# taz.de -- Gentrifizierung auf St. Pauli: Soll der Kiez einheitlich glänzen? | |
> Die Reeperbahn soll bald „Business Improvement District" werden: Besucher | |
> sollen konsumierende Kunden werden, Eigentümer sollen zahlen. | |
Bild: Könnte bald Business Improvement District werden: Die Reeperbahn. | |
Um die Reeperbahn aufzupolieren, will eine Initiative Gewerbetreibender | |
einen Business Improvement District (BID) einrichten. Alle Grundeigentümer | |
zwischen Millerntor und Nobistor müssten dann über fünf Jahre insgesamt 1,9 | |
Millionen Euro aufbringen, um den Kiez sauberer zu machen und ihn | |
touristisch besser zu vermarkten. | |
Der BID ist ein gesetzliches Instrument, das es erlaubt, einen Straßenzug | |
wie ein Einkaufszentrum zu managen. Dafür nehmen Grundeigentümer und | |
Gewerbetreibende in einer „Public-Private-Partnership“ die Aufwertung | |
selbst in die Hand. | |
Die Interessengemeinschaft (IG) St. Pauli, ein Zusammenschluss von | |
Geschäftsleuten und Immobilienbesitzern, macht sich dafür stark, dass | |
künftig die Kosten für zusätzliche Straßenreinigungen, einen | |
Quartiersmanager und das Marketing auf alle rund 120 Eigentümer an der | |
Reeperbahn umgelegt werden. Für den Kiez-BID, bei dem sich keiner mehr | |
drücken könnte, gibt es ein Quorum: nicht mehr als 30 Prozent der | |
Grundeigentümer dürfen dagegen stimmen. Anders als am Neuen Wall und am | |
Dammtor, wo in neu gepflasterte Straßen investiert wurde, soll das Geld auf | |
der Reeperbahn vor allem der Imagepflege dienen. Aus der Bummelmeile soll | |
eine Konsummeile werden. | |
„Wir wollen bei der Entwicklung des Viertels beeinflussen, in welche | |
Richtung die Reise geht“, sagt Andreas Pfadt, der Beauftragte für den BID | |
St. Pauli. Es gehe vor allem um das Vergnügungsgeschäft, da sei die | |
Gewichtung heute nicht so, wie sie sein sollte. „Vor dem Krieg war St. | |
Pauli auch ein Vergnügungsviertel für bürgerliche Leute“, sagt der | |
Stadtplaner. Wenn Grundeigentümer die Straße erneuern und verschönern | |
wollten, sollten sie dafür selbst bezahlen. | |
Schon heute befürchten viele Kiez-Bewohner, dass ihr Stadtteil immer | |
schicker und teurer wird und sie hier bald nicht mehr leben können. Das | |
sieht Pfadt aber gelassen. „Ein bisschen mehr Stadtteilreinigung ist noch | |
keine Aufwertung“, findet er. | |
Steffen Jörg vom Stadtteilbüro GWA St. Pauli ist skeptisch, ob es | |
tatsächlich bei ein bisschen zusätzlicher Reinigung bleibt. Auf dem | |
Spielbudenplatz, der seit einigen Jahren an eine private | |
Betreibergesellschaft verpachtet ist, seien Obdachlose mit einer | |
Sprinkleranlage verscheucht worden. Mit dem BID würden die Belange der | |
Gewerbetreibenden höher bewertet als andere. | |
Außerdem werde der öffentliche Raum weiter privatisiert. „Gewerbetreibende | |
übernehmen ein Terrain und bekommen dafür auch de facto zusätzliche | |
Rechtsansprüche“, warnt Jörg. Im Stadtteil gebe es aber auch Gegenwind, | |
auch weil kleine Läden befürchten müssten, aus dem Stadtteil gedrängt zu | |
werden. | |
Ob der BID kommt, soll Ende des Jahres entschieden werden. „Die Einführung | |
des BID St. Pauli wurde zurückgestellt, weil über die Höhe der Abgaben | |
verhandelt wird“, sagt die Sprecherin des Bezirksamts, Sorina Weiland. | |
8 Aug 2012 | |
## AUTOREN | |
Lena Kaiser | |
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