# taz.de -- Montgomery zu Organspende-Skandal: „Mal kurzfristig vom Netz nehm… | |
> Der Präsident der Bundesärztekammer fordert bei Manipulationsverdacht | |
> Ärzten das Transplantieren zu verbieten. Dennoch sei das Aufsichtsystem | |
> gut. | |
Bild: Geht im aktuellen Organspende-Skandal von Einzelfällen aus: Frank-Ulrich… | |
OSNABRÜCK/BERLIN/KÖLN dapd | Vor dem Spitzentreffen zum Organspende-Skandal | |
hat der Präsident der Bundesärztekammer, Frank-Ulrich Montgomery, | |
gefordert, bei einem Manipulationsverdacht, Ärzten das Transplantieren | |
verbieten zu dürfen. „Wir müssen auch in die Lage versetzt werden, bei | |
Auffälligkeiten, ein Transplantationszentrum mal kurzfristig vom Netz zu | |
nehmen“, sagte Montgomery am Montag im Deutschlandfunk. | |
Das derzeitige Aufsichtssystem sei gut. Nach den Fällen in Göttingen und | |
Regensburg sei schnell und zügig aufgeklärt worden. „Aber es ist danach | |
nichts passiert“, kritisierte er. In Göttingen und Regensburg soll ein | |
Oberarzt Krankenakten manipuliert haben, um Patienten auf der Warteliste | |
für Spenderorgane ganz vorn zu platzieren. | |
Länder und Krankenkassen fordern mehr Kontrollen und Transparenz. | |
Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) berät am Montag mit seinen | |
Kollegen aus den Ländern, wie Missbrauch bei der Vergabe von Spenderorganen | |
verhindert werden kann. Er gehe davon aus, dass es sich bei den bekannt | |
gewordenen Fällen um Einzelfälle handele, sagte Montgomery weiter. | |
„Wir haben 50.000 Fälle in den letzten zehn Jahren in den Kommissionen | |
analysiert, wir haben 119 Auffälligkeiten gefunden und 20 Verstöße gegen | |
die Richtlinien der Verteilung – da kann man weder von Mafia noch von | |
großflächigem kriminellen Verhalten sprechen.“ | |
## „Wir brauchen eine Clearingstelle“ | |
Die Ethikkommission der Deutschen Transplantationsgesellschaft forderte | |
mehr Aufklärung für Patienten. Der Kommissionsvorsitzende Richard Viebahn | |
sagte der Neuen Osnabrücker Zeitung: „Welches Organ an welchen Patienten | |
vergeben wird, hängt von so vielen Faktoren ab, dass viele die Prozesse | |
nicht nachvollziehen können.“ | |
Viebahn sagte, das Transplantationssystem sei ausgereift, es müsse jedoch | |
mehr Kontrolle geben. Eine Aufklärungs- und Beratungsstelle könne etwa beim | |
Bundesgesundheitsministerium oder bei der Bundesärztekammer angesiedelt | |
sein. „Wir brauchen eine Clearingstelle, an die sich Patienten bei Fragen | |
nach Organvergaben wenden können“, sagte der Direktor der Chirurgischen | |
Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum. „Wir müssen das Thema | |
nüchtern angehen.“ | |
Die Bild-Zeitung berichtete unter Berufung auf einen internen Bericht der | |
Prüfkommission der Bundesärztekammer, von 2000 bis 2011 seien in | |
Deutschland 50.739 Organe verpflanzt worden. 43.536 Organe seien | |
verstorbenen Spendern entnommen worden, 7.203 Organe seien von | |
Lebendspendern gekommen. Dabei habe es 119 „Auffälligkeiten“ gegeben. In 21 | |
Fällen hätten Verstöße vorgelegen. | |
27 Aug 2012 | |
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