# taz.de -- Lärm, Luft und Haltestellenquote: Die Staatstaaten machen mobil | |
> Erstmals untersucht ein Verband, wie nachhaltig die Verkehrspolitik der | |
> Länder ist. Das Ergebnis: NRW liegt vorn, Sachsen-Anhalt und Hessen | |
> landen hinten. | |
Bild: Der Anblick der A40 bei Bochum täuscht: Trotz leerer Kassen funktioniert… | |
BERLIN taz | Die Mitarbeiter des Lobbyverbands Allianz pro Schiene sind | |
selbst erstaunt: Nordrhein-Westfalen und Berlin belegen die beiden | |
Spitzenpositionen beim ersten [1][bundesweiten Ranking] zu nachhaltiger | |
Mobilität. Auf Platz drei steht Baden-Württemberg, die Länder | |
Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Hessen landen auf den letzten Plätzen. | |
„Uns hat überrascht, wie schlecht Bayern abschneidet und wie gut NRW | |
abgeschnitten hat“, sagt Dirk Flege, Geschäftsführer des Verbands. Einen | |
Zusammenhang zwischen der wirtschaftlichen Situation eines Bundeslandes und | |
dessen Position im Ranking gebe es nicht – ebenso wenig wie ein Gefälle | |
zwischen Ost und West. Auffällig immerhin: Keiner der Stadtstaaten hat | |
wirklich schlecht abgeschnitten, am weitesten hinten landet Hamburg mit dem | |
achten Platz. | |
Es sind viele kleine Faktoren, aus denen der Verband das Gesamtbild | |
zusammengesetzt hat: Wie steht es um die Sicherheit im öffentlichen | |
Nahverkehr? Wie groß ist die Entfernung bis zur nächsten Haltestelle? Wie | |
hoch die Zahl der Verkehrstoten? Ist das Umsteigen kompliziert? Wie sieht | |
es mit dem Verkehrslärm aus? Bezahlen die Unternehmen des öffentlichen | |
Nahverkehrs nach Tarif? Und wie hoch ist der verkehrsbedingte CO2-Ausstoß | |
pro Einwohner? | |
Die Autoren der Untersuchung haben dabei auf zwei Methoden gesetzt: | |
Einerseits haben sie sich durch Statistiken gewühlt, Berichte von Behörden | |
ausgewertet und dort, wo es Lücken gab, selbst Umfragen in Auftrag gegeben. | |
Das war etwa bei der Bezahlbarkeit des öffentlichen Nahverkehrs der Fall. | |
## Bayern lieferte keine Zahlen zu CO2-Emissionen | |
Nun liegen dem Ranking Daten einer repäsentativen Forsa-Umfrage zugrunde, | |
in der die Befragten angeben, wie häufig sie im letzten Jahr aus | |
Kostengründen auf Fahrten verzichtet haben. | |
Andererseits hat der Verband Fragebögen an die Verkehrsministerien der | |
Länder geschickt, nach Zielen und Maßnahmen gefragt und auch Organisationen | |
unter anderem von Autofahrern, Radfahrern und Fußgängern beteiligt. Damit | |
will der Verband den Eindruck der Parteilichkeit vermeiden. „Wir haben es | |
uns nicht so einfach gemacht, dass alles, was Schiene ist, gut ist und der | |
Rest böse“, sagt Flege. | |
In den Details haben die Bundesländer an ganz unterschiedlichen Stellen | |
Nachholbedarf. Bei den CO2-Emissionen schnitten beispielsweise Hessen und | |
Hamburg schlecht ab, Bayern lieferte erst gar keine Zahlen. Das | |
zweitplatzierte Berlin landete bei der Bezahlbarkeit von Mobilität auf dem | |
letzten Platz – möglicherweise eine Folge des geringen Einkommensniveaus in | |
der Stadt. | |
Beim Anteil von Pkw mit alternativen Antrieben schaffte es neben | |
Nordrhein-Westfalen auch Niedersachsen an die Spitze, hinten liegen | |
Baden-Württemberg und das Saarland. Bei vielen gebe es auch in ganz | |
grundsätzlichen Fragen einiges zu tun, sagt Michael Ziesak, Vorsitzender | |
des ökologisch orientierten Verkehrsclub Deutschland (VCD): „Den Ländern im | |
Mittelfeld und vor allem hinten fehlt es an einer Vorstellung über eine | |
zukunftsfähige Mobiltät.“ | |
## Ranking hat auch Schwachstellen | |
„Der Verkehr ist das Klimasorgenkind Nummer eins“, erklärt Flege die | |
Entscheidung für die Untersuchung. Während es in der Industrie oder bei der | |
Energiegewinnung bereits Zielsetzungen zur Senkung der CO2-Emissionen gebe, | |
bleibe der Verkehrssektor außen vor – trotz steigenden Ausstoßes von | |
Klimagasen. „Ohne eine Verkehrswende werden wir aber die Energiewende nicht | |
erreichen.“ | |
Für ein Länderranking habe man sich dabei entschieden, weil viele | |
Entscheidungen im Verkehrssektor auf Landesebene fielen. An einigen Punkten | |
hat das Ranking allerdings Schwachstellen. Beispielsweise lässt sich über | |
die Gewichtung der Faktoren streiten. Ist die Bezahlbarkeit des | |
öffentlichen Nahverkehrs genauso wichtig wie Klimaschutz und | |
Flächenverbrauch? | |
Die Sicherheit genauso wichtig wie der Lärm? Darüber hinaus ist zwar | |
eingeflossen, welche Ziele sich die Länder gesetzt haben, aber nicht, ob | |
diese Ziele erreicht werden. Wer also großspurige Ankündigungen verfasst, | |
schneidet besser ab. Doch der Verband glaubt an ein Korrektiv – zu hohe | |
Ziele würden sich die Länder nicht stecken, weil ihnen die Nichteinhaltung | |
schnell auf die Füße fiele. | |
Der Verband hat angekündigt, dass er nun jährlich einen Bericht vorlegen | |
will, damit seien auch Vergleiche möglich. Zumindest die in den Ländern | |
erreichten Ziele sollen dann mit einfließen. | |
5 Jul 2012 | |
## LINKS | |
[1] http://www.allianz-pro-schiene.de/presse/pressemitteilungen/2012/016-bundes… | |
## AUTOREN | |
Svenja Bergt | |
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