# taz.de -- Vor dem Finale Spanien gegen Italien: Viel mehr als Fußball | |
> Der italienischen Mannschaft wird zugetraut, zur Heilung eines ganzen | |
> Landes beizutragen. Für die Spanier hingegen wäre ein Sieg im EM-Finale | |
> ein historisches Zuckerl. | |
Bild: Gianluigi fand vor dem Finale besonders große Worte. | |
KIEW taz | Gianluigi Buffon schien es kaum auszuhalten auf seinem Stuhl. Es | |
sah so aus, als würde er am liebsten rausgehen und anfangen zu spielen, | |
anfangen Geschichte zu schreiben. Am Abend vor dem Finale wurde er noch | |
einmal vor die Presse geschickt. Er hatte sich vorbereitet und präsentierte | |
sich als italienischer Superpatriot. | |
Klar, er will mit seiner Mannschaft Europameister werden. Aber die EM ist | |
für ihn längst mehr als ein sportlicher Wettbewerb. Es geht um Balsam für | |
die geschundene Nationalseele. Und so präsentierte sich Buffon als | |
Nationalist im Trainingsanzug. „Ja, ich singe die Nationalhymne mit großer | |
Leidenschaft. Zwei meiner Urgroßväter sind im ersten Weltkrieg gefallen und | |
das ist das Mindeste, was ich tun kann, um an ihr Opfer zu erinnern.“ Große | |
Worte. | |
Es ging dann aber auch noch um den Fußball. Und auf den ist nicht nur | |
Nationaltrainer Cesare Prandelli stolz, sondern auch sein Kapitän. Auch | |
wenn man vier Mal Weltmeister gewesen sei, komme irgendwann die Zeit, in | |
der es gelte, Demut zu zeigen und einen neuen Fußball zu erschaffen. Den | |
hat Prandelli in der Tat erfunden in den zwei Jahren, in denen er die | |
Nationalmannschaft bis dato geführt hat. Er hat die Mannschaft dazu | |
gebracht, das Spiel zu machen. | |
Aus den Italienern, die Buffon vor ihrem ersten Turnierspiel, jenem | |
fantastischen 1:1 gegen Spanien, noch mit Griechenland oder Tschechien | |
verglichen hat, ist wieder eine echte Fußballmacht geworden. Eine, die | |
nicht nur den Titel gewinnen soll, sondern der auch zugetraut wird, zur | |
Heilung eines ganzen Landes beizutragen. Staatspräsident Giorgio Napolitano | |
jedenfalls hat die Mannschaft schon in den Präsidentenpalast eingeladen, | |
ganz gleich wie das Finale ausgeht. „Ein großer und intelligenter Mann“, | |
wie Buffon in seiner staatstragenden Pressekonferenz im Kiewer | |
Olympiastadion sagte. | |
Sie wollen wieder mitspielen, die Italiener, den unglaublichen nunmehr vier | |
Jahre anhaltenden Run der Spanier aufhalten, der bei der EM 2008 mit einem | |
Sieg im Elfmeterschießen gegen Italien begonnen hatte. Einer, der die | |
Spanier aufhalten soll, ist Mario Balotelli. Buffon, der 34-Jährige | |
Weltmeister von 2006, ist voll des Lobes für den 21-jährigen Jungstürmer. | |
Der habe in Cesare Prandelli zudem einen Trainer gefunden, der es geschafft | |
habe, das Beste aus ihm herauszuholen. | |
## Die Spanier wollen das Spiel bestimmen | |
Auch Spaniens Trainer Vicente del Bosque bezeichnet Balotelli als | |
„gefährlich“. Viel wollte er indes nicht sagen über den wilden Italiener. | |
Denn die Spanier wollen – wie üblich – nicht reagieren, sie wollen das | |
Spiel in die Hand nehmen. Dass ihr Spiel inzwischen immer häufiger als | |
langweilig bezeichnet wird, ist dem Trainer dabei egal. Er sieht es ohnehin | |
anders. Auch seine Mannschaft habe sich in den vergangenen vier Jahren | |
durchaus verändert. „Der Kern ist der Gleiche geblieben, aber man kann | |
nicht sagen, dass wir nicht versucht hätten, etwas zu verändern“, sagte er. | |
Um das Spiel zu entscheiden, versprach er, mit drei Angreifern spielen zu | |
wollen. Andres Iniesta, der Mann, der das WM-Finale 2010 in der | |
Verlängerung entschieden hat, sieht er dabei ebenso als Stürmer wie Cesc | |
Fabregas. Dazu könnte Bilbaos Stürmer Fernando Llorente in die Aufstellung | |
rücken. „Drei Spieler werden ganz vorne agieren“, versprach del Bosque. Sie | |
sind verantwortlich für das Angriffsspiel. Das ist ihre Aufgabe, so wie | |
jeder Spieler in der Mannschaft seine eigene Mission hat.“ | |
Der Trainer und seine Spieler präsentierten sich bei allem Stolz auf ihre | |
Heimat vor dem Finale weitaus weniger als Repräsentanten einen Staates als | |
die Italiener. Sie wollen als Sportgruppe Geschichte schreiben. Dass die | |
Titelverteidigung ein historischer Erfolg wäre, kein Team in Europa hat je | |
drei große Turniere hintereinander gewonnen, ist ihnen bewusst. | |
Iker Casillas, Spaniens Torhüter, sieht es dennoch gelassen. Er sieht sich | |
als einen, der Erfahrung hat, im Vollbringen historischer Leistungen. | |
„Geschichte geschrieben haben wir bereits mit dem Gewinn des ersten | |
Titels.“ Alles, was danach gekommen ist, war demnach nicht mehr als ein | |
Zuckerl obendrauf. Ein historisches Zuckerl. | |
1 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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