# taz.de -- Schiffsunglück im Mittelmeer: 300 lange Stunden auf dem Meer | |
> Der Eritreer Abbas S., der einzige Überlebende eines havarierten | |
> Flüchtlingsschiffs, berichtet von seiner Odyssee. 55 Menschen kamen bei | |
> dem Unglück ums Leben. | |
Bild: Ein im Jahr 2007 havariertes Flüchtlingsschiff am Mittelmeer. | |
BEN GARDANE taz | Es war eines der schwersten Schiffsunglücke im Mittelmeer | |
in diesem Jahr: [1][55 Afrikaner sind nach und nach verdurstet], während | |
sie versuchten, die Küste Italiens zu erreichen. Nun berichtet der einzige | |
Überlebende, der 28-jährige Eritreer Abbas S., von dem 13 Tage währenden | |
Drama. Im Krankenhaus der tunesischen Stadt Zarzis wurde er von zwei | |
Wissenschaftlern des Londoner Goldsmith Colleges und Vertretern der | |
Organisation [2][Boats4People] befragt. | |
„Es war die Nacht auf den 26. Juni, wir sind mitten in der Nacht | |
aufgebrochen“, sagt S. In der Nähe von Tripolis habe er das Boot bestiegen. | |
550 Kilometer sind es von dort bis zur Südküste Siziliens. Das Boot sei mit | |
32 Eritreern und 24 Somalis besetzt gewesen. | |
„Loszufahren war nicht meine Entscheidung“, sagt S. Sein älterer Bruder, | |
mit dem er in Libyen lebte, habe den Beschluss gefasst, die Überfahrt zu | |
wagen – für ihn selbst, für Abbas, einen weiteren Bruder und eine | |
Schwester. | |
„Wir haben unsere Heimat schon vor Jahren verlassen,“ sagt S. „Es gab dort | |
viele Probleme mit der Regierung.“ Über den Sudan ging er nach Libyen, | |
zuerst lebte er im Bengasi, später in Tripolis. Doch auch dort sei die Lage | |
für Eritreer sehr schwierig. „Unser Boot bestand aus mehreren Kammern“, | |
sagt Abbas. | |
Nach etwa einem Tag sei die Luft aus einer der Kammern entwichen. „Als wir | |
das gemerkt haben, haben wir gedacht, wir gehen unter.“ Eine Weile konnten | |
sie ihre Fahrt fortsetzen, dann fiel der Motor aus. „Das Boot trieb | |
tagelang auf den Wellen, meine Augen waren entzündet. Manchmal konnten wir | |
nachts Lichter sehen, manchmal Schiffe und haben gewunken.“ | |
Die ersten Flüchtlinge verdursteten, manche tranken aus Verzweiflung | |
Meerwasser. Schließlich warf eine Welle das Wrack um, viele der Flüchtlinge | |
ertranken, Abbas musste mit ansehen, wie auch seine Angehörigen starben. Er | |
selbst habe sich mit einer Schlaufe an die Reste des Bootes gebunden. „Das | |
war mein Glück. Nach einigen Tagen war ich ganz allein, alle anderen waren | |
tot.“ Wenn Schiffe vorbeizogen, habe er gewinkt. Doch erst am Montag, dem | |
9. Juli, über 300 Stunden nach dem Beginn der Reise, wurde er von der | |
tunesischen Küstenwache entdeckt. | |
„Es ist nicht zu glauben, dass ein Boot nach Schiffbruch zwei Wochen in | |
einer der weltweit meistbefahrenen und am dichtesten überwachten | |
Meeresregionen trieb und ohne Hilfe allmählich unterging,“ kommentiert | |
Helmut Dietrich von Boats4People. | |
17 Jul 2012 | |
## LINKS | |
[1] /54-Fluechtlinge-im-Mittelmeer-gestorben/!97085/ | |
[2] http://www.boats4people.org/index.php/de/ | |
## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
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