Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Streit der Woche: „Wettbewerb bringt Innovation“
> Oft scheint es, die Deutsche Bahn kenne keine Schranken, etwa bei den
> Preisen. Mehr Wettbewerb hilft, sagt Verkehrsminister Peter Ramsauer.
> Andere fordern mehr staatliche Kontrolle.
Bild: Wohin soll es gehen, das Eisenbahnsystem?
BERLIN taz | Während der dreistündigen Fahrzeit von Frankfurt nach Dortmund
nahm der ICE an diesem Novembersonntag eineinhalb Stunden Verspätung auf.
Der Grund: Probleme mit den Triebwerken. Zur Entschädigung spendierte die
Deutsche Bahn den Kunden ein Getränk nach Wahl aus dem Bordbistro –
allerdings nur eine Stunde lang, wer später kam, hatte kein Anrecht mehr.
Wer kennt sie nicht, die nonkulante Seite der Bahn, inklusive Preiserhöhung
und verpasster Anschlusszüge? „Das wird sich auch nicht ändern, solange die
Bahn Monopolist auf der Schiene ist“, schreibt der Grüne Anton Hofreiter,
Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Verkehr, in seinem Gastbeitrag
für den Streit der Woche in der sonntaz. „Wettbewerb schafft faire
Fahrpreise und Fahrkomfort, nur so lassen sich Autofahrer zum Umsteigen
animieren“, sagt Hofreiter. Etwas vorsichtiger drückt es
Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer aus. Dieser schreibt in der sonntaz:
„Wichtig für eine weitere positive Entwicklung der Deutschen Bahn ist auch
der Wettbewerb.“ Denn dieser führe auch zu Innovationen und somit zu
besserer Qualität. „Davon haben am Ende alle etwas – die Bahn und die
Kunden.“ Die Bahn sei indes gut aufgestellt. „Sie muss die Konkurrenz nicht
fürchten.“
Bisher scheint es eher, als müsse die Konkurrenz die Macht der Deutschen
Bahn fürchten. Denn das Personenbeförderungsgesetz beinhaltet einen Passus
aus dem Jahr 1934, der verbietet, auf bereits angebundenen Strecken weitere
Linien aufzubauen. Bis Herbst soll der Bundestag über eine Reform
abstimmen.
Solange bekommen vor allem Fernbus-Anbieter wie Ingo Mayer-Knoch und seine
Kollegen von Dein Bus die Auswirkungen zu spüren. Viele von ihnen müssen um
die Genehmigung einer Verbindung beim jeweiligen Landratsamt bangen oder
sich mit Klagen der Deutschen Bahn herum schlagen. Völlig unverständlich,
findet Ingo Mayer-Knoch: „Durch ihr altes Monopol ist die DB träge
geworden“, sagt er der sonntaz. Das führe zu schlechtem Service bei hohen
Preisen, die vor allem für junge Leute wie Studenten kaum mehr bezahlbar
seien. „Für den letzten großen Staatsdino besteht Hoffnung auf Veränderung
nur noch durch mehr Wettbewerb“, sagt Mayer-Knoch.
## Gewerkschaft findet Wettbewerb gut
Bernhard Knierim, Koordinator des Bündnisses „Bahn für alle“, hält den
Glauben an mehr Konkurrenz als Allheil-Mittel dagegen für einen großen
Fehler: „Grund für die Probleme bei der Bahn sind die falschen Vorgaben aus
der Politik“, sagt Knierim der sonntaz. Sein NGO-Zusammenschluss macht auf
die sozialen Defizite aufmerksam, die seit 1994 mit der Umstrukturierung
der Bahn zu einem als Aktien-Gesellschaft organisierten, privaten
Unternehmen in Bundesbesitz einhergingen. Knierim kritisiert die Reform,
die zeitweise auch die Beteiligung privater Investoren vorsah, und weitere
Liberalisierungsbestrebungen: „Ziel der Bahn darf nicht sein, maximalen
Gewinn zu erwirtschaften, sondern einen zuverlässigen, flächendeckenden und
qualitativ hochwertigen öffentlichen Verkehr im ganzen Land zu bieten – zu
vernünftigen Kosten.“
Das sieht auch Sabine Leidig, verkehrspolitische Sprecherin der Partei Die
Linke, so. Historisch gesehen seien immer die Eisenbahnen erfolgreich
gewesen, die Netz und Betrieb zusammen und in einer Hand dachten – ob
damals in Preußen oder heute in Japan. Leidig sieht die Liberalisierung des
Fernverkehrs als eine Gefahr für die öffentliche Infrastruktur an. Von den
anderen Parteien werde im Verkehrsausschuss immerzu der freie Wettbewerb
proklamiert. Vor diesem Hintergrund fragt Leidig im Streit der Woche:
„Meint dieser Wettbewerb nicht vor allem Wettbewerb beim Lohndumping?“ Mit
diesem würden die privaten Anbieter die Bahn dazu zwingen, einzelne
Strecken aufzugeben. „Der nächste Schritt ist dann, dass der private
Anbieter die Preise erhöht und den Fahrplan ausdünnt“, sagt Leidig.
Jemand, den man eigentlich an ihrer Seite vermutet hätte, widerspricht in
diesem Punkt vehement. Claus Weselsky, Vorsitzender der Gewerkschaft
Deutscher Lokomotivführer (GDL), hält mehr Konkurrenz im Eisenbahnbereich
für positiv. Er sei eine Triebkraft der Verlagerung von Straßenverkehr auf
die Schiene. Dass die privaten Unternehmen nicht mehr wie in der
Vergangenheit Dumping betrieben, habe seine Gewerkschaft 2011 mit dem
Flächentarifvertrag für Lokomotivführer erreicht. „Den Lokomotivführern i…
es egal, ob sie rote, weiße oder grüne Züge fahren, wenn die Konditionen
stimmen“, schreibt Weselsky im Streit der Woche der sonntaz. Wichtig sei
ein gutes Gesamtangebot in Konkurrenz zur Straße.
Entgegen der Printversion dieser Debatte betonte Barbara-Birgit Pirch, die
mit ihrem Traktionsleistungsunternehmen Rail4U Loks für den Güterverkehr
anbietet, die Deutsche Bahn brauche nicht mehr Konkurrenz. In der Zeitung
war Pirch, die zu ihrer inhaltlichen Aussage weiterhin steht, unter Pro
eingeordnet. Sie sagte taz.de nachträglich: „Sehr viel sinnvoller als mehr
Konkurrenz wäre die Abkehr von einer bisweilen starren Haltung gegenüber
den bereits bestehenden Privatunternehmen.“ Nur so würden
Optimierungsprozesse und ein partnerschaftlich geprägtes Miteinander besser
möglich. „Auch das flexible Potenzial kleinerer Unternehmen sollte dabei
positiv wahrgenommen werden“, sagte Pirch. Die Stellung der Deutschen Bahn
als führendes Unternehmen im Bahnwesen solle aber unbedingt bestehen
bleiben.
Die sonntaz-Frage „Braucht die Deutsche Bahn mehr Konkurrenz?“ diskutierten
außerdem Jeremy Corbyn, Verkehrsexperte der britischen Labour-Partei, und
Werner Reh, Leiter Verkehrspolitik des Bundes für Umwelt und Naturschutz –
in der [1][sonntaz vom 28./ 29. Juli]. Die sonntaz gibt es auch [2][im
Wochenendabo].
28 Jul 2012
## LINKS
[1] http://bit.ly/gcsTy1
[2] http://bit.ly/LYGGQ8
## AUTOREN
Karen Grass
## ARTIKEL ZUM THEMA
Streit der Woche: „Ich fürchte mich vor Rollkoffern“
Trolleys sind praktische kleine Teufel, die eine Warnlampe brauchen, sagt
Designerin Luna Laboo. Sie schonen den Rücken, wenden Orthopäden ein. Ein
Dilemma.
Konkurrent für Deutsche Bahn: Vom Michel zum Dom für 20 Euro
Der „Hamburg-Köln-Express“ ist die zweite Alternative zur Deutschen Bahn
auf Fernstrecken. Die erste Fahrt verspätet sich. Im Zug riecht es nach den
70er Jahren.
Streit der Woche: Sind wir zu nett zur Schweiz?
Das geplante Steuerabkommen mit der Schweiz würde Steuersündern Amnestie
und Anonymität gewähren. Nicht allen gefällt das.
Hartz IV für Asylbewerber?: „Nicht nur für Deutsche“
Der Grüne Volker Beck fordert, dass Asylbewerber so viel finanzielle
Unterstützung erhalten wie Hartz-IV-Empfänger. Die Union will ihnen
weiterhin weniger zahlen.
Streit der Woche: „Waffenhandel muss begrenzt werden“
Deutschland muss weg von Rang drei aller Waffenexporteure, findet Edelgard
Bulmahn von der SPD. Georg Adamowitsch von der Sicherheits- und
Verteidigungsindustrie sieht's anders.
Bahn-Konkurrenz im Fernverkehr ab Herbst: Die Alternative kommt
Das Unternehmen MSM will ab Herbst mit der Deutschen Bahn auf den Strecken
von Köln nach Berlin und Hamburg konkurrieren. Auf Fernstrecken hat die
Bahn bisher noch ein Monopol.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.