# taz.de -- Unterstützung für Syriens Revolution: Die Zukunft im Blick | |
> Von Berlin und Beirut aus organisiert „Adopt a Revolution“ den Aufbau | |
> Syriens. Für die Zeit nach dem Sturz Assads. Junge Syrer werden dafür | |
> gezielt ausgebildet. | |
Bild: Zerschossene Moschee in Homs. | |
BEIRUT/BERLIN taz | In einem schönen Altbauhaus im christlichen Viertel der | |
libanesischen Hauptstadt Beirut arbeitet N.N. für die syrische Revolution – | |
in der 2.0-Version der Neuzeit: Hightech, WiFi, Datenbanken. Seine Vision | |
ist ein friedliches und ziviles Syrien, das aus den Erfahrungen anderer | |
Staaten in der Region gelernt hat: „Die Revolution darf nicht wie in | |
Ägypten scheitern – dass die Muslimbrüder übernehmen, nur weil sie als | |
einziger Akteur eine Struktur aufweisen können“, sagt N.N. | |
Aus Sicherheitsgründen nennt die taz weder den Namen noch das Geschlecht | |
der Person, über deren Arbeit sie hier berichtet. N.N. unterstützt – unter | |
anderem ehrenamtlich für „Adopt a Revolution“ – den zivilen und friedlic… | |
Widerstand Syriens gegen das Regime von Baschar al-Assad. Das heißt: N.N. | |
verschickt E-Mails, telefoniert in verschiedenen Sprachen, recherchiert, | |
schreibt und organisiert und versucht so, Fäden zusammenzuhalten. Das Büro | |
befindet sich im benachbarten Libanon, da der Geheimdienst innerhalb | |
Syriens Internet und Telefone überwacht. | |
Die Idee, den zivilen Widerstand in Syrien zu unterstützen, könnte 1968 in | |
einer besetzten Wohnung im Westteil Berlins oder in der Spontiszene in | |
Frankfurt geboren worden sein: Den syrischen Bürgern, dem Teil, der | |
vielleicht am ehesten als junge Aktivisten aus den städtischen | |
Mittelschichten beschrieben werden könnte, soll geholfen werden. Damit sie | |
die Ressourcen haben, um Präsident Baschar al-Assad und sein die | |
Menschenrechte missachtendes Regime zu stürzen. Sie sollen es zumindest | |
weiterhin friedlich versuchen können. | |
Für die Zeit danach sollen zugleich die Grundlagen geschaffen werden, dass | |
die syrische Opposition nicht zu Berichten Anlass gibt, nach denen „Männer | |
prügelten, Frauen weinten, Kurden gingen“, wie es in der Internetausgabe | |
der taz kürzlich hieß. Es sollen mit Blick fürs Ganze geschulte Syrer aus | |
dem Land heraus selbstständig an der Zukunft ihres Landes mitwirken können, | |
ohne den im Exil verstreuten Syrischen Nationalkongress (SNC). | |
## Gezielte Ausbildung für die Zeit danach | |
Dafür setzt sich auch Maher [Name geändert; d. Red] ein. Der knapp | |
dreißigjährige Syrer ist studierter Sozialwissenschaftler und arbeitet für | |
eine internationale Stiftung in Beirut. Es sei bereits jetzt dringend | |
nötig, sagt er, sich für die Zeit nach der Stunde null demokratisch und | |
freiheitlich zu organisieren. | |
Dem friedlichen Widerstand soll geholfen werden, sich später als aktiver | |
Teil der Nachkriegszivilbevölkerung zusammenzufinden. Dafür sollen Syrer | |
gezielt in allen Bereichen der nationalen und internationalen Politik | |
ausgebildet werden. | |
Aktivist N.N. arbeitet leise und dezent im glitzernden Beirut, fällt | |
angenehm auf durch Nichtangeben. So wie man es in der libanesischen | |
Hauptstadt, in der sich sehr viele verschiedene Geheimdienste bewegen – | |
auch regimetreue syrische –, machen sollte, wenn man im Untergrund | |
politisch tätig ist. Sein Büro liegt in einem modernen, belebten Stadtteil | |
mit dörflichem Charakter, nicht im Viertel Hamra, in dem nicht nur die | |
Agenten, sondern auch syrische Blockparteien und ihre Spitzel und Killer | |
ihre Büros unterhalten. | |
Berichtet man im libanesischen Exil lebenden Syrern von der Idee, die klein | |
begann, aber schon groß geworden ist, fallen sie den Besuchern aus | |
Deutschland schon mal aus Dankbarkeit und Rührung allein dafür, dass es | |
solch eine Organisation gibt, um den Hals. Sie freuen sich darüber, dass | |
überhaupt jemand außer dem UN-Sondergesandten für Syrien, Kofi Annan, an | |
die friedlichen Syrer, die im Vakuum zwischen den Kriegsparteien gefangen | |
sind, denkt. | |
Dass es Menschen im reichen, friedlichen, grünen Deutschland gibt, die | |
immer noch zwischen „Taliban-Terror“ und „arabischem | |
Hochkultur-Besiedlungsgebiet Assyrien“ unterscheiden können – und die es | |
verrückt macht, hilflos mit ansehen zu müssen, wie ein bis vor Kurzem noch | |
wirtschaftlich und kulturell funktionierendes Land, die historische Wiege | |
der Kulturen, in die Zerstörung schlittert. | |
## Büros in Beirut, Berlin und Leipzig | |
Die Revolutionspaten von „Adopt a Revolution“ haben Büros in Beirut, Berlin | |
und Leipzig. Sogar das US-Außenministerium hat davon gehört und Interesse | |
an einer Zusammenarbeit bekundet. Der Verein lehnte ab, „aus politischen | |
Gründen und wegen unserer Unabhängigkeit“, wie Mitgründer Elias Perabo | |
sagt. „Wir nehmen keine staatlichen Gelder an, sondern arbeiten aus der | |
Zivilgesellschaft für die Zivilgesellschaft.“ | |
Inzwischen ist viel Geld für die Unterstützung des syrischen Aufstands zu | |
verteilen: Zahlreiche Länder haben Hilfsfonds gegründet oder sind dabei, | |
bald werden neue Nichtregierungsorganisationen (NGOs) aus dem Boden | |
sprießen, die auf die neuen UN-Töpfe für Syrien hoffen. Schon blüht im | |
Syrien benachbarten Libanon ein regelrechtes Hilfsgelderbusiness. | |
Revolutionsunterstützung durch Perabo und seine engagierten Mitaktivisten | |
funktioniert heutzutage natürlich nicht mehr per Kassiber, sondern im Stile | |
des Web 2.0, berichtet er in Berlin: Das Prinzip ist ähnlich wie bei | |
Kinderpatenschaften. Wer spenden will, kann genau bestimmen, was mit seinem | |
Geld passieren soll. Für 10 Euro kann man einem Aktivisten zwei Tage lang | |
einen sicheren Internetzugang ermöglichen, für 100 Euro gibt es zwei | |
sichere Zugänge für einen Monat. | |
Ebenso kann für die Anmietung von Untergrundwohnungen, für Bannerstoff, | |
Demoplakate und für Nahrungsmittel gespendet werden. | |
## Mit Bussen zwischen Beirut und Damaskus | |
Auf Nachfrage der taz erklärt Perabo, wie das gespendete Geld an die | |
gewünschte Adresse kommt. Ein Teil des Revolutionspatengeldes wird zunächst | |
nach Beirut überwiesen, sagt er. Von hier aus gibt es kontinuierlichen Bus- | |
und Sammeltaxiverkehr nach der syrischen Hauptstadt Damaskus, die gerade | |
mal 80 Kilometer weiter hinter zwei Bergpässen liegt. | |
Seit der Konflikt in Syrien eskaliert ist, machen die Grenzer häufig | |
Probleme. Besonders für Ausländer wird der Grenzübertritt schwieriger. | |
Syrische Aktivisten, die noch nicht auf den Listen der Zollbeamten stehen, | |
werden häufig zum Bargeldkurier und nehmen die Spenden aus Deutschland in | |
kleinen Beträgen mit über die Grenze – keinesfalls mehr als 1.000 Euro auf | |
einmal, falls doch einer auffliegt oder die wirtschaftliche Not so groß | |
ist, dass einer mit dem Geld durchbrennt. | |
Ein anderer Weg von „Adopt a Revolution“, das Geld von Deutschland nach | |
Syrien zu bekommen, geht über wohlhabende Familien in Syrien. Diese | |
funktionieren wie eine inoffizielle Bank, wenn die Verwandten in Europa das | |
Geld für die Komitees entgegennehmen und andere Mitglieder es in Aleppo | |
oder Damaskus wieder auszahlen. | |
Für immer mehr Familien der gehobenen Mittelschicht ist dieser Geldtransfer | |
doppelt attraktiv, weil er einerseits die Opposition unterstützt und so | |
andererseits Devisen ins Ausland gebracht werden können. Deshalb werden | |
auch solche Transfers immer wieder staatlich verfolgt. | |
## Belege gibt es immer | |
Perabo berichtet, dass es mitunter geraume Zeit dauert, bis es seine | |
Adressaten erreicht. Die oppositionellen Netzwerke seien aber so gut | |
organisiert, dass bislang alles Geld in Syrien angekommen sei, versichert | |
er. „Wir bekommen aus Damaskus regelmäßig Belege, wie viel Geld | |
eingetroffen ist. Von dort verteilen Aktivisten dann das Geld in die Städte | |
und Dörfer“, so Perabo weiter. „Wir wollen auch sichergehen, was damit | |
angestellt wird.“ | |
Gruppen von Aktivisten, die in besonders umkämpften Regionen wohnen, | |
erhielten das Geld nicht direkt ausgezahlt, um zu verhindern, dass in einer | |
verzweifelten Situation nicht doch einmal Mittel veruntreut oder Waffen und | |
Munition davon gekauft werden. Auch wenn es komplizierter ist, lassen | |
Perabo und seine Unterstützer die benötigten Geräte – Smartphones und | |
Laptops zum Beispiel – direkt in Damaskus oder sogar in der Türkei | |
besorgen. | |
Die lokalen Komitees sollen regelmäßig berichten – unter anderem über die | |
Verwendung der Mittel. In Zeiten der schnellen politischen Veränderungen | |
sei es besonders wichtig, engen Kontakt zu den Aktivisten in Syrien zu | |
halten, betont „Adopt a Revolution“. In den letzten Monaten sei die | |
Förderung von einigen Gruppen schon eingestellt worden, weil diese sich zu | |
weit von der Grundidee eines demokratischen, unbewaffneten Protests | |
entfernt hätten. | |
Die vielen Gespräche mit Aktivisten und die Berichte der Komitees | |
motivieren das Team von „Adopt a Revolution“, seine Hilfe für die verfolgte | |
Opposition fortzusetzen, obwohl die Arbeit immer riskanter wird. Der Dank | |
dafür kam erst vor Kurzem in einem Bericht aus Duma, einem Vorort von | |
Damaskus, in dem täglich scharf geschossen wird: „Danke für die | |
Unterstützung von ’Adopt a Revolution‘! Sie ist für unseren zivilen Prote… | |
von großer Bedeutung und macht es möglich, dass wir unsere Proteste | |
dokumentieren und uns um verfolgte Aktivsten kümmern können.“ | |
17 Jul 2012 | |
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