# taz.de -- Kommentar Halbzeit bei Olympia: Die Siegeswut der Hungrigen | |
> Olympia sortiert die Welt neu: Kleine Länder bringen große Leistungen und | |
> die Frauen sind goldgierig wie nie. Doch bis zur Gleichberechtigung ist | |
> es noch ein langer Weg. | |
Bild: Für viele Athletinnen (wie hier Sarah Attar aus Saudi Arabien) könnte d… | |
Es sind wunderbare Olympische Spiele, die seit gut einer Woche in London | |
zelebriert werden. Die Bilder aus der britischen Hauptstadt, von der | |
Eröffnung angefangen bis hin zu den Auftaktsequenzen von den | |
leichtathletischen Wettbewerben, sind auf eine beiläufige Art delikat und, | |
wenn man so will, antigrößenwahnsinnig. | |
Alles, was vor vier Jahren in Peking noch wie ein militärisch anmutendes | |
Defilée von Pomp und Drill aussah, was 2004 in Athen wie ein griechisches | |
Versprechen aus der hohlen Hand ohne besonderes Publikumsinteresse wirkte, | |
nimmt sich an der Themse wie ein Spiegel der sportlichen und damit auch | |
allgemeinen Weltverhältnisse aus: Die kleinen Länder, einst im olympischen | |
Nationenreigen in Rollen dritter bis fünfter Geigen, machen energisch auf | |
sich aufmerksam. | |
Womit man über den aktuellen Stand der sportlichen Entwicklung sprechen | |
kann – dokumentiert im Medaillenspiegel. China macht den USA auch ohne | |
Heimvorteil in Peking die Rolle der ersten Supermacht streitig. Und Länder | |
wie Südkorea erzielen Erfolge, die deshalb möglich wurden, weil deren | |
Ökonomien im globalen Maßstab quasi auf neuestem Stand sind. | |
Am Medaillenspiegel erkennt man auch leicht den Stand der europäischen | |
Misere: Spanien und Griechenland, noch vor zwölf oder acht Jahren Nationen | |
sportlicher Glorie, finden sich unter ferner liefen – noch hinter Ländern | |
wie Kasachstan, Nordkorea oder Kuba. In der Eurokrise wird auch bei | |
sportlichen Fördersystemen gespart. | |
## Kleine Länder mit großer Leistung | |
Aber das ist die halbe Wahrheit, die in diesem Medaillenspiegel angedeutet | |
wird: Fehlende Subventionen müssen sich nicht gleich bedeuten, dass ein | |
einzelner Sportler oder eine Sportlerin plötzlich schlechtere Leistungen | |
zeigen müssen. So eng ist das Verhältnis zwischen Geld und Leistung nicht | |
gehalten. | |
Aber dass gerade kleine Länder SportlerInnen hervorbringen, die in London | |
in ihren Wettbewerben kämpfen, als ginge es um alles, nicht nur um einen | |
Ausflug auf eine Cocktailparty, bei der man schon froh ist, wenigstens | |
geladen worden zu sein, ist auffällig. | |
Und in diesen Rollen der Hungrigen, Gierigen um Gold und Ruhm finden sich | |
markant viele Frauen aus Ländern wie Kasachstan, China oder Südkorea. In | |
deren Delegationen finden sich Athletinnen, für die der Sport die | |
Eintrittskarte in eine Welt ist, in der sie Gleichberechtigte sein können. | |
Es seien die Spiele der Frauen, hieß es kommentierend zum Auftakt der | |
Olympischen Sommerspiele. Man muss diesen Satz ergänzen: Es sind die Spiele | |
der Frauen, die ambitioniert genug sind, Männern nicht allein die Medaillen | |
vorzulegen. Sie wollen sie selber, und sie wollen die Hälfte vom ganzen | |
Medaillenkuchen. | |
## Die Welt sortiert sich neu | |
Dass es zur Gleichverteilung noch ein gutes Stück vom Weg ist, ist klar: In | |
fast allen Disziplinen gibt es mehr Männer- als Frauenwettbewerbe. Das wird | |
sich ändern. Auch, dass zwei saudi-arabische Sportlerinnen von den | |
Moralhütern ihres Landes gezwungen wurden, kopfbedeckt in ihre Wettbewerbe | |
zu gehen. | |
Die Welt – der olympische Sport gibt viele Indizien für diese These her – | |
sortiert sich gerade neu. Die asiatischen und afrikanischen Sphären melden | |
Ansprüche an und realisieren sie auch. Vor allem in weiblicher Hinsicht. | |
Sehr erfreulich, das! | |
5 Aug 2012 | |
## AUTOREN | |
Jan Feddersen | |
Jan Feddersen | |
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