# taz.de -- Bundesärztekammer im Organskandal: Ein bisschen mehr Transparenz | |
> Die Bundesärztekammer will die 50 deutschen Transplantationszentren | |
> besser kontrollieren. Woher Geld und Personal kommen, bleibt unklar. | |
Bild: Wer kriegt das Herz? | |
BERLIN taz | Nach wochenlangem öffentlichen Druck, ausgelöst durch | |
mutmaßlich kriminelle Datenmanipulationen bei der Vergabe von | |
Spenderorganen an den Unikliniken Göttingen und Regensburg, ist die | |
Bundesärztekammer nun zu Zugeständnissen bei ihrer Informations- und | |
Überwachungspolitik von Transplantationen bereit. | |
Künftig solle es verdachtsunabhängige, flächendeckende Kontrollen der 50 | |
deutschen Transplantationszentren geben, kündigte der Ärztekammer-Präsident | |
Frank Ulrich Montgomery am Donnerstag in Berlin an. Woher das hierfür | |
nötige Personal und Geld kommen soll, ließ er offen ([1][Übersicht] über | |
die Transplantationen 2011 in Deutschland). | |
Verschärft werden müssten auch die Sanktionen: „Bei schwerem ärztlichen | |
Fehlverhalten“ müsse den Ärzten die Approbation entzogen werden, notfalls | |
sei auch eine Schließung kriminell agierender Transplantationszentren in | |
Betracht zu ziehen. Montgomery schränkte ein, hierfür keine Kompetenz zu | |
haben; sein Appell richte sich an die zuständigen Landesbehörden. | |
Forderungen von Grünen und Linken nach verstärkter staatlicher Aufsicht | |
lehnte Montgomery ab. Allenfalls eine „Verzahnung“ zwischen den | |
Organisationen der Selbstverwaltung und den staatlichen Stellen sei bei der | |
Aufklärungsarbeit sinnvoll. | |
Vorausgegangen war ein Krisentreffen mit Vertretern der Deutschen | |
Krankenhausgesellschaft (DKG), des Spitzenverbandes der Gesetzlichen | |
Krankenkassen (GKV) sowie der Stiftung Eurotransplant, die als | |
privatrechtliche Organisation mit Sitz im niederländischen Leiden die | |
Vergabe sämtlicher Spenderorgane in sieben europäischen Ländern | |
verantwortet. | |
In Göttingen hatte der zuständige Chirurg falsche Laborwerte angegeben, | |
damit seine Patienten kränker erschienen. Dadurch rückten sie auf der | |
Organ-Warteliste nach oben. Zuvor hatte er offenbar auch in Regensburg | |
Daten gefälscht. Die bisherigen Ermittlungen der Staatsanwaltschaften | |
sprechen dafür, dass der Arzt seine Manipulationen nur mithilfe von | |
Mitwissern tätigen konnte. | |
## „Mehraugenprinzip“ favorisiert | |
Ein „systemisches Versagen“ mochten jedoch weder Montgomery noch der | |
DKG-Geschäftsführer Georg Baum erkennen. Nötig sei allerdings eine bessere | |
Kontrolle bei der Anmeldung von Patienten für die Organ-Warteliste. Das | |
hierzu favorisierte „Mehraugenprinzip“ könne bereits im Herbst in den | |
Richtlinien zur Organtransplantation verankert werden, sagte der | |
Vorsitzende der Ständigen Kommission Organtransplantation bei der | |
Bundesärztekammer, Hans Lilie. Denkbar sei, dass ein unabhängiger Laborarzt | |
die von den Transplant-Teams an Eurotransplant gemeldeten Werte | |
kontrolliere. Überprüft werden müsse auch das beschleunigte | |
Vermittlungsverfahren, bei dem qualitativ minderwertige Organe direkt an | |
Kliniken vergeben werden. | |
„Nur durch Transparenz lässt sich das Vertrauen in die Organspende | |
wiederherstellen“, sagte der GKV-Vizechef Johann Magnus von Stackelberg. Er | |
versprach, die bislang streng geheim gehaltenen Prüf- und Kontrollberichte | |
der Bundesärztekammer über Unregelmäßigkeiten bei Organvergaben und | |
Transplantationen würden veröffentlicht. | |
Möglicherweise hatten sich von Stackelberg und Montgomery in diesem Punkt | |
nicht abgesprochen. Montgomery schränkte umgehend ein, die Zusage zur | |
Veröffentlichung gelte „mindestens für die Zukunft“. Ob und welche Altfä… | |
publik gemacht würden, ließ er offen. Seit 2000 seien der Prüf- und | |
Überwachungskommission 199 Vorgänge übermittelt worden, sagte Lilie. Daraus | |
seien 20 Verfahren entstanden, die Behörden oder Staatsanwaltschaften | |
gemeldet worden seien, meistens wegen Verstößen gegen die | |
Transplantationsrichtlinien. „Weil solche Verstöße meist als | |
Ordnungswidrigkeiten gehandelt werden“, so Lilie, „werden sie nicht | |
publik.“ | |
## „Hatten nichts mit Vorsatz zu tun“ | |
Und das soll offenbar auch so bleiben. Weder Lilie noch Montgomery waren | |
bereit, neben bereits bekannten Fällen aus Regensburg und Göttingen | |
konkretere Angaben zu den übrigen Verstößen zu machen. Nur so viel: „Die | |
anderen Fälle hatten nichts mit Vorsatz zu tun“, versicherte Lilie. „In | |
einem Fall ging es um ein Kommunikationsproblem zwischen Eurotransplant und | |
einem Klinikmitarbeiter“, orakelte Montgomery. | |
Der Chef von Eurotransplant, Axel Rahmel, verriet der taz immerhin, | |
Montgomerys Äußerung beziehe sich auf den Fall einer Leberteilspende. | |
Zwischen dem Arzt in einer Hamburger Klinik und Eurotransplant habe es | |
Differenzen über die Art der Teilung der Spenderleber gegeben, also | |
darüber, ob die Leber mittig oder asymmetrisch geteilt gewesen sei. | |
So etwas entscheidet in der Transplantationsmedizin im Zweifel über Leben | |
und Tod: „Die Art, wie die Leber geteilt wurde, hat unmittelbare | |
Auswirkungen darauf, an welche Patienten sie verteilt werden darf“, sagte | |
Rahmel. „Deswegen haben wir in diesem Fall die Prüfkommission informiert.“ | |
10 Aug 2012 | |
## LINKS | |
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## AUTOREN | |
Heike Haarhoff | |
## TAGS | |
Lebertransplantation | |
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