# taz.de -- Rechtsextreme Treffpunkte: Tour zu den braunen Häusern | |
> Politiker, Polizisten und engagierte Bürger fahren durch Thüringen und | |
> schauen sich Gebäude an, die Neonazis als Treffpunkte nutzen. Nicht | |
> überall sind sie willkommen. | |
Bild: Rechtsextreme Nachbarn: Diese Thüringer wehren sich gegen braune Immobi… | |
THÜRINGEN taz | In der Ortsmitte von Crawinkel, Landkreis Gotha, am Rande | |
des Thüringer Waldes, drückt der Busfahrer plötzlich auf die Bremse. „Links | |
sehen Sie die Immobilie“, sagt die Frau am Mikrofon. Der Bus fährt langsam | |
an dem Haus vorbei, unten die Gaststätte [1][„Drei Linden“]. Im zweiten | |
Stock sind im Fenster drei junge Männer zu sehen, einer mit Glatze, einer | |
mit langen Haaren und Sonnenbrille. Sie filmen den Bus. | |
Die Männer wohnen in der „Hausgemeinschaft Jonastal“, wohl nicht zufällig | |
abkürzbar mit HJ – Hitlerjugend. Rechtsextreme haben das Haus im Dezember | |
2011 gekauft. Ein weiterer Nazi-Treff in Thüringen, das Bundesland, aus dem | |
die NSU-Terroristen stammen. | |
Die Reisegruppe hat sich um 9 Uhr morgens vor dem Landtag in Erfurt | |
getroffen. Politiker, Polizisten, Vertreter von Kirche und | |
Bürgerbündnissen, Journalisten, knapp 50 Leute. Die Orte, die sie besuchen | |
wollen, stehen in keinem Reiseführer. Aber für die rechte Szene sind sie | |
wichtig: Es sind Treffpunkte für Tagungen oder Konzerte. | |
Die „Mobile Beratung in Thüringen“ (Mobit) hat die Tour organisiert, um f�… | |
die „Raumergreifung“ der Rechtsextremen zu sensibilisieren. Mindestens neun | |
Gebäude seien in Thüringen in Neonazihand oder würden von ihnen genutzt. | |
Vier stehen an diesem Donnerstag auf dem Reiseplan, 230 Kilometer durchs | |
Bundesland. Volkshochschule auf Rädern. | |
## Verkauft vom Freistaat Thüringen | |
Drei Landesminister sind dabei, zumindest zu Beginn. Sozialministerin Heike | |
Taubert (SPD) sagt, man müsse die Bevölkerung dazu bringen, die Angst zu | |
verlieren. „Es ist nie zu spät anzufangen.“ Innenminister Jörg Geibert | |
(CDU) sagt, die Handlungsmöglichkeiten des Staates erreichten bald Grenzen: | |
„Es braucht gesamtgesellschaftliches Engagement.“ Holger Poppenhäger (SPD), | |
der Justizminister, sagt nur: „Ich bin gespannt auf den Tag.“ | |
Erste Station: Guthmannshausen, Kreis Sömmerda. Am Straßenrand stehen | |
Polizeiautos. Der Bus fährt am [2][ehemaligen Rittergut] vorbei, einem | |
herrschaftlichen Gebäude mit Kuppel, mehr als 1000 Quadratmeter Nutzfläche. | |
Eigentümerin ist eine Rechtsextremistin vom Verein Gedächtnisstätte e.V., | |
einem Sammelbecken von Holocaustleugnern. Pikant: Verkauft wurde das | |
Gebäude 2011 vom Freistaat Thüringen. Der Verfassungsschutz will erst im | |
Nachhinein erkannt haben, wer hinter der Käuferin steckt. | |
Die Besuchergruppe darf in Guthmannshausen nicht aussteigen, die Einwohner | |
wehrten sich dagegen. „Ich denke, es nützt nichts, wenn wir in | |
Konfrontation mit dem Dorf gehen“, sagt Sozialministerin Taubert. Die | |
Bewohner hätten aber angekündigt, sich mit dem Problem auseinander zu | |
setzen. Der Bürgermeister war für die Tour eingeladen, kam aber nicht. | |
Onno Eckert ist den ganzen Tag dabei. Der 27-Jährige ist ehrenamtlicher | |
Bürgermeister von Crawinkel, der 1600-Einwohner-Gemeinde, in der jetzt ein | |
Nazi-Treff ist. Die neuen Hausbesitzer kommen aus dem Umfeld der | |
Rechtsrock-Band „Sonderkommando Dirlewanger“. Zu Konzerten kommen teils | |
mehr als hundert Menschen. | |
## Lauter Rechtsrock zu Neujahr | |
Anfang Juni wurde die „Hausgemeinschaft“ durchsucht, gegen einen der Käufer | |
wird wegen „Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat“ | |
ermittelt. Von den neuen Ortsbewohnern hat Bürgermeister Eckert in der | |
Neujahrsnacht erfahren – wegen lautem Rechtsrock. Vom Verfassungsschutz kam | |
kein Hinweis. Die Gemeinde machte von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch, dagegen | |
wehren sich die Nazis. Eckert rechnet mit einem jahrelangen Gerichtsstreit. | |
Station Kirchheim: Justizminister Poppenhäger sitzt mit am Biertisch und | |
hört zu, wie Diana Hennig vom lokalen Bündnis gegen Rechtsextremismus | |
darüber spricht, wie nervenaufreibend ihr Engagement sein kann. | |
In Kirchheim ist der Nazi-Treff ein Hotel. Der „Romantische Fachwerkhof“ | |
mit angeschlossener „Erlebnisscheune“ – ein Treffpunkt der bundesweiten | |
rechtsextremen Szene. Im Februar 2009 hielt die NPD hier ihren | |
Landesparteitag ab, seitdem hat Mobit 46 Veranstaltungen gezählt. | |
## Straßenblockade zum 1. Mai | |
Nicht zuletzt wegen des Protests der Dorfbewohner kommen kaum noch | |
unbedarfte Gäste. Während des Papstbesuch vergangenen Sommer waren aber 20 | |
[3][BKA-Beamte im Hotel] untergebracht. Dabei stand der Fachwerkhof im | |
Verfassungsschutzbericht. | |
Zwar hat das Bündnis einiges erreicht. Am 1. Mai etwa kamen die Nazis nicht | |
in den Ort hinein, weil die Bürger die Straßen dicht machten. Aber es fehle | |
auch Unterstützung, sagt Diana Henning, 36, dreifache Mutter. Wenn sie etwa | |
an der Schule Plakate aufhängen möchten, komme oft der Einwand: Das geht | |
nicht, „weil wir uns nicht politisch betätigen dürfen“. Aber es gehe doch | |
nicht um Parteipolitik, sagt Diana Henning: „Wir wollen Demokratiebildung | |
leben.“ | |
7 Jul 2012 | |
## LINKS | |
[1] /Neonazis-kauften-Immobilie-in-Thueringen/!87365/ | |
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## AUTOREN | |
Sebastian Erb | |
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