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# taz.de -- Organspendeskandal an Unikliniken: Herz und Niere, täglich geprüft
> Roy Gunkel braucht ein Herz und eine Niere. Beide Organe müssen vom
> selben Spender kommen. Vorher schluckt er viele an Tabletten, braucht
> Blutkonserven und muss zur Dialyse.
Bild: Jeden zweiten Tag Blutwäsche: Dialyse-Patient in Kiel.
JENA dpa | Eine Grippe hat Roy Gunkel (35) aus der Nähe von Bleicherode im
Norden Thüringens auf die Warteliste für Spenderorgane der Stiftung
„Eurotransplant“ gebracht. Der von ihm nicht ernst genommene Infekt vor
vier Jahren schädigte sein Herz so sehr, dass es ohne künstliche Pumpe
nicht mehr funktioniert.
Weil seitdem auch noch gefährliche Blutgerinnsel, ein Schlaganfall und
schwere Nierenschäden hinzukamen, steht der Kommunikationselektroniker auf
der Hochdringlichkeitsliste für Spenderorgane – seit vier Monaten. Der fast
1,90 Meter große Mann, der früher regelmäßig im Fitnessstudio trainierte
und jetzt schwerbehindert und erwerbsunfähig ist, braucht dringend ein
neues Herz und eine neue Niere.
Gunkel wartet in seinem Krankenzimmer im Universitätsklinikum Jena auf den
erlösenden Anruf. „Ich hoffe jeden Tag darauf, dass ein Arzt um die Ecke
kommt und sagt: Los geht's“, sagt der mit Schläuchen verkabelte Mann. Die
auf dem Überwachungsmonitor für die künstliche Herzpumpe angezeigten Werte
kann er er inzwischen erklären wie ein Mediziner. „Das ist die
Durchflussmenge, sie zeigt die Leistungsfähigkeit der Pumpe an.“
Auf dem Nachttisch liegen Behälter mit den vielen Tabletten, die er
schlucken muss. Jeden zweiten Tag muss der Mittdreißiger zur Blutwäsche
(Dialyse), weil die Nieren nicht mehr richtig arbeiten. Auch Blutkonserven
bekommt er regelmäßig.
Dass er zugleich ein neues Herz und eine neue Niere benötigt, macht die
Suche nach Spenderorganen nicht einfacher. „Beides muss vom selben Spender
kommen“, erläutert Gloria Färber, Oberärztin in der Jenaer
Universitätsklinik für Herz- und Thoraxchirurgie. Zweifel und Mutlosigkeit
kann ihr schwerkranker Patient in seiner Situation nicht gebrauchen. Umso
schwerer wiegt der Skandal um mutmaßliche Manipulationen bei der
Organvergabe an den Unikliniken Regensburg und Göttingen.
## „Es ist so einfach“
Gunkel hat dazu seine eigene Meinung: „Was da passiert ist, ist unfair
gegenüber anderen Patienten.“ Ein Oberarzt steht im Verdacht, in den beiden
Kliniken Krankenakten gefälscht zu haben. Dabei soll er die Krankheit auf
dem Papier verschlimmert haben, damit den Patienten schneller eine neue
Leber implantiert wurde – obwohl andere sie vielleicht nötiger gehabt
hätten.
„Das Problem ist ja nicht der einzelne Arzt oder die einzelne Klinik“, sagt
Gunkel. „Das Problem ist, dass es nicht genügend Organspender gibt.“ Und
die Bereitschaft zur Organspende drohe durch die Transplantationsaffäre
noch zu sinken. Eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstituts
YouGov bestätigt diese Befürchtungen. Demnach haben 45 Prozent der
Bundesbürger Bedenken, sich als Organspender zur Verfügung zu stellen. 42
Prozent teilen die Bedenken nicht. In Befragungen anderer Institute vor
einigen Monaten hatten noch rund zwei Drittel angegeben, dass sie sich
prinzipiell vorstellen könnten, ein Organ zu spenden.
„Es ist so einfach. Man muss doch nur einen Organspende-Ausweis ausfüllen“,
sagt Gunkel und berichtet von Freunden, die dies getan haben – nach seiner
Erkrankung. Er blickt aus seinem Jenaer Krankenzimmer nach draußen ins
Grüne, auf eine idyllische mittelalterliche Burgruine und wünscht sich
nichts so sehr, als dass die belastenden Wochen der Ungewissheit bald
vorüber und zwei passende Organe gefunden sind. „Ich möchte endlich wieder
in meinem Garten buddeln können.“
14 Aug 2012
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Ratten
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