# taz.de -- Überlebenschancen bei Schiffsunglücken: Frauen und Kinder zuletzt | |
> Viele Kinder und Frauen überlebten den Untergang der „Titanic“. In den | |
> meisten Fällen geht es an Bord weniger ritterlich zu – selbst | |
> Crewmitglieder denken zuerst an sich. | |
Bild: Modellhafter Dampfer: Beim Untergang der Titanic starben etwa 1.500 Mensc… | |
WASHINGTON dpa | „Jeder ist sich selbst der nächste“ statt „Frauen und | |
Kinder zuerst“ - so ließe sich das menschliche Verhalten bei | |
Schiffskatastrophen umschreiben. Wie eine Untersuchung bei insgesamt 18 | |
untergegangenen Schiffen zeigt, haben Frauen grundsätzlich schlechtere | |
Überlebenschancen als Männer, Kinder gar die schlechtesten. | |
Die Untersuchung lässt an einem weiteren beliebten Glauben zweifeln: dass | |
Kapitän und Besatzung das sinkende Schiff zuletzt verlassen. Crewmitglieder | |
überleben deutlich häufiger als Passagiere, berichten schwedische Forscher | |
in den „Proceedings“ der US-Nationalen Akademie der Wissenschaften (PNAS). | |
Der Glaube an die männliche Ritterlichkeit auf See wird vor allem durch den | |
Untergang der „Titanic“ gestärkt. Bei der Katastrophe starben mehr als | |
dreimal so viele Männer wie Frauen. Einige Männer, die sich dem „Frauen und | |
Kinder zuerst“-Befehl des Kapitäns widersetzten, sollen von der Crew | |
erschossen worden sein. | |
Ob das „Titanic“-Unglück 1912 eine Ausnahme oder die Regel war, ist kaum | |
untersucht. Nur bei einem weiteren Schiffsunglück, dem Untergang der | |
„Lusitania“ im Jahr 1915, wurde bisher ermittelt, ob das Geschlecht die | |
Überlebenschancen beeinflusste. | |
## Frauen haben nur ausnahmsweise bessere Chancen | |
Mikael Elinder und Oscar Erixson von der Uppsala Universität werteten Daten | |
von insgesamt 18 Schiffsunglücken aus, an denen mehr als 15.000 Menschen | |
aus 30 Nationen beteiligt waren. Das Ergebnis ist eindeutig: Frauen haben | |
bei maritimen Katastrophen nicht bessere, sondern schlechtere | |
Überlebenschancen als Männer. Nur beim „Titanic“- und einem weiteren | |
Untergang wurden anteilig mehr Frauen gerettet als Männer, bei elf | |
Katastrophen war es genau anders herum. | |
Die Überlebenschancen der Frauen stiegen, wenn der Kapitän den | |
ausdrücklichen Befehl „Frauen und Kinder zuerst“ ausgesprochen hatte. Dies | |
war bei fünf Untergängen der Fall. Seit dem ersten Weltkrieg schrumpft der | |
Abstand bei den Überlebenschancen zwischen Frauen und Männern, berichten | |
die Forscher weiter. | |
Sie führen das auf das gestiegene soziale Ansehen der Frauen zurück und auf | |
deren größere Selbstständigkeit. Die Geschwindigkeit des Untergangs oder | |
die vorherige Länge der Reise beeinflussten die Überlebenschancen nicht. | |
Schließlich räumt die Untersuchung noch mit einem weiteren Irrglauben auf - | |
dem, dass vor allem die Briten auf See den galanten Retter geben. | |
Tatsächlich sterben auf britischen Schiffen, die von einem britischen | |
Kapitän und überwiegend britischer Besatzung geführt werden, besonders | |
viele Frauen im Vergleich zu Männern. | |
„Auf Grundlage unserer Analyse wird deutlich, dass der Untergang der | |
Titanic außergewöhnlich in vielerlei Hinsicht war und dass das, was auf der | |
Titanic geschah, eine Reihe von falschen Vorstellungen des menschlichen | |
Verhaltens in Katastrophenfällen befeuert zu haben scheint“, schließen die | |
Wissenschaftler. | |
31 Jul 2012 | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Schiffsunglück im Mittelmeer: 300 lange Stunden auf dem Meer | |
Der Eritreer Abbas S., der einzige Überlebende eines havarierten | |
Flüchtlingsschiffs, berichtet von seiner Odyssee. 55 Menschen kamen bei dem | |
Unglück ums Leben. | |
Schiffsunglück "Costa Concordia": Acht Tote gefunden | |
Angehörige der Vermissten können zumindest wieder auf Gewissheit hoffen. | |
Nach einer langen Suchpause sind auf der "Costa Concordia" acht Tote | |
gefunden worden. | |
Kommentar "Costa Concordia": Massengrab auf See | |
Auf dem Mittelmeer verunglücken nicht nur Kreuzfahrtschiffe. Das, was die | |
Passagiere der "Costa Concordia" erlebt haben, ist Alltag von unzähligen | |
Flüchtlingen und Migranten. |