufen, | |
kündigte Mancini an, obendrein wolle man ihn nach der Saison verkaufen. | |
Bloß weg mit dem launischen, ungebärdigen Kerl! | |
Doch Mancini besann sich und setzte Balotelli im letzten und entscheidenden | |
Spiel der Premier League wieder ein. Es ging um die Meisterschaft. City lag | |
gegen die Queens Park Rangers zurück. Balotelli wurde eingewechselt, und | |
City drehte das Spiel. Es war eines der denkwürdigsten Partien, die das | |
Publikum der Premier League je gesehen hatte. Und Balotelli war dabei. Das | |
konnte kein Zufall sein. | |
Jetzt schwingt sich Balotelli dazu auf, im EM-Finale die bestimmende Figur | |
zu werden. Und die Chancen, dass Italien gegen Spanien gewinnt, stehen gar | |
nicht so schlecht. | |
## Altmodisch ist ihm egal | |
Das bessere Mittelfeld haben sie schon mal mit [1][Andrea Pirlo,] Riccardo | |
Montolivo, Daniele de Rossi und Claudio Marchisio. Sie sind es, die | |
Balotelli so genial in Szene setzen, teilweise mit langen Pässen über die | |
Abwehr hinweg. Im Tikitaka-Spanien würde das als altmodisch gelten. | |
Balotelli aber kann das wurscht sein. Er nimmt, was kommt. Er ist der | |
klassische Stoßstürmer, ein Kanten von einem Mann. | |
Er war schon immer etwas Besonderes. Balotelli, der in Palermo als Sohn | |
ghanaischer Einwanderer zur Welt kam, war der jüngste Spieler, der jemals | |
in der Serie C, der dritten italienischen Liga, spielen durfte. Bei seinem | |
ersten Spiel für den lombardischen Club AC Lumezzane war noch keine 16 | |
Jahre alt. Mit 16 wechselte er zu Inter Mailand, wo er es bald in die erste | |
Elf schaffte. | |
Sein Talent ist so groß wie seine Selbstgewissheit. „Aber wenn er auch nur | |
50 Prozent Einsatz im Training zeigen würde, wäre er zweifellos einer der | |
besten Stürmer der Welt“, hat José Mourinho einmal gesagt. „Das Problem | |
aber ist: Er ist noch nicht einmal bei 25 Prozent.“ | |
Seine mentalen Dysbalancen verstärkten sich noch, als er in der Liga | |
mehrfach rassistisch beschimpft wurde. „Es gibt keine italienischen Neger“, | |
riefen die Tifosi. Balotelli flüchtete nach England, immer noch auf der | |
Suche nach sich selbst. Donnerstagnacht hat er sich gefunden. Ich, | |
Super-Mario, habe es euch allen gezeigt! | |
29 Jun 2012 | |
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## AUTOREN | |
Markus Völker | |
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