| # taz.de -- Verlängerter Ladenschluss: Der ausgelagerte Kühlschrank | |
| > Immer mehr Menschen gehen abends im Supermarkt einkaufen. Für sie ist | |
| > nicht mehr ihre Küche, sondern die Kaufhalle das zentrale | |
| > Lebensmittellager. | |
| Bild: Zu jeder Tages- und Nachtzeit: Der Einzelhandel hat geöffnet. | |
| BERLIN taz | Kein Schnitzel und Salat fürs Abendbrot im Kühlschrank, und | |
| die Butter ist auch schon alle? Für viele Großstädter kein Problem – sie | |
| gehen einfach in den nächsten Supermarkt einkaufen, auch abends nach 20 | |
| Uhr. | |
| Aber werden dort nicht hauptsächlich Alkoholika, Chips und Süßigkeiten für | |
| feierwütige Szenegänger verkauft? Ist der abendliche Supermarkt, den die | |
| Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten brachte, nur so etwas wie eine | |
| verlängerte Kneipentheke, an der man billig „vorglühen“ kann? Nein. Beim | |
| abendlichen Einkauf, der oft geplant stattfindet, werden dieselben Artikel | |
| gekauft wie tagsüber auch. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie, die | |
| erstmals das Phänomen „Späteinkäufer“ genauer untersucht hat. | |
| Der Autor der Studie, Bernd Sebastian Wolff, ist Diplom-Geograf und hat | |
| beim privaten Fernhochschulverband AKAD ein Aufbaustudium in | |
| Betriebswirtschaftslehre belegt. Im Rahmen seiner Abschlussarbeit befragte | |
| er rund 500 Kunden in zwei Stadtsupermärkten, die nach 20 Uhr einkauften. | |
| Zudem wertete er die internen Umsatzstatistiken und Kauffrequenzanalysen | |
| aus. | |
| „Durch den Vergleich der beiden Märkte konnte ich ableiten, welche Faktoren | |
| standortabhängig sind und welche nicht“, so Wolff. Damit seien die | |
| Ergebnisse auf andere Märkte mit vergleichbaren Rahmenbedingungen | |
| übertragbar. | |
| ## Sinkende Nachfrage ab 22 Uhr | |
| Der typische Späteinkäufer ist demnach männlich und berufstätig. Er ist 36 | |
| Jahre alt, also deutlich jünger als der Durchschnitt aller Kunden in den | |
| untersuchten Märkten. Der Späteinkäufer erwirbt dieselben Artikel wie | |
| tagsüber auch und hat ebenso große Ansprüche an Frische und | |
| Warenverfügbarkeit wie tagsüber. Für viele ist der Späteinkauf | |
| selbstverständlich; allerdings sinkt nach 22 Uhr die Nachfrage rapide. | |
| Warum gehen manche Menschen noch am Abend einkaufen, anstatt die Beine | |
| hochzulegen oder etwas zu unternehmen? Vor allem Zeitknappheit ist der | |
| Grund, hat Wolff herausgefunden. Außerdem empfänden viele Kunden die ruhige | |
| Atmosphäre beim abendlichen Einkauf als angenehm. Viele könnten ihren | |
| Heimweg von der Arbeit mit dem Einkauf verbinden. | |
| Durch die Ausweitung der Ladenöffnungszeiten habe sich das Kaufverhalten | |
| der Menschen nachhaltig verändert, so Wolff. „Die Kunden haben in gewisser | |
| Weise die Aufbewahrung von Lebensmitteln von ihrem Haushalt zum | |
| Lebensmitteleinzelhandel zurückverlagert“, analysiert Wolff. „Die Kunden | |
| gehen öfter einkaufen, das heißt, der früher verbreitete Vorratskauf wird | |
| heute vielfach von einer Art Just-in-time-Einkauf abgelöst.“ | |
| Für den Einzelhandel und die Beschäftigten, die abends arbeiten müssen, | |
| sieht Wolff dennoch Vorteile. Durch den Abendeinkauf würden extreme | |
| Nachfragespitzen im Tagesverlauf vermieden, was sowohl Kunden als auch | |
| Mitarbeiter entlaste. | |
| 1 Jul 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Richard Rother | |
| ## TAGS | |
| Konsumverhalten | |
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