# taz.de -- Neonazi Molau will aussteigen: Vom rechten Weg abgekommen | |
> Andreas Molau trat mit 16 der NPD-Jugendorganisation bei und galt über 20 | |
> Jahre lang als rechtsextremer Intellektueller. Nun will er wieder raus. | |
Bild: Damals noch überzeugter Nazi: Molau als Spitzenkandidat der NPD bei der … | |
HAMBURG taz | „Wenden sie sich der Literatur zu“, habe ein Vordenker der | |
„Neuen Rechten“ ihm geraten. „Gehen sie nicht in die Politik“. Diese | |
Anekdote erzählt Andreas Molau im August 2008, kurz bevor er sein erstes | |
Buch vorstellen will. Verschmitzt witzelte der damalige NPD-Spitzenkandidat | |
für die niedersächsische Landtagswahl an jenem Abend über die Empfehlung. | |
Vier Jahre später ist der frühere Hoffnungsträger der NPD, der | |
entscheidende Parteikader der DVU und der strategisch denkende Mitarbeiter | |
der rechtsextremen Partei „Pro NRW“ an der Politik gescheitert und will | |
raus. „Ich habe eine klare Trennung gezogen – sowohl in meinem Beruf als | |
auch in meinem privaten Umfeld“, sagte Molau nun NDR-Info. An den | |
niedersächsischen Verfassungsschutz habe er sich bereits gewendet. | |
Schon immer passte der Habitus des ehemaligen Lehrers für Deutsch und | |
Geschichte aus der Nähe von Wolfenbüttel wenig zur Szene: Er war zu | |
moderat, zu akademisch. Mit der runden kleinen Brille wirkte der 44-jährige | |
an der Waldorfschule in Braunschweig wenig „rechtsextrem“. Als er sich 2004 | |
an der Schule beurlauben lassen wollte, um bei der NPD-Fraktion in Sachsen | |
wissenschaftlicher Mitarbeiter zu werden, waren Lehrer und Eltern völlig | |
überrascht. „Man mochte das gar nicht glauben“, sagte eine Mutter. Der | |
Geschäftsführer der Schule räumte später offen ein: „Wir haben ihn | |
verkannt“. | |
Das Unterlaufen der Klischees beeindruckte und beunruhigte die | |
rechtsextremen Parteien und Szenen zugleich. „Das ist ein Mann, der auf der | |
Straße den Bürger ansprechen kann“, schwärmte der ehemalige | |
NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt. Über Jahre hinweg modifizierte Molau | |
rechtsextreme Positionen so, dass sie ohne Substanzverlust auch in | |
breiteren Kreisen der Gesellschaft akzeptiert werden konnten. | |
## Mit 16 zur Neonazi-Jugendorganisation | |
Bereits in jungen Jahren hatte Molau eine gefestigte rechtsextreme | |
Gesinnung. Schon mit 16 Jahren war er der NPD-Jungendorganisation „Junge | |
Nationaldemokraten“ beigetreten. Nach dem Wehrdienst schloss er sich der | |
rechtslastigen „Deutschen Hochschulgilde Trutzburg Jena zu Göttingen“ an. | |
1990, während des Studiums, arbeitete er bei der Jungen Freiheit. Vier | |
Jahre später musste er die rechte Wochenzeitung verlassen, nachdem er einen | |
Beitrag abgedruckt hatte, in dem die Leugnung des Holocaust angedeutet | |
wurde. | |
Zum Schreiben war er aber schon früher gekommen. „Als 1985 das vierzigste | |
Jubiläum der angeblichen Befreiung gefeiert werden sollte, holte ich damals | |
unsere alte Schreibmaschine raus“, erzählte er, denn der 8. Mai 1945 war | |
für ihn kein „Tag der Befreiung, sondern ein Tag der Niederlage“. | |
Der Plot seines Debütromans überraschte auch wenig: Der Protagonist | |
entdeckt die Verbrechen der Roten Armee und dass sein linker Dozent von der | |
Stasi unterstützt wurde. Und mit dem Schreiben hörte Molau während seiner | |
acht Jahre als Lehrer auch nicht auf – er veröffentlichte aber unter | |
Pseudonymen. 2005 wurde er Vorsitzender der „Gesellschaft für freie | |
Publizistik“, der größten rechtsextremen Kulturorganisation in Deutschland. | |
In der NPD scheiterte er 2008 bei internen Führungskämpfen, ging zur DVU | |
und 2010 zur Pro NRW. An eindeutigen Aussagen, wie der Trennung der | |
Schulklassen in deutsche und nichtdeutsche Kinder, ließ er es nie missen. | |
## Die Szene „ist schlicht skurril“ | |
Nun also will Andreas Molau nicht mehr. Als einen Grund seines Umdenkens | |
nennt er die Aschermittwochrede des NPD-Bundesvizes Udo Pastörs im Jahr | |
2009, in der dieser Deutschland als „Judenrepublik“ bezeichnete und vor | |
türkischen Männern mit ihren „Samenkanonen“ warnte. | |
Ein weiterer Grund sei, dass ihm nach und nach erst klar geworden sei, in | |
welche Kreise er geraten sei: „Da gibt es bei irgendwelchen Treffen in | |
Hinterzimmern Jüngelchen, die kaum gerade stehen können und dann ein | |
T-Shirt mit dem Aufdruck 'White Power' tragen. Im 'Deutsche Stimme Verlag' | |
[Anm. der Redaktion: NPD-naher Verlag] bestellen Menschen Wehrmachtspuppen | |
oder irgendwelche Zimmerflaks für den weihnachtlichen Gabentisch. Es ist | |
schlicht skurril". | |
Im Gespräch mit dem NDR räumt er ein: „Wenn ich wieder einen Weg zurück in | |
die Gesellschaft haben will, dann kann der nicht gerade sein. Ich kann mich | |
nicht morgen vor eine Klasse stellen, um zu sagen: 'Es ist nichts | |
gewesen'“. Und er hofft: „Aber es muss eine Chance geben, wenn auch in | |
Etappen“. „Pro NRW“ verkündete indes eiligst: Molau habe auf ausdrückli… | |
Wunsch des Parteivorsitzenden bereits im Juni alle Ämter niedergelegt. | |
30 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
Andreas Speit | |
Andreas Speit | |
## TAGS | |
Alternative für Deutschland (AfD) | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Entlassung eines rechten Lehrers: Eine Berliner Eliteschule räumt auf | |
Der Lehrer soll Bärgida-Demonstrationen unterstützt haben und den | |
„Identitären“ nahestehen. Das Gymnasium hat ihm in der Probezeit gekündig… | |
Staatliche Schule mit Waldorfpädagogik: Grundschule mit Astralleib | |
In Hamburg sollen erstmals Waldorflehrer an einer staatlichen Schule | |
unterrichten. Kritiker verweisen auf die esoterischen Wurzeln der | |
Pädagogik. | |
NPD in Berlin: Ausgepfiffen, ausgebuht | |
Die NPD macht mit ihrem Werbe-Truck in Potsdam und Berlin Halt - und erntet | |
deutlichen Widerstand von mehreren hundert Bürgern. | |
Andreas Speit über seine Arbeit: "Speit, taz, Feind" | |
Seit 20 Jahren hat Andreas Speit den "rechten Rand" im Blick. Ein Gespräch | |
über Euthanasie, quietschende Reifen und Smalltalk mit Nazis. | |
Kommentar Molau und die NPD: Der Wolf im Schafspelz | |
Mit dem effektvollen Niederlegen seiner Ämter inszeniert Andreas Molau sich | |
einmal mehr als moderat innerhalb der NPD. Umso gefährlicher sind er und | |
seinesgleichen. | |
Finanzsumpf bei der NPD: Molau will doch nicht NPD-Chef werden | |
Niedersachsens Parteivize Molau verzichtet auf seine Kandidatur als | |
NPD-Parteichef. Nun droht der Partei auch der finanzielle Ruin. | |
Niedersachsen: NPD hofft auf "6 plus x" | |
Zum Auftakt des Landtagswahlkampfes in Niedersachsen geben sich die | |
Rechtsextremen siegessicher. Umfragen bescheinigen ihnen elf Prozent. |