# taz.de -- Pro und Contra Bankenrettung: Sollen wir fremde Banken retten? | |
> Nicht nur einzelne Eurostaaten benötigen Hilfskredite – auch einige | |
> Banken sind so überschuldet, dass sie neues Eigenkapital brauchen. Sollen | |
> wir Banken retten? | |
Bild: Soll Spaniens Finanzsektor vor dem Umkippen gerettet werden? | |
## PRO | |
Ja. Es ist ärgerlich – und trotzdem richtig: Deutschland muss Spanien | |
helfen, seine Banken zu retten. Dies ist keine noble Geste der | |
Selbstlosigkeit, sondern es liegt im nationalen Interesse der Deutschen, | |
den Euro zu stützen. | |
Um die Rettungsaktionen zu verstehen, muss man wissen, dass zwei ganz | |
unterschiedliche Prozesse ablaufen, die die Banken bedrohen. | |
Die erste Gefahr: Manche spanische Banken sind objektiv überschuldet. Sie | |
haben windige Immobilienkredite finanziert, die sie abschreiben müssen. | |
Diese Verluste übersteigen oft das Eigenkapital – was ohne Staatshilfe | |
bedeuten würde, dass auch normale Sparer und andere Anleger einen Teil | |
ihres Geldes verlieren würden. | |
Theoretisch könnten die Deutschen sagen: „Selber schuld.“ Faktisch jedoch | |
würden Bankenpleiten global Panik auslösen. Keiner würde keinem mehr trauen | |
– und viele Kunden würden ihr Geld vorsorglich bei anderen Banken abziehen. | |
Selbst gesunde Institute würden in den Bankrott treiben. Wie gefährlich | |
dies ist, hat die erste Weltwirtschaftskrise ab 1929 gezeigt. | |
Es ist also richtig, dass die Spanier Hilfskredite von bis zu 100 | |
Milliarden Euro aus dem Europäischen Rettungsschirm abrufen können, um ihre | |
Pleitebanken zu rekapitalisieren. Dabei muss allerdings klar sein: Der | |
spanische Finanzsektor muss schrumpfen und zum Teil abgewickelt werden. | |
Zudem spricht nichts dagegen, die Kosten für die Rettungskredite wieder | |
einzutreiben. Da vor allem die Vermögenden in Deutschland und anderswo | |
profitieren, wenn Banken gerettet werden, sollten sie zahlen. Die bewährten | |
Instrumente: ein erhöhter Spitzensteuersatz, eine erhöhte Erbschaftsteuer, | |
eine erhöhte Kapitalertragsteuer auf Zinsen und Dividenden. | |
Darüber hinaus gibt es aber noch eine zweite Gefahr, die die Banken in den | |
Krisenländern bedroht. Viele Spanier, Italiener und Griechen fürchten, dass | |
ihr Land aus dem Euro gedrängt werden könnte. Also überweisen sie ihre | |
Ersparnisse vorsorglich nach Deutschland oder Österreich. Diese | |
Kapitalflucht bringt völlig gesunde Banken in Bedrängnis, weil sie das Geld | |
ihrer Sparer ja weiterverliehen haben. | |
Diese Kredite können die Banken nicht plötzlich kündigen – gleichzeitig | |
müssen sie aber die Guthaben ihrer Sparer auszahlen. Damit keine „Löcher“ | |
bei den Banken entstehen, springt die Europäische Zentralbank ein, die | |
Liquiditätshilfen gewährt. Damit ist kein Risiko verbunden – solange die | |
Krisenländer im Euro bleiben. Ulrike Herrmann | |
## CONTRA | |
Nein. Bislang hat keine Bankenrettung durch den Staat dazu geführt, dass im | |
Gegenzug jene an den Kosten beteiligt wurden, die von den Fehlspekulationen | |
der letzten Jahre am stärksten profitierten. Fast nichts haben die | |
Regierungen bislang daran geändert, dass Banken und Versicherungen ihren | |
Eigentümern die Gewinne sichern, die Verluste aber an die Steuerzahler | |
weiterreichen. Warum also Bankenrettungen noch gutheißen – egal ob es um | |
deutsche oder spanische Banken geht? | |
Es ist weder notwendig nationalistisch noch sonst wie engherzig, die | |
Brüsseler Gipfelbeschlüsse abzulehnen. Die 100 Milliarden Euro Soforthilfe | |
für Spaniens Banken wird niemand je wiedersehen. Keine Steuererhöhung für | |
Reiche würde das Geld wieder hereinspülen. Den spanischen Banken dazu noch | |
ohne Umweg über die spanische Regierung Geld aus dem ESM-Topf versprechen | |
bedeutet, dass nicht einmal mehr eine politisch haftende Instanz zwischen | |
die Profiteure und die Steuerzahler geschaltet ist. | |
Damit mag der Teufelskreis unterbrochen sein, dass die Staatsschulden | |
Spaniens automatisch mitsteigen, wenn die spanischen Banken rekapitalisiert | |
werden. Wer diesen rein technischen Schritt aber zum einzig verantwortbaren | |
Weg aufbläst und alle seine Kritiker der mangelnden Solidarität zeiht, hat | |
politische Lösungen für die Finanzkrise komplett aufgegeben. | |
Es war falsch, Europa erst eine Währung zu geben und zu glauben, der Rest – | |
also die politische Einheit – ergebe sich von selbst. Es haben auch nicht | |
„die Deutschen“ am meisten am Euro verdient. Den eurogetriebenen Boom der | |
Exportwirtschaft haben die meisten Beschäftigten hierzulande mit sinkenden | |
Löhnen bezahlt. | |
Jetzt behaupten die Verteidiger der Brüsseler Beschlüsse, Ende des Jahres | |
werde eine europäische Bankenaufsicht gebastelt. Ein europäischer | |
Finanzminister samt europäischem Steuersystem würden dann nachgereicht. | |
Irgendwann. Das ist Heuchelei. Das Krisenbewältigungsprogramm läuft auf | |
eines hinaus: Banken first. Die EU-Bankenaufsicht wird, wenn überhaupt, | |
eine Aufsicht durch den kleinsten gemeinsamen Nenner sein. | |
Die Brüsseler Beschlüsse waren ein Schritt Richtung Bankenunion: Europas | |
Banken sollen europäisch gerettet werden. Aber eine Fiskalunion wird es nie | |
geben. Denn zur Aufgabe nationaler Souveränität sind Spanien, Italien und | |
Frankreich noch weniger bereit als Deutschland. Zeit, sich vom europäischen | |
Traum zu verabschieden. Ulrike Winkelmann | |
8 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
U. Herrmann | |
U. Winkelmann | |
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